Beim Thema Professur denkt man oft an theoretische Vorlesungen und akademische Literatur. Doch an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) sieht der Alltag ganz anders aus. Eine HAW- Professur ist mehr als nur ein akademischer Titel. Dabei handelt es sich um einen Beruf, der Brücken schlägt zwischen Theorie und Praxis, Wissenschaft und Wirtschaft.
Was macht den Reiz dieser besonderen Art der Professur aus? Welche Wege führen in diese Position und wie unterscheidet sich eine HAW-Professur von einer Professur an einer klassischen Universität? Wir haben mit Prof. Dr. Carina Braun, der Vizepräsidentin der OTH gesprochen, um aus erster Hand zu erfahren, was diesen Beruf so einzigartig und spannend macht.
Ein Interview mit Prof. Dr. Carina Braun, Vizepräsidentin der OTH Regensburg
Könnten Sie bitte das Berufsbild einer Professorin bzw. eines Professors an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) beschreiben?
Wie der Name schon sagt, liegt der Schwerpunkt auf praxisnaher Lehre und anwendungsorientierter Forschung. Das bedeutet, dass wir sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Anwendungen im Blick haben. Dafür arbeiten wir als HAW-Professorinnen und -Professoren eng mit externen Organisationen zum Beispiel aus der Industrie zusammen und betreuen Studierende bei Projekten, in denen wir reale Probleme lösen und Innovationen fördern.
Welche Unterschiede sehen Sie zwischen der Professur an einer HAW und an einer Universität?
HAW-Professorinnen und -Professoren haben grundsätzlich ein höheres Lehrdeputat (Anmerkung der Redaktion: die Verpflichtung Lehrveranstaltungen durchzuführen). Außerdem konzentrieren wir uns auf die anwendungsorientierte Lehre und Forschung. Die Studierenden an HAWs profitieren von dieser praxisnahen Ausrichtung. Universitäten legen den Fokus auf Grundlagenforschung und die Entwicklung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Beide Modelle ergänzen sich und gewährleisten eine breite sowie vielseitige Bildung und Forschung.
Inwiefern spielt die praktische Berufserfahrung in der Industrie oder in anderen praxisnahen Bereichen eine Rolle?
Aufgrund der hohen Anwendungsorientierung an HAWs spielt die praktische Berufserfahrung eine zentrale Rolle. Unsere Professorinnen und Professoren wissen aus ihrer eigenen beruflichen Erfahrung, welche Themenbereiche und Fragestellungen zukunftsrelevant sind. Nicht zu unterschätzen sind auch die Kontakte aus dem Berufsleben, auf die wir zum Beispiel für kooperative Forschungsprojekte mit der Wirtschaft oder für praktische Projektaufgaben zurückgreifen. Für die Studierenden bringt die praktische Berufserfahrung den Vorteil, dass sie Theorien durch Anwendungen und Berichte aus der Praxis besser verstehen.
Welche spezifischen Qualifikationen und Erfahrungen sind notwendig, um eine Professur an der OTH Regensburg zu erhalten?
Für eine Berufung als Professorin oder Professor an einer HAW wird neben der wissenschaftlichen Erfahrung auch eine umfangreiche Praxiserfahrung außerhalb der Wissenschaft vorausgesetzt. Neben der Promotion ist also auch eine mehrjährige Berufserfahrung (mit mindestens drei Jahren außerhalb der Wissenschaft) nachzuweisen. Wichtig ist zudem die pädagogische Eignung. Die meisten Professorinnen und Professoren an HAWs haben bereits vor ihrer Berufung Lehrerfahrung gesammelt. Wer noch nicht alle Voraussetzungen erfüllt, kann sich aber auch auf eine Nachwuchsprofessur bewerben, um fehlende Qualifikationen nachzuholen.
Können Sie den typischen Ablauf des Berufungsverfahrens für eine Professur an der OTH Regensburg erläutern?
Das Berufungsverfahren beginnt mit der öffentlichen Ausschreibung der Professur und der Bildung eines internen Berufungsausschusses. Geeignete Bewerberinnen und Bewerber werden dann zu Probelehrveranstaltungen und persönlichen Gesprächen eingeladen. Der Berufungsausschuss erstellt auf dieser Basis einen Listenvorschlag, der von hochschulinternen Gremien genehmigt werden muss. Erst dann wird ein Ruf erteilt. Nicht selten zieht sich ein solcher Prozess leider über mehrere Monate, um die Besten ihres Fachs zu finden.
Würden Sie sich persönlich wieder für den Karriereweg der Professur entscheiden?
Auf jeden Fall! Für mich ist es mein Traumjob. Die Zusammenarbeit mit den Studierenden, die Praxisnähe, die freie inhaltliche Gestaltung von Forschung und Lehre, die Flexibilität und Familienfreundlichkeit sind nur einige Punkte, die ich an meinem Job so schätze.
Herzlichen Dank für dieses Interview und die spannenden Einblicke in Ihren Beruf, Frau Prof. Dr. Braun!
Ein Interview von Kathrin Gnilka | filterMagazin