Steigende Energiekosten verursachen ein großes Loch in den Taschen der Bürger. Hinzu kommt eine galoppierende Inflation, die gleichzeitig die Gehälter schmälert. Experten einer Anhörung im Bundestag sind sich uneinig, ob die EZB oder makroökonomische Gründe dafür verantwortlich sind.
Die Europäische Zentralbank (EZB) ist verantwortlich für den Leitzins. Mit einer Erhöhung soll der steigenden Inflation Einhalt geboten werden. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit die EZB verantwortlich für die Inflation ist oder ob es sich eher um Preissteigerungen handelt, weil Lieferengpässe aufgrund des Ukraine-Krieges herrschen. Klar ist, dass durch die Preissteigerungen die Bürger betroffen sind und so ergibt sich eine Debatte um mögliche Maßnahmen zur Regulierung der Geldpolitik. Die Verantwortung der EZB für die hohe Inflation ist in einer Anhörung des Finanzausschusses im Bundestag am Mittwoch, dem 21. September, von den Sachverständigen unterschiedlich beurteilt worden.
Ukraine-Krieg mitschuldig – Ursprung bei der EZB?
Professor Gunther Schnabl vom Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig erklärte, zwar habe der Ukraine-Krieg in den letzten Monaten maßgeblich zu stark steigenden Energiepreisen und damit zu der hohen Konsumentenpreisinflation beigetragen, doch lägen die Wurzeln tiefer, nämlich bei der EZB.
Die Zentralbank habe sich vom Mandat der Preisstabilität entfernt. Die Energie- und Rohstoffpreise würden auch von der Geldpolitik beeinflusst. Dies könnte erklären, warum die Energiepreise schon seit Mitte 2021 gestiegen seien. Laut Schnabl sind die wichtigsten Schritte für die Reduzierung der Inflation die schrittweise Erhöhung der Leitzinsen und ein Ende der Staatsanleihenkäufe der EZB.
Absage an die Union: „EZB ist nicht schuld“
Dagegen erklärte Professor Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der Antrag der Unionsfraktion basiere auf einer oberflächlichen und teilweise fehlerhaften Diagnose der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Situation.
Die „Rekordniedrigzinspolitik“ und „Rekordverschuldung“ für die Inflation verantwortlich zu machen, sei grob irreführend, da die Inflation in Deutschland fast ausschließlich auf Angebotsschocks zurückzuführen sei. Angebotsschocks sind plötzliche, von außen verursachte Veränderungen des Angebotes bei einem Gut oder einer Gütergruppe.
Sind Energiepreise Schuld?
Auch Professor Achim Truger von der Universität Duisburg-Essen warf der Union eine Fehldiagnose vor, wenn sie die bis vor kurzem noch sehr lockere Geldpolitik der EZB zu einer der Hauptursachen für die aktuell viel zu hohe Inflation erkläre. Abgesehen davon, dass die EZB ihren Kurs mittlerweile mit bislang zwei kräftigen Zinserhöhungen bereits korrigiert habe, bestehe die Hauptursache für die hohe Inflation im dramatischen Anstieg der Energiepreise, den gestörten Lieferketten und dem Anstieg der Nahrungsmittelpreise. Dafür könnte die EZB nicht verantwortlich gemacht werden.
Steuersenkungen und Direktzahlungen als Gegenmaßnahmen?
Justus Haucap von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf erklärte, eine passgenaue Möglichkeit zur Entlastung von Bürgern, die von Energiepreissteigerungen besonders betroffen seien, seien umfassende Steuersenkungen auf Energie. Dadurch würden die Bürger in dem Maße entlastet, wie sie Energie konsumierten. Für besonders Bedürftige wären direkte Transfers besser geeignet. Professorin Veronika Grimm von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sprach sich für ein größeres Angebot an Energie aus. Gespart werden beim Verbrauch müsse aber trotzdem.
Arbeitnehmerkammer für zweite Energiepreispauschale
Auch Tobias Peters von der Arbeitnehmerkammer Bremen schließt sich den Direktzahlungen an. Eine wirkungsvolle und zeitnahe Unterstützung der Menschen lasse sich am besten mit Direktzahlungen erreichen. Eine zweite Energiepreispauschale könne wirksamer sein als der Abbau der kalten Progression, so Peters. Der Begriff der „kalten Progression“ bezeichnet eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn eine Gehaltserhöhung komplett durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt. Ergebnis: Obwohl das Gehalt gestiegen ist, hat man real weniger Geld in der Tasche.
Unions Forderung: Schutzschirm gegen Inflation
In ihrem Antrag verlangt die CDU/CSU-Fraktion einen Schutzschirm gegen die Inflation. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt müsse wieder in Kraft und durchgesetzt werden. Die Union fordert weiter, dass die Europäische Zentralbank ihren Stabilitätsauftrag ernst nehmen und auch ernsthaft verfolgen soll. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die kalte Progression komplett zu kompensieren. Die grundgesetzliche Schuldenbremse müsse ab dem nächsten Jahr wieder eingehalten werden. Die letzte Forderung stieß auf Zustimmung bei der Deutschen Bundesbank. Ihr Vertreter erklärte in der Anhörung, die Einhaltung der Schuldenbremse sei machbar.
Deutscher Bundestag/RNRed