„Wir brauchen eine Persönlichkeit, die Zuversicht und Entschlossenheit zeigt“
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- Kategorie: Politik & Wirtschaft
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Nach 16 Jahren verlässt Angela Merkel als Bundeskanzlerin die politische Bühne. Wir haben bei Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer nachgefragt, wie sie Angela Merkel in Erinnerung behalten wird, wo sie Erfolge und Niederlagen sieht und was sie sich vom zukünftigen Oberhaupt der Bundesrepublik Deutschland wünscht.
Nach 16 Jahren geht die Ära Angela Merkel zu Ende. Was werden Sie an Angela Merkel als Bundeskanzlerin vermissen und wie wird Ihnen Angela Merkel in Erinnerung bleiben?
Sie wird mir als ruhige, besonnene, diplomatisch agierende und intelligente Persönlichkeit in Erinnerung bleiben. Niemand hätte je gedacht, dass Frau Dr. Merkel über mehrere Legislativperioden Bundeskanzlerin sein würde. Auch mein Parteikollege und ehemaliger Bundeskanzler Gerhard Schröder konnte das ja kaum glauben.Manchmal war sie mir jedoch ein wenig zu zögerlich: Ich hätte mir zuweilen in früheren Phasen deutlichere Ansagen der Kanzlerin zu politischen Herausforderungen gewünscht. Persönlich habe ich sie leider nie getroffen. Ich konnte aber in einer Video-Schalte zur Corona-Krise miterleben, wie zugewandt und äußerst interessiert sie an ganz unterschiedlichen Fragestellungen und Themen war.
Wo sehen Sie Erfolge, aber auch Niederlagen in der Ära Angela Merkel und welchen Teil hat Angela Merkel als Bundeskanzlerin Ihrer Meinung nach dazu beigetragen?
Sie hat international Deutschland äußerst positiv vertreten: Sie ist durch und durch Europäerin. Und sie positioniert sich klar gegen Rechtextremismus.In Krisenzeiten wirkt sie oft unerschütterlich und sie gerät kaum ins Wanken. Als 2014/2015 viele Menschen zu uns nach Deutschland geflüchtet sind, hat sie die legendäre Aussage gemacht: „Wir haben so vieles geschafft: Wir schaffen das!“. Dieses klare Statement hat mich sehr berührt und war Ausdruck ihres unerschütterlichen Willens. Damit hat sie Deutschland ein menschliches, mitfühlendes Gesicht gegeben.
Angela Merkel mutierte 2015 von der „Mutti“ Deutschlands zur „Flüchtlingskanzlerin“ und wird nun als „Corona-Kanzlerin“ gehandelt. Wie hat Angela Merkel Ihrer Meinung nach die zwei wohl größten Herausforderungen ihrer Amtszeit – die Flüchtlingskrise auf der einen, die Corona-Krise auf der anderen Seite – gemeistert?
Zu Beginn der Corona-Krise hat die Regierung meiner Ansicht nach noch vieles richtiggemacht. Im Sommer 2020 wollte man dann nicht wahrhaben, dass es nochmal schlimmer werden könnte, und hat auch deutliche Vorhersagen ignoriert. Vielleicht hätte sie als Bundeskanzlerin schon früher härter argumentieren müssen, um auch die Ministerpräsidenten zu überzeugen. In der Flüchtlingskrise wollte Angela Merkel das Land motivieren – und das hat sie auch geschafft: Eine Welle der Solidarität ging durchs Land und sehr viele Menschen engagieren sich bis heute in der Flüchtlingshilfe. Auch die europäische Finanzkrise hat sie in meinen Augen sehr gut gemeistert.
Welche Herausforderungen warten Ihrer Meinung nach auf den zukünftigen Kanzler oder die zukünftige Kanzlerin?
Gerechtigkeit schaffen, die Schere zwischen Arm und Reich darf nicht größer werden – auch gerade jetzt nach der Pandemie nicht. Der Bildungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland muss weiter gestärkt und das Klima und die Umwelt geschützt werden.
Was wünschen Sie sich vom zukünftigen Oberhaupt der Bundesrepublik Deutschland im Speziellen und für die Zukunft Deutschlands nach Angela Merkel im Allgemeinen?
Ich wünsche mir einen Aufbruch in eine fortschrittlichere, sozial gerechtere und klimafreundliche Zukunft. Wir brauchen eine Persönlichkeit, die Zuversicht und Entschlossenheit zeigt und die Menschen mitnimmt.
Bildquelle:
Kamerafoto / filterVERLAG |