Am gestrigen Donnerstagabend, dem 28. April , debattierte eine Kommission über die Absenkung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre. In einem Punkt waren sie sich alle einig: Eine dementsprechende Verfassungsänderung sei möglich.
Diesen Artikel des Grundgesetzes (Art. 38 Abs. 2) müsste der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit ändern, wenn das aktive Wahlalter von den jetzigen 18 auf 16 Jahre abgesenkt werden sollte.
„Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt“
Eigene Kommission gegründet
Bereits am 16. März wurde vom Bundestag eine Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit eingesetzt. Diese besteht aus 13 Abgeordneten des Bundestags und 13 Sachverständigen. Alle von ihnen waren sich von vornherein einig, dass es dem Verfassungsgesetzgeber frei wäre, eine solche Entscheidung zu treffen. In einigen Bundesländern dürfen 16-jährige bereits den Landtag wählen: Zuletzt ging Baden-Württemberg diesen Schritt und senkte im April das aktive Wahlalter auf 16 Jahre .
Sorgfaltspflicht für künftige Generationen
Basis der Debatte ist auch die Frage, wie es um die Urteils- und Einsichtigkeitsfähigkeit von 16- bis 18-jährigen bestellt ist, die benötigt wird, um verantwortungsbewusst eine Wahlentscheidung zu treffen. Der Grünen-Politiker Till Steffen erinnerte dabei an das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Jahr, welches entschied, dass Entscheidungen mit einer Sorgfaltspflicht für künftige Generationen verbunden sein müssen. 16-jährigen Schüler:innen werde das Wissen zugetraut, wie die parlamentarische Demokratie funktioniert.
Verantwortung ist relativ?
Dem unter anderem von AfD-Obmann Albrecht Glaser vorgebrachten Argument der beschränkten Geschäfts- und Deliktsfähigkeit von 16-Jährigen und dem daraus folgenden „Wertungswiderspruch“ hielt Steffen entgegen, dass 16-Jährige durchaus den Führerschein für „gefährliche Fahrzeuge“ machen dürften und dass das Jugendstrafrecht keineswegs milder sei als das Erwachsenenstrafrecht.
Anteil älterer Wähler massiv gestiegen
SPD-Obman Sebastian Hartman erinnerte an die letzte Senkung des aktiven Wahlalters von 21 auf 18 Jahre vor 52 Jahren. Seither habe sich die Wahlbevölkerung erneut massiv verändert. Frauen wie Männer werden im Schnitt mehr als 10 Jahre älter als damals. Der Anteil älterer Wähler:innen sei also enorm gestiegen. Zudem sei es heute viel einfacher, sich vor einer Wahlentscheidung zu informieren, als es noch vor 52 Jahren der Fall war.
Wahlrecht statt Handyvertrag
Unions-Abgeordneter Philipp Amthor sprach von einem beachtlichen Widerspruch: Das Wahlrecht zu besitzen und gleichzeitig keinen Handyvertrag abschließen können, passe nicht zusammen. Sachverständige Professorin Stefanie Schmahl verwies darauf, dass in den siebziger Jahren nach der Absenkung des aktiven Wahlalters mit Wirkung ab 01. Januar 1975 auch die Volljährigkeit auf 18 Jahre abgesenkt wurde. Eine Wiederholung dieser Entwicklung sei aber nicht zwangsläufig.
Jugendliche wachsen in das Wahlalter hinein
FDP-Politiker Konstantin Kuhle argumentierte, dass viele Jungwähler aufgrund der Wahlperioden oft erst im Alter von 22 Jahren zum ersten Mal wählen gehen können. Manche davon haben dann vielleicht schon ein abgeschlossenes Bachelor-Studium. Gerade diese Altersgruppe sei empfänglich für politisches Engagement. Jede Regelung führe dazu, dass Personen in das Wahlalter hineinwachsen, entgegnete der Sachverständige Professor Rudolf Mellinghoff.
Eine „enorme Chance“
Kuhle stimmte dem Sachverständigen Professor Robert Vehrkamp zu, der gesagt hatte, dass politisches Interesse zu politischer Partizipation führt. Die erste Wahlbeteiligung sollte in die Schulzeit gelegt werden. Vehrkamp sieht darin eine „enorme Chance“, Interesse für die Demokratie und das Wählen zu erzeugen. Für Konstantin Kuhle ist der demografische Wandel ein weiteres Argument für ein abgesenktes Wahlalter. „Wir erleben eine wachsende Stimmmacht älterer Menschen“, sagte der FDP-Abgeordnete. Ein paar Stimmen mehr würden dazu beitragen, die Belange jüngerer Menschen mehr im Blick zu haben. Petra Pau, Obfrau der Linken, fragte, welcher Schaden drohen könnte, wenn ein 16-Jähriger abstimmt.
Politische Reife liegt nicht am Alter
Professor Bernd Grzeszick entgegnete, dass es den politischen Prozess beschädige, wenn jemand wählt, der nicht sinnvoll seine Stimme abgeben könne. Die Sachverständige Professor Jelena von Achenbach sprach sich dagegen aus, an 16-bis 18-Jährige höhere Anforderungen zu stellen als an andere Altersgruppen. Politische Reife liege eben nicht am Alter.
Deutscher Bundestag / RNRed