Um wesentliche Fortschritte im Tierschutz zu erreichen, möchte die Bundesregierung Tierversuche begrenzen. Da Forscher:innen nach wie vor auf Tierversuche angewiesen sind, sollen Alternativmethoden hier Abhilfe schaffen. Zudem sollen Versuchsvorhaben demnach von einer Behörde überprüft werden.
Die Bundesregierung will in dieser Legislatur beim Tierschutz wesentliche Fortschritte erreichen und dabei Tierversuche möglichst begrenzen. Ein wichtiges Vorhaben sei die Förderung von Alternativmethoden mit dem Ziel, die Zahl der im Rahmen von Tierversuchen eingesetzten Tiere schnellstmöglich zu reduzieren, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke.
Unerlässlich, ethisch vertretbar und möglichst wenig belastend
Jedes Versuchsvorhaben muss den Angaben zufolge von einer Behörde geprüft werden. So muss dargelegt werden, dass der Tierversuch unerlässlich, ethisch vertretbar und möglichst wenig belastend für die Tiere ausfällt. Für den Vollzug der tierschutzrechtlichen Anforderungen und die Genehmigung von Tierversuchen sind die Behörden der Länder zuständig.
LD50-Tierversuch ermittelt tödliche Dosis an Tieren
Wie aus der Antwort hervorgeht, will sich die zuständige Bundesoberbehörde in den Gremien des Europäischen Direktorats für die Qualität von Arzneimitteln (EDQM) dafür einsetzen, den sogenannten LD50-Tierversuch (Lethal Dose) aus dem Europäischen Arzneibuch zu streichen. Diese Tierversuche dienen dazu, die jeweils tödliche Dosis einer bestimmten Substanz zu ermitteln. Mit dem Standardtest wird auch die Toxizität von Kosmetika und Lifestyle-Produkten geprüft. Das betrifft zum Beispiel den Wirkstoff Botulinumtoxin (Botox).
Über 200 Millionen für Forschung an Alternativen
Allein in Deutschland wurden im Jahr 2015 mehr als zwei Millionen Tiere für Tierversuche eingesetzt (Quelle: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft).Seit 40 Jahren unterstützt das Bundesforschungsministerium deshalb Forschende, die Ersatzmethoden für Tierversuche entwickeln. Deutschland stellt in diesem Bereich einen Vorreiter dar. Mit über 200 Millionen Euro für rund 620 Projekte unterstützte das Bundesforschungsministerium die Forschungen.
So können Tierversuche ersetzt werden
Neben dem Tierschutz sprechen auch wissenschaftliche Argumente gegen eine Weiterführung von Tierversuchen. Laut dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gehen Experten nämlich davon aus, dass Ersatzmethoden teils sogar verlässlichere Ergebnisse liefern könnten. Forscher:innen bauen beispielsweise mithilfe dreidimensional wachsenden Zellkulturen komplexe Strukturen des menschlichen Körpers nach – von einzelnen Geweben und Blutgefäßen bis hin zu kompletten Organen. Als Beispiel nennt das Bundesministerium für Bildung und Forschung künstlich hergestellte menschliche Haut.
Vielversprechend ist daneben auch die Computermodellierung. Physiologische Prozesse in komplexen Organen, wie etwa der Leber, sollen dabei am Computer simuliert werden. Dadurch könnten Tierversuche für bestimmte Medikamente ersetzt werden. Wissenschaftler:innen bauen aber auch ganze Organsysteme des Menschen auf sogenannten Biochips nach und vernetzen diese. Laut den Visionen der Forscher:innen soll ein „Human-on-a-Chip“ die Abläufe im menschlichen Körper exakt widerspiegeln.
Können Ersatzmethoden sogar verlässlichere Ergebnisse liefern?
Laut Expertenmeinung ließe sich etwa auf der künstlich hergestellten menschlichen Haut die Wirkung von Chemikalien oder Arzneimitteln sogar verlässlicher testen als auf der Haut von Versuchstieren. So könnten nicht nur Tiere geschützt, sondern auch der Erkenntnisgewinn gesteigert werden. Aus diesem Grund hat das Bundesforschungsministerium auch die Förderung erweitert. Wichtig sei ihrer Ansicht nach neben der Entwicklung von Ersatzmethoden auch die Konzepte zur Einführung und Verbreitung zu unterstützen – etwa durch Schulungen. Die Projekte sollen zudem von erfahrenen Mentoren gefördert werden und Forscher:innen so dabei helfen, den innovativen Methoden den Weg in die Praxis zu erleichtern. Für eine bessere Vernetzung aller Akteure aus Forschung, Industrie und Regulierungsbehörden in diesem Bereich hat das BMBF Anfang des Jahres 2022 zudem die Vernetzungsinitiative „Bundesnetzwerk 3R“ ins Leben gerufen.
Deutscher Bundestag / Bundesministerium für Bildung und Forschung / RNRed