Die bevorstehende Energiekrise verlangt nach gezielten Maßnahmen, damit die Wirtschaft und die Gesellschaft geschützt werden können . Ein 10-Punkte-Plan soll Aushilfe schaffen, um den möglichen Kollaps entgegenzuwirken. Dabei gibt es viele Optionen die Versorgung zu sichern.
Angesichts des heutigen Treffens der Energieminister der Länder in Hannover legt Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger einen energiepolitischen 10-Punkte-Plan vor. Aiwanger kritisiert: „Deutschland steuert sehenden Auges auf eine Strom- und Versorgungslücke zu. Die Bundesregierung lässt zu viele Chancen ungenutzt liegen, um die aktuelle Energiekrise in den Griff zu bekommen. Wir brauchen jetzt gezielte Maßnahmen des Bundes, um nicht durch die Energiekrise in eine Wirtschaftskrise und Gesellschaftskrise zu kommen.“ Konkret fordert Aiwanger von Bund und Europäischer Union das folgende Maßnahmenpaket:
- Biogas-Potenziale ausschöpfen
- Mehr Photovoltaik und Wertschöpfung vor Ort ermöglichen
- Planungssicherheit für Kernkraftwerksbetreiber bis 2025 schaffen
- Investitionen in gesicherte Leistungskapazitäten und Speicher ermöglichen
- Fuel-Switch von Unternehmen ermöglichen
- Ausbau der Wasserstofftankstellen intensivieren
- Bundesweite Wasserstoff-Infrastruktur ausbauen
- Geothermie fördern und Wärmenetzförderung aufstocken
- Investitionsbedingungen für Pumpspeicher verbessern
- Strompreise schnell und unbürokratisch senken
1. Biogas-Potenzial ausschöpfen
Aiwanger erläutert, dass die geplanten Erleichterungen bei der Höchstbemessungsleistung für Biogasanlagen und bei den Vorgaben zum Gülleanteil gut seien, jedoch nicht weit genug gingen: „Die Änderungen zur Höchstbemessungsleistung müssen für die gesamte Biomasse und auch für Biomethan gelten. Sie erzeugen Strom, Wärme und Gas, die wir im kommenden Winter dringend benötigen. Zudem müssen die starren Vorgaben zur Vergärungsdauer mit 150 Tagen im gasdichten System aufgehoben werden, unabhängig von Einsatzstoff oder Einsatzstoffgemisch.“ Für eine erhöhte Strom- und Wärmeerzeugung müssten zudem die Genehmigungsregeln im Bundesimmissionsschutzrecht angegangen werden. Kurzfristig erforderliche Änderungen an der bestehenden Anlage – wie etwa Änderungen beim Substrateinsatz – würden beispielsweise nur einer Änderungsanzeige benötigen. Anlagenbetreiber würden hier endlich eine hinreichende Absicherung brauchen, um entsprechend aktiv zu werden, so der bayerische Wirtschaftsminister.
2. Mehr Photovoltaik-Stromerzeugung und Wertschöpfung vor Ort ermöglichen
„Deutschland muss endlich den Photovoltaik-Turbo zünden. Bei Agri-PV brauchen wir eine Länderöffnungsklausel für eine bauplanungsrechtliche Privilegierung nach § 35 Absatz 1 BauGB sowie ein separates Ausschreibungssegment in den EEG-Ausschreibungen. Wir dürfen uns nicht selbst im Weg stehen“, so Aiwanger und erläutert, dass deshalb auch die zu niedrigen Fördersätze und zu strengen Fördervorgaben bei Parkplatz-PV und Floating-PV ein Ende haben müssten, um den Markthochlauf anzuschieben. Um die Akzeptanz vor Ort zu stärken, plädiert Aiwanger für die Verdoppelung der Kommunalbeteiligung von 0,2 auf 0,4 ct/kWh und für die Einführung bundeseinheitlicher Regelungen zur direkten Bürgerbeteiligung. In Bezug auf PV-Dachanlagen fordert Aiwanger die zeitnahe Umsetzung der vom Bundesfinanzministerium angekündigten steuerrechtlichen Vereinfachungen sowie die Prüfung weitergehender Anpassungen etwa für gewerbliche Anlagen. Der Bund solle zudem dringend das in Bayern bestens bewährte PV-Speicherprogramm auf nationaler Ebene auflegen, mit dem in Bayern 100.000 Speicher und Dachanlagen angeschoben wurden.
3. Versorgungssicherheit durch Atomkraft verbessern, Planungssicherheit für die Laufzeitverlängerung schaffen
Die „Einsatzreserve“ sei keine Lösung und verunsichere Bürger und Unternehmen. Die Energiekunden, Betreiber und Belegschaften der am Netz befindlichen Kernkraftwerke müssten jetzt wissen, woran sie seien, so Aiwanger und ergänzt: „In der aktuellen Lage ist eine sofortige Änderung des Atomgesetzes für die Laufzeitverlängerung die einzig sinnvolle Lösung. Die Bestellung neuer Brennstäbe ist wegen einer Lieferzeit von ca. Monaten schnell geboten, um auch die Stromversorgung im Winter 2023/24 abzusichern.“
4. Investitionen in gesicherte Leistungskapazitäten und Speicher ermöglichen
Neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien fordert Aiwanger auch den Aufbau von gesicherten Leistungskapazitäten und Stromspeichern für eine sichere, witterungsunabhängige Stromversorgung auch in kritischen Stunden. Der Verzicht auf die Brückentechnologie Erdgas erfordere den Aufbau diversifizierter und flexibler Kraftwerksleistungen, die zu jeder Stunde des Jahres einsatzbereit seien. Bestehende Kraftwerke müssten beispielsweise für den künftigen Einsatz von Wasserstoff bereitgemacht werden. „Beim Schlingerkurs der Berliner Energiepolitik ist es kein Wunder, dass potenzielle Investoren derzeit noch abgeschreckt werden. Genauso sind wir auf den Ausbau der Speicherkapazitäten angewiesen. Pumpspeicherwerke können dabei die Hauptrolle spielen. Hierzu müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden, damit diese in die Rentabilität und damit Umsetzung kommen.“
5. Fuel-Switch von Unternehmen ermöglichen und finanziell fördern
Aiwanger betont einmal mehr, dass Unternehmen möglichst schnell, rechtssicher und rentabel von Gas auf andere Energieträger umstellen können müssten , falls dies technisch möglich sei . Eventuelle Kostenmehrungen müssten vom Bund gefördert werden. Die notwendigen Anpassungen im Immissionsschutzrecht wolle der Bund nun endlich angehen. Die Formulierungshilfe für einen entsprechenden Gesetzentwurf greife viele Themen aus der Bundesratsinitiative auf. Wichtig sei jetzt, dass das Gesetz möglichst schnell verabschiedet werde: „Entscheidend und sicherheitsrelevant für die Genehmigung von LPG-Flüssiggastanks oder auch Heizöltanks ist die fachtechnische Prüfung. Was beim Aufbau der LNG-Terminals ging, muss der Bund auch auf andere Verfahren übertragen. Auch die finanzielle Förderung des Energieswitches ist dringend notwendig, wenn man die Folgekosten für den Fall betrachtet, dass man es nicht macht“, so Aiwanger.
6. Ausbau der Wasserstofftankstellen intensivieren
Der Bund müsse den Wasserstofftankstellenausbau für Pkw und Nutzfahrzeuge sowie für Elektrolyseure flächendeckend durch kontinuierliche Förderungen unterstützen und bestehende Mittel dafür aufstocken. Aiwanger: „Mit dem Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft treiben wir auch die Dekarbonisierung des Verkehrssektors voran. Das geht aber nur mit einer flächendeckend verfügbaren Infrastruktur. Davon ist Deutschland noch meilenweit entfernt. In Bayern sind wir mit unserem Förderprogramm für Wasserstofftankstellen für Nutzfahrzeuge dieses Problem bereits angegangen, der Bund muss weitere Schritte für Tankstellen und Elektrolyseure gezielter unterstützen.“
7. Bundesweite Wasserstoff-Infrastruktur ausbauen
Die Planungen für den Aufbau eines Wasserstoffleitungsnetzes im Rahmen der Bundesförderung würden sich nur auf den Norden und Westen Deutschlands konzentrieren. Das zeige der aktuelle Wasserstoffbericht der deutschen Fernleitungsnetzbetreiber. Aiwanger betont: „Bayern und der ganze süddeutsche Raum dürfen nicht abgehängt werden. EU und Bund müssen jetzt endlich dafür sorgen, dass der Aufbau eines europäischen Netzes flächendeckend und zügig beginnen kann. Solange die Netzbetreiber keine Investitionssicherheit haben, werden auch keine Pipelines gebaut oder umgerüstet.“ Es sei weltfremd und kontraproduktiv, wenn die jetzigen Betreiber der Erdgasnetze nicht auch die künftigen Wasserstoffnetze betreiben dürfen wie es die EU derzeit vorsehe . Damit würden diese Betreiber ja schon aus Selbsterhaltungstrieb in eine Oppositionsrolle zu Wasserstoff gedrängt anstatt sie als Partner für den Umbau der Netze zu gewinnen, fügt der Minister hinzu.
8. Geothermie fördern und Wärmenetzförderung deutlich aufstocken
Aiwanger begrüßt die neue Bundesförderung für effiziente Wärmenetze: „Das ist ein wichtiger Schritt für die Dekarbonisierung unserer Wärmenetze. Jetzt muss das Programm mit deutlich mehr Mitteln als bisher ausgestattet werden. Nur dann ist genügend Geld da, um Wärmenetze und Wärmeverbundleitungen flächendeckend in Deutschland auszubauen. Dabei handelt es sich um eine Mammutaufgabe, die mehrere Jahrzehnte des Umbaus erfordert, aber ein riesiges Potenzial hat.“ Die Programmlaufzeit der Förderprogramme sei daher deutlich zu verlängern. Allein in Bayern könnten 25 Prozent des Wärmebedarfs durch Geothermie bereitgestellt werden. „Wir haben quasi unbegrenzt heißes Wasser in mehreren Kilometern Tiefe und nutzen es nicht, weil es sich bisher am Markt nicht rentiert. Das muss angegangen werden“, so Aiwanger. Er fordert die Regierung auf, die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und zu prüfen, ob und wie eine so genannte „Fündigkeitsversicherung“ eingeführt werden könne. „Eine solche bundesweite und staatliche Versicherung gegen Erschließungsrisiken kann der Geothermie zum Durchbruch verhelfen.“
9. Investitionsbedingungen für Pumpspeicher verbessern
Pumpspeicher seien heute die einzige nennenswerte und bewährte Großspeichertechnologie für elektrische Energie und würden zudem einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit liefern. Unter den aktuellen Marktbedingungen seien sie aber praktisch nicht wirtschaftlich zu betreiben, macht Aiwanger deutlich und betont: „Der Bund muss die Bedingungen für Investitionen in Pumpspeicherkraftwerke deutlich verbessern. Insbesondere muss das Vergütungssystem des Strommarktes so reformiert werden, dass sich die Leistungen von Pumpspeicherkraftwerken wie Bereithaltung, Netzdienlichkeit und Kaltstartfähigkeit bei Stromausfällen am Markt endlich rentieren. Bayern hätte knapp 20 gute Standorte für Pumpspeicher.“
10. Strompreise schnell und unbürokratisch senken
„Steuern sind hausgemachte Preistreiber und müssen im Energiebereich endlich gesenkt werden. Das ist kurzfristig möglich und bedeutet keinen Bürokratieaufwand für die Verbraucher. Stromsteuer und die Energiesteuern auf Heizöl und Erdgas müssen noch in diesem Jahr auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden. Dasselbe gilt für die Mehrwertsteuersätze auf Sprit, Erdgas, Strom und Fernwärme.“ Steigende Übertragungsnetzentgelte würden durch Bundeszuschüsse reduziert werden. Darüber hinaus müsse endlich ein Industriestrompreis eingeführt und ein umfangreicher, unbürokratischer Carbon-Leakage-Schutz sichergestellt werden. Der Bund müsse einen grundsätzlichen Kurswechsel einleiten, weg von politisch gewollten, aber ruinösen hohen Energiepreisen hin zu bezahlbaren Energiepreisen. Sonst fahre die Bundesregierung die Wirtschaft und Gesellschaft an die Wand, warnt Aiwanger.
Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie/RNRed