Die Corona-Pandemie hat die wirtschaftliche Lage in der Altstadt stark verschärft. Wir haben mit Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer über mögliche Maßnahmen, die Verkehrssituation und Zukunftskonzepte gesprochen.
Wer durch die Regensburger Altstadt schlendert, merkt schnell: Die Zeiten eines proklamierten Overtourism sind längst Geschichte. Aber nicht nur die Touristen bleiben aus – auch die heimische Kundschaft aus Stadt und Land zeigt aufgrund der zwei Jahre währenden Pandemie eher ein zurückhaltendes Einkaufsverhalten. Der Trend, seine Einkäufe von der Couch aus zu erledigen, hat durch Corona einen ungeahnten Schub erhalten und übt stärker denn je Druck auf die Altstadt aus.
Wir haben uns direkt bei den Kaufleuten umgehört. Die dabei aufkeimenden Fragen haben wir schließlich direkt an die Oberbürgermeisterin der Stadt Regensburg herangetragen: Was unternimmt die Stadt, um die Balance zwischen Gastronomie und Ladengeschäften zu erhalten? Welche Konzepte hat sie sich zur Unterstützung der Gewerbetreibenden in der Altstadt überlegt und welchen Mehrwert haben sie? Und wann wird der Verkehr in Regensburg endlich ganzheitlich angegangen?
Sehr geehrte Frau Maltz-Schwarzfischer, bereits vor Corona haben Institutionen wie Feinkost Sarik aufgrund extremer Mieterhöhungen schließen müssen. Die Forderungen seien dabei derart hoch angesetzt, dass einzelne Objekte unrentabel seien und bis heute nicht bezogen werden könnten. Welche Chance sehen Sie, mit regulierenden Instrumenten – wie beispielsweise der Mietpreisbremse – die Situation zu entschärfen?
Sie werden sicher verstehen, dass ich mich nicht zu Vertragsinhalten zwischen Dritten äußern kann, in diesem Falle Mietkonditionen, die Mieter und Vermieter ausgehandelt haben. Im gewerblichen Bereich gibt es keine rechtliche Handhabe für die Stadt, auf Mietpreise einzuwirken, insbesondere Obergrenzen festzulegen. Eine Mietpreisbremse für Gewerbeimmobilien gibt es daher nicht.
Über eigene Immobilien, von der Stadt verwaltete Stiftungen und die Stadtbau GmbH tritt die Stadt direkt und indirekt als Vermieterin am Markt auf. Hier setzen wir unser Ziel um, unseren Mieterinnen und Mietern faire Konditionen anzubieten. Im Rahmen von Beratungsgesprächen und bei unserem alle zwei Jahre stattfindenden Immobilienforum empfehlen wir auch anderen Vermieterinnen und Vermietern, gerade in von einem tiefgreifenden Strukturwandel geprägten Zeiten, nachhaltig erwirtschaftbare Mieten zu verlangen. Ich freue mich, dass es sehr viele private Vermieterinnen und Vermieter gibt, die nicht nur faire, dabei besonders für kleine Gewerbetreibende wirtschaftlich darstellbare Mieten verlangen, sondern sich darüber hinaus durch Sensibilität und großes Engagement, beispielsweise durch die Mitfinanzierung der Weihnachtsbeleuchtung, auszeichnen.
Corona habe den eingeschlagenen Kurs der Altstadt beschleunigt. Was vorher abzusehen gewesen wäre, sei jetzt eingetreten: Wie empfinden Sie den sich aktuell ausbreitenden Leerstand, die Schließungen von inhabergeführten Geschäften und die Ausbreitung von austauschbaren Ketten in der Altstadt? Welche Konzepte haben Sie sich zur Unterstützung der Gewerbetreibenden in der Altstadt überlegt?
Ich bin mir nicht sicher, was Sie mit „eingeschlagenem“ Kurs meinen und ab wann wir diesen eingeschlagen haben sollen. Sie nehmen sicher Bezug auf die allgemeine Entwicklung in der Altstadt mit den auch in vielen anderen Innenstädten ablesbaren Symptomen des zuvor schon erwähnten tiefgreifenden Strukturwandels vor allem im Einzelhandel. Fakt ist, dass wir seit vielen Jahren die zentrale Rolle der Altstadt im Oberzentrum für Ostbayern stärken und die Multifunktionalität – die seit jeher ein Merkmal unserer Altstadt ist – weiter ausbauen werden. Aufgrund der allgemeinen Umsatzrückgänge im stationären Einzelhandel werden andere Funktionen in der Altstadt an Bedeutung gewinnen, auch wenn der Einzelhandel weiterhin eine zentrale Säule dieser Multifunktionalität bilden wird.
Leerstände, von denen manche bereits seit längerer Zeit und zudem teilweise in prominenten Lagen bestehen, bedauere ich selbstverständlich sehr. Für jeden Leerstand gibt es Gründe, die wir kennen – und das liegt keineswegs immer an den Mietvorstellungen des Eigentümers. Wir unterstützen die Immobilienbesitzer nach Kräften, Lösungen für eine Nachnutzung zu finden. Ich sehe darüber hinaus aber auch viele positive Entwicklungen, wie beispielsweise aktuell in der Maximilianstraße, wo es in den zurückliegenden Monaten einige Neueröffnungen gab und weitere folgen werden.
Ein weiteres spezifisches Merkmal unserer Altstadt ist der vergleichsweise hohe Anteil an inhabergeführten Fachgeschäften, „kleinen feinen“ Boutiquen und Läden, die Stammkundschaft weit über die Stadtgrenzen hinaus haben. Der Filialisierungsgrad ist hingegen verhältnismäßig gering. Aktuell diskutieren wir eher über den Umzug einer großen Kette aus der zentralen Altstadt in die Arcaden. Dennoch muss attestiert werden, dass es auch für Filialbetriebe großer Marken im Regensburger Einzugsgebiet eine Kundschaft gibt und diese Ketten aufgrund ihrer Attraktivität einen wichtigen Anteil innerhalb des Angebotsmix darstellen.
Jede Schließung eines traditionellen familiengeführten Geschäfts, das sich vor allem auch durch die Persönlichkeiten dahinter auszeichnet, ist ein herber Verlust, wie die zum Teil sehr emotional geführten Diskussionen in der Stadtgesellschaft zeigen. Wenn man der Regensburger Altstadt eines jedoch nicht unterstellen kann, dann ist es eine Austauschbarkeit mit den meisten Fußgängerzonen in anderen deutschen Großstädten. Nach wie vor bekommen wir Anfragen von Unternehmerinnen und Unternehmern, die mit ihrem Geschäft oder gastronomischen Betrieb in die Altstadt ziehen und hier ihr individuelles Konzept verwirklichen möchten. Diesen Charakter und die Einmaligkeit der von der UNESCO ausgezeichneten Altstadt zu bewahren ist unser Ziel. Gleichzeitig möchten wir sie aber weiterentwickeln und zukunftsfähig aufstellen.
Die Gewerbetreibenden in der Altstadt profitieren beispielsweise indirekt seit Jahrzehnten von der Städtebauförderung, mit deren Hilfe wir große Teile der historischen Altstadt saniert haben und weiterhin sanieren. Wir stärken den Standort Altstadt beispielsweise durch Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Raums, um die Aufenthalts- und Lebensqualität sowie daraus resultierend die Aufenthaltsdauer zu erhöhen. Mir ist es wichtig, dass sich die Menschen gerne in unserer Altstadt treffen und aufhalten, sei es im Rahmen eines Einkaufsbummels, einer gastronomischen Genussreise oder anlässlich des Besuchs einer der vielen Veranstaltungen oder kulturellen Einrichtungen.
Die Stadt hat sich im Übrigen erfolgreich um Förderprogramme beworben, die unsere Aktivitäten in der Altstadt finanziell unterstützen und damit unsere ohnehin schon intensiven Bemühungen flankieren: Ich denke da beispielsweise an die Förderprogramme „Innenstädte beleben“ und die „EU-Innenstadt-Initiative“ sowie die Ernennung zur Smart City Modellkommune. Speziell in diesem Jahr gibt es den Fördertopf „Kleinmaßnahmen“, für den sich Betriebe oder Standortgemeinschaften bewerben und bei guten Ideen zur Stärkung des Standortes bis zu 5.000 Euro für die Umsetzung in Eigenverantwortlichkeit von der Stadt Regensburg bekommen können. Im Rahmen des städtischen Einzelhandels- und Zentrenkonzeptes schreiben wir der Altstadt eine herausragende Funktion und Bedeutung zu, sodass wir sie als gewachsenes historisches Zentrum stärken.
Die Tendenz in der Altstadt gehe langsam in Richtung Schwerpunkt Gastronomie. Dabei sei es gerade das Zusammenspiel von Gastronomie, Hotellerie und attraktiven Einkaufsmöglichkeiten, das den Stadtkern lebendig hält. Was haben Sie geplant, um das Gleichgewicht der Innenstadt zu erhalten?
Eine Stärke der Regensburger Altstadt ist, wie bereits erwähnt, die traditionell sehr ausgeprägte Multifunktionalität von beispielsweise Einzelhandel, Gastronomie, Handwerk, Dienstleistungsbranche, Bildung, Kultur, Arbeiten und Wohnen. Die Gastronomie nimmt seit jeher eine wichtige Rolle ein und bildet insbesondere mit dem Einzelhandel eine Symbiose: beide ergänzen sich und profitieren voneinander. Sehr viele Menschen verbinden nun mal gerne den Einkaufsbummel mit einer Einkehr in ein Café oder ein Restaurant. Hinzu kommen Tausende Menschen, die in der Altstadt arbeiten und hier zum Beispiel ihre Mittagspause verbringen, sich geschäftlich zum Essen treffen oder nach Feierabend mit den Kolleginnen und Kollegen eine der zahlreichen Bars und Kneipen aufsuchen.
Aktuell stellen wir eine erhöhte Flächennachfrage aus dem gastronomischen Spektrum fest. Dies ist jedoch kein neues Phänomen, denn eine hohe Flächennachfrage gibt es in diesem Bereich seit Jahrzehnten. Um die Multifunktionalität zu stärken und die Verschiebung der Nutzungsvielfalt zu Gunsten von Gastronomieflächen zu steuern, hat die Stadt Regensburg im Jahr 2006 den Stellplatzschlüssel angepasst. Im Jahr 2020 haben wir überprüft, ob das damals eingeführte Instrument zur Regelung noch wirkt. In einer eigens durchgeführten Erhebung konnten wir feststellen, dass bis 2006 die Umnutzung von bis dato anderweitig genutzten Flächen hin zu Gastronomieflächen oft vorkam. Ab dem Jahr 2006 ist die Anzahl der Gastronomiebetriebe in der Altstadt jedoch relativ konstant geblieben. Insofern können wir festhalten, dass die Anpassung des Stellplatzschlüssels ihre intendierte Wirkung nicht verfehlt hat.
In der Bedarfsanalyse für das Beherbergungsgewerbe in Regensburg hat die Stadt Regensburg bereits im Jahr 2016 darüber informiert, dass es zu einer Überkapazität an Hotelbetten kommen wird. Seit Veröffentlichung der Studie sind jedoch weitere Hotels entstanden. Durch die Pandemie ist die Anzahl der Übernachtungen zudem noch spürbar zurückgegangen. Das Niveau gerade der geschäftlich bedingten Hotelübernachtungen aus dem Jahr 2019 werden wir in absehbarer Zeit nicht wieder erreichen. Einige Hotels mussten bereits schließen, es ist zu vermuten, dass weitere Hotels folgen werden. Die Vielfalt und Ausgewogenheit der Nutzungsarten in der Altstadt gilt es weiterhin zu bewahren.
Die Unterbringung von Kunstprojekten und stadteigenen Cafés mit stark verkürzten Öffnungszeiten in vorübergehend leerstehenden Geschäften wird ebenso wie die großflächige Beklebung von Schaufensterscheiben durch die Stadt Regensburg als „vermeintliche Kaschierung“ des Zustands der Altstadt wahrgenommen. Welchen Mehrwert möchte die Stadt mit derartigen Aktionen bieten, sodass es sich tatsächlich nicht um reine Zierde handelt?
Kulturelle und kreative Nutzungen gehören zur Altstadt und tragen maßgeblich zu ihrer Attraktivität bei. Mit dem Degginger ist beispielsweise in den zurückliegenden sieben Jahren ein deutschlandweit viel beachteter „creative place“ entstanden, der als Schnittstelle und Anlaufpunkt der Kultur- und Kreativszene einen wichtigen Beitrag zur zukunftsfähigen Weiterentwicklung unserer Altstadt leistet. Mit dem M26 in der Maximilianstraße setzen wir einen weiteren Impuls im kreativ-künstlerischen Bereich und tragen zur Attraktivitätssteigerung der Maximilianstraße bei. Unsere historische Altstadt eignet sich hervorragend für die Umsetzung von modernen und zukunftsweisenden Projekten und Ideen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir unsere Altstadt in diese Richtung weiterdenken dürfen und müssen.Wir betreiben jedoch keine stadteigenen Cafés mit stark verkürzten Öffnungszeiten und auch das großflächige Zukleben von Schaufenstern wird von uns nicht durchgeführt.
Die Stadt Regensburg habe eine Menge Auflagen, was das Erscheinungsbild in der Innenstadt angehe. Beispielhaft hierfür sei das Hofbräuhaus, bei dem plötzlich Tische und Stühle des Freisitzes nicht mehr „ins Stadtbild gepasst“ hätten. Auch diese Dinge würden das Tagesgeschäft der Gastronomen und Händler beeinträchtigen. Sollten Handel und Gastronomie nicht unterstützt werden, anstatt ihnen das Leben durch gefühlte „geschmäcklerische Willkür“ schwer zu machen?
Seit vielen Jahren sind Gestaltungshandbuch, Werbeanlagensatzung und die Altstadtschutzsatzung in Kraft und genießen eine hohe Akzeptanz. Sie wurden zum Teil auch Dank der großen Mitwirkung der Gewerbetreibenden selbst entwickelt, weil es den gemeinsamen Willen von Verwaltung, Politik und Wirtschaft gab, der ehemaligen gestalterischen Auswüchse Herr zu werden und eine Entwicklung in geordnete Bahnen zu lenken. Wenn man sich Fotos betrachtet zum vorherigen Zustand, der einem Wildwuchs gleichkam, lässt sich der positive Effekt dieser Regelwerke nicht leugnen. Davon profitieren letztlich alle Altstadtakteure, da diese Regeln Verbindlichkeit und Orientierung schaffen Die Gestaltungsrichtlinien wurden am Runden Tisch Altstadt, an dem unter anderem die IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim, der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA, Vertreterinnen und Vertreter der Altstadtgastronomen und die Vereinigung der Freunde der Altstadt e.V. beteiligt sind, geprüft und erneut diskutiert. Nach der Diskussion haben alle Akteure das Regelwerk für gut befunden.
Nicht bei allen Betrieben mag die eine oder andere Regelung beziehungsweise Auflage auf Verständnis stoßen. Dennoch ist es wichtig, das „große Ganze“ im Blick zu behalten. Diese einmalige Altstadt mit Welterbestatus hat es verdient, dass wir im Sinne eines harmonischen und qualitätsvollen Erscheinungsbildes Wert legen auf Details, wie beispielsweise die Bestuhlung von Freiflächen oder die Warenauslage vor Geschäften. Es ist nicht in unserem Sinne, den Betrieben das Leben zu erschweren, sondern diese vor dem Hintergrund der bestehenden Regelungen frühestmöglich zu begleiten und zu beraten. Ich bin überzeugt, dass auch der einzelne Betrieb von dieser ganzheitlichen Betrachtung profitiert.
Seit Jahrzehnten sei ein neues Verkehrskonzept dringend notwendig. Immer wieder würden Gutachten erstellt und immer wieder Verkehrsregeln gleich einem Flickenteppich hier und da geändert werden. Dabei gäbe es bereits ein gutes Verkehrskonzept von BMW aus den 1990er Jahren. Ebenso könne man bei anderen Städten Konzepte „abschauen“ und Teile davon für Regensburg umsetzen. Welche Umstände halten die Stadt Regensburg davon ab, den Verkehr endlich ganzheitlich und erfolgreich anzugehen?
Der Themenkomplex Verkehr und Mobilität ist seit einigen Jahren ein gesamtgesellschaftliches Megathema, so auch in Regensburg und insbesondere der Altstadt. Wir gehen dieses Thema aktuell mit großem Engagement an, beispielsweise im Rahmen des Bürgerbeteiligungsverfahrens „Deine Altstadt Regensburg“. In den kommenden Jahren werden wir den Fokus noch stärker auf eine ganzheitliche Betrachtung des Stadtgebiets legen.
Konzepte aus den 1990er Jahren mögen sicher gute Aspekte beinhalten, dennoch taugen sie nicht als Blaupause für die heutigen Herausforderungen. Im Mobilitätsverhalten und den entsprechenden Angeboten hat sich seitdem vieles verändert: Carsharing, E-Autos und Pedelecs, Lastenräder, E-Scooter. Das Umweltbewusstsein breiter Teile der Gesellschaft sowie das Bewusstsein über die eingeschränkte Verfügbarkeit von Rohstoffen waren in den 1990er Jahren bei Weitem nicht so ausgeprägt wie 2022 und sind daher eher Elemente der aktuellen Betrachtungen der Mobilität in all ihren Facetten.
Die Stadt Regensburg beschäftige als Arbeitgeber hunderte Angestellte, viele davon hätten einen eigenen reservierten Parkplatz in der Altstadt. Zeitgleich werde der Ausbau eines leistungsfähigen ÖPNVs auch in der Altstadt weiter forciert, öffentliche Parkplätze in der Altstadt reduziert und die Anfahrt der Innenstadt aufgrund neuer Verkehrsführungen erschwert. Finden Sie das nicht unfair?
Die Regensburger Altstadt ist gut erreichbar, ob mit dem eigenen Auto, per Fahrrad oder dem ÖPNV. Die Parkhäuser im Altstadtbereich wurden in den letzten Jahren aufwändig saniert und auf den neusten Stand der Technik gebracht. Man findet dort quasi immer einen PKW-Stellplatz, da die Parkhäuser nur an den vier Weihnachtssamstagen zu 100 Prozent ausgelastet sind.
Wir bauen die Fahrradinfrastruktur sukzessive aus, beispielsweise durch die Einrichtung von Fahrradstraßen oder Abstellmöglichkeiten mit Fahrradbügeln. Ebenso soll das ÖPNV-Angebot weiter ausgebaut und noch attraktiver gestaltet werden. Das gesamte Vorfeld des Bahnhofs wird in den kommenden Jahren neugestaltet und damit aufgewertet, was sich ebenfalls positiv auf die Bereitschaft zur Nutzung des Busangebots auswirken dürfte. Die Stadtbahn wird hier einen weiteren wichtigen Impuls setzen. Wir schaffen kostengünstige Park&Ride-Angebote, um von dort kostengünstig und ohne Umwege per Bus in die Altstadt zu gelangen. Ein wegweisendes Projekt der kommenden Jahre bildet die Mobilitätsdrehscheibe am Alten Eisstadion, deren Planung wir nun erneut angestoßen haben.
Wir müssen das Thema Mobilität und damit auch die Erreichbarkeit der Altstadt heute viel komplexer denken als noch vor 20, 30 Jahren. Wir müssen auch vor dem Hintergrund der Klimaschutz-Debatte zukünftig die Rahmenbedingungen und Anreize weiter ausbauen, das eigene Auto stehen zu lassen und die Altstadt mit dem Fahrrad, Bus, der Bahn oder Stadtbahn zu besuchen.
Als Oberbürgermeisterin der Stadt Regensburg würden Sie immer davon sprechen, eine „autofreie Altstadt“ zu begrüßen. Würde man jedoch den täglichen Lieferverkehr, die Verkehrsmittel der Anwohner, die vielen Arztpraxen, deren Zufahrt vielleicht ältere Menschen nur noch mit dem Auto machen können, die Taxen, die Handwerker, der Busverkehr und so weiter mit bedenken, könne es faktisch keine autofreie Altstadt geben können. Dieser Versuch habe sich dabei in anderen Städten bereits als „Gnadenstoß“ ausgewirkt, infolgedessen die Innenstädte verödet seien. Wollen Sie wirklich an der autofreien Altstadt festhalten?
Die Altstadt wird weiterhin für Lieferverkehr, Anwohner mit entsprechender Berechtigung, Paketzusteller und Lieferdienste, Handwerker, Busse, Müllabfuhr, Baufahrzeuge und so weiter erreichbar bleiben müssen. Dennoch ist es meine Überzeugung, dass die Altstadt nochmals an Aufenthalts- und Lebensqualität gewinnt, wenn wir die Verkehrsbelastung allgemein reduzieren und insbesondere der sogenannte „Motorisierte Individualverkehr“ zugunsten des ÖPNV und des Radverkehrs zurücktritt. Und nochmals sei hier auch auf die Verantwortung des Einzelnen hingewiesen, den Klimaschutz ernst zu nehmen und den CO2- Ausstoß zu reduzieren. „Autofrei“ im klassischen Sinne kann die Altstadt aus den genannten Gründen jedoch nicht werden.
Es ist mir in diesem Zusammenhang absolut wichtig zu unterstreichen, dass wir als Stadt keine Verkehrsteilnehmer gegeneinander ausspielen oder einzelne Verkehrsteilnehmer generell ausschließen möchten. Der Raum, auf dem viele verschiedene Verkehrsmittel die Mobilität sichern, ist überschaubar. Es gilt die Nutzungskonflikte zu minimieren, nicht unmittelbar bedarfsindizierte Verkehre aus der Altstadt zu verbannen und gleichzeitig das beste Angebot für möglichst viele Menschen zu schaffen.
Der Tourismus sei für die Regensburger Altstadt sehr wichtig. Jedoch setzte die Stadt viel zu sehr auf Tages- beziehungsweise Schiffstouristen, die nach einem Tag schon wieder abreisen. Dabei sei ein sogenanntes „Durchscheuchen“ durch die Altstadt zu erkennen. Es gelte aber nicht nur längerfristig hochwertige Gäste anzuziehen, sondern auch die Regensburger in die Innenstadt einzuladen. Beides miteinander zu vereinen, müsste doch die eigentliche Devise lauten oder?
Die Regensburger Altstadt heißt alle Besucherinnen und Besucher herzlich willkommen, sei es die stadteigene oder die Landkreis-Bevölkerung, Tagesbesucher aus Bayern sowie Touristen mit mehrtägigem Aufenthalt in der Stadt, Urlauber in der Region, die einen Ausflug nach Regensburg unternehmen oder jene auf Durchreise, die zum Beispiel auf einer Flusskreuzfahrt in Regensburg auf Landgang sind oder mit dem Fahrrad den Donauradweg entlangfahren und bei uns einen Zwischenstopp einlegen. Alle Gruppen sind für den Tourismussektor wichtig, da sie in der Stadt – und dabei bevorzugt in unserer Altstadt – Geld ausgeben, wenn auch in unterschiedlicher Höhe und an unterschiedlichen Stellen.
Die externe Kaufkraft durch Tagesbesucher und Touristen ist nicht zu unterschätzen, wie viele Einzelhandels-, Gastronomie- und Hotelfachbetriebe in den zurückliegenden zwei Jahren angesichts der Corona bedingten Einschränkungen registrieren mussten. Auch die Zielgruppe, die beispielsweise im Rahmen eines Landgangs nur kurz bei uns verweilt, lässt mehr Geld in der Stadt, als viele vermuten dürften. Die im Vor-Corona-Jahr registrierten 15,4 Millionen Tagesreisenden und 1,24 Millionen Übernachtungen in Regensburg haben eine Wertschöpfung von 735 Millionen Euro erzeugt.
Die auf der Durchreise befindlichen Kreuzfahrtreisenden geben dabei im Durchschnitt pro Kopf mehr als die klassischen Tagesreisenden aus. Die Betriebe in der Altstadt profitieren unterschiedlich von den einzelnen Touristengruppen, der eine Betrieb mehr von den Tagesbesuchern, der nächste von Übernachtungsgästen und wieder ein anderer von Flusskreuzfahrttouristen.
Gemeinsam mit der RTG werden wir den Tourismus weiterentwickeln und eine aktualisierte Zielgruppendefinition aufgrund der zurückliegenden Entwicklungen vornehmen, um diesen bedeutenden Wirtschaftszweig, auch unter Berücksichtigung langfristiger Trends und Nachwirkungen der Pandemie, für die kommenden Jahre positiv aufzustellen.
Regensburg hätte weitaus mehr zu bieten als Museen und gepflegte Häuser aus dem 16. Jahrhundert. Das Regensburger Flair sei einzigartig – als Weltkulturerbe und als „nördlichste Stadt Italiens“. Gelte es nicht, dieses Flair aufrechtzuerhalten und „mehr draus zu machen“? Beispiele dazu gäbe es viele. Man müsse nur an die Illumination des Doms denken, und welch großartiges Potenzial für die Innenstadt dahinterstecke. Was hält die Stadt davon ab, Aktionen wie die Illumination des Doms mitsamt einem guten Marketing einmal jährlich stattfinden lassen?
Da gebe ich Ihnen absolut Recht! In Regensburg gibt es bereits ein unglaublich umfangreiches und vielfältiges Kulturangebot, das zum besonderen Flair dieser Welterbestadt beiträgt. Dieses Angebot soll weiter ausgebaut und somit ein zielgruppengerechter Mix an Besuchsanlässen angeboten werden, um die Attraktivität der Stadt Regensburg weiter auszubauen.
Die Dom-Illumination war – auch wegen der zeitlich eingeschränkten Möglichkeit, diese zu sehen – zweifelsohne ein großer Erfolg und hat uns zusätzliche überregionale Aufmerksamkeit beschert. Auch darüber hinaus gab es in den zurückliegenden Jahren unterschiedliche Illuminationen und Lichtkunst-Aktionen.
Das Flair der Altstadt, vor allem wenn man die als „italienisch“ empfundenen Charaktereigenschaften in den Fokus rückt, wird auch durch die vielen Cafés, Bars und Restaurants geprägt, in denen man auf den Straßen und Plätzen sitzt, um eine gute Zeit zu verbringen – mitunter aber auch nur, um zu sehen und gesehen zu werden. In der Regensburger Altstadt spielt sich ein großer Teil des Lebens im öffentlichen Raum ab, das hält sie lebendig und macht sie so spannend.
Orte wie der Neupfarrplatz, der Haidplatz oder auch der Arnulfsplatz würden immer mehr „Steinwüsten“ gleichen oder nur noch ihrer Funktion überlassen werden. Auch diese Plätze bräuchten mehr Aufenthaltsqualität, mehr Begrünung, mehr attraktive Sitzmöglichkeiten. Die Stadt bräuchte hierfür einen Architekten „mit Gefühl“ für das schöne Regensburg. Wien mache es uns dabei beispielhaft vor. Wie bewerten Sie die Aufenthaltsqualität an den genannten Plätzen und welche Bemühungen existieren, diese zu erhöhen?
Wir legen großen Wert auf einen attraktiven öffentlichen Raum, der dazu einlädt, sich zu begegnen und zu kommunizieren, zu verweilen und zu konsumieren. Dies betrifft die Gassen und Straßen genauso wie die Plätze. Da wo es möglich ist, prüfen wir fortlaufend, den öffentlichen Raum durch zusätzliches zweckmäßiges Mobiliar oder (mobile) Begrünung zu verbessern.
Die drei genannten Plätze sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Ausprägung nur bedingt zu vergleichen. Der Arnulfsplatz mit seiner wichtigen Mobilitätsfunktion und entsprechenden Nebenwirkungen hat dabei eine andere Aufenthaltsqualität als beispielsweise der Haidplatz, an dem nur sehr wenig Verkehr, dafür umso mehr Gastronomie vorzufinden ist. Jedes Mal, wenn ich ein Foto aus vergangenen Zeiten sehe, als der Haidplatz noch als Parkplatz diente, freue ich mich über die heutige Situation und über das jetzt viel schönere Erscheinungsbild.
Der Neupfarrplatz wiederum ist DER Platz für Veranstaltungen, Märkte, Kundgebungen und sonstige Ereignisse. Hier haben wir punktuell durch große Pflanztröge grüne Akzente setzen können. Die Plätze sind einmalig und durch unser Stadtplanungsamt, die Denkmalpflege und viele weitere Akteure, unter Berücksichtigung der Geschichte und der Einmaligkeit, gestaltet worden. Wenn eine Sanierung ansteht, prüft die Stadt Regensburg immer, ob Anpassungsbedarf bei der Gestaltung besteht. Diesen gab es zum Beispiel in der Zentralen Fußgängerzone oder der Wahlenstraße, weshalb diese Straßen – unter Berücksichtigung ihrer Individualität – neugestaltet wurden. Wir werden die Qualität des öffentlichen Raums weiter im Blick behalten und da stärken, wo es sinnvoll und umsetzbar ist.
Willibald J. Ferstl / RNRed