Experten begrüßen die effektivere Durchsetzung von EU-Sanktionen, denn damit werde grenzüberschreitenden und schweren Verbrechen Einhalt geboten. Ein einheitliches System soll die Rechtsprechung harmonisieren und die Durchführung vereinfachen. Bisher fehlt die Zustimmung des Bundestages.
Der Vorschlag der Europäischen Kommission, die Durchsetzung von EU-Sanktionen in den Mitgliedstaaten zu harmonisieren und dafür in einem ersten Schritt die Liste der EU-Straftaten zu erweitern, ist am Montagnachmittag in einer öffentlichen Anhörung des Europaausschusses auf breite Zustimmung bei Experten gestoßen.
Empfehlung: Bundestag soll Antrag der Bundesregierung zustimmen
Deutschland würde einen wichtigen Beitrag zur effektiveren Durchsetzung von restriktiven Maßnahmen leisten, wenn die Bundesregierung einer entsprechenden Beschlussvorlage des Rates zustimme, betonte Frank Hoffmeister von der Freien Universität Brüssel. Er empfahl dem Bundestag wie die anderen drei Experten, das von der Bundesregierung vorgelegte Zustimmungsgesetz anzunehmen, das für die Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat der Europäischen Union notwendig ist.
EU-Sanktionen sollen Straftaten werden
Konkretes Ziel der Ratsvorlage ist es, die „Verletzung von EU-Sanktionen“ in die Liste der EU-Straftaten in Artikel 83 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) aufzunehmen. In einem zweiten Schritt soll später im Rahmen eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens eine EU-Richtlinie mit Mindestvorschriften verabschiedet werden. So will die Kommission verhindern, dass Sanktionen nicht durchgesetzt oder umgangen werden können.
Der richtige Zeitpunkt für die Vereinheitlichung
EU-weit gebe es große Schwierigkeiten, mit Sanktionen belegte Einzelpersonen und juristische Personen zur Rechenschaft zu ziehen, erläuterte Richard Sonnenschein von der Europäischen Kommission. Die Mitgliedstaaten würden sehr unterschiedlich definieren, was als Verstoß gegen restriktive Maßnahmen zu verstehen sei und welche Strafen in diesem Fall zu verhängen seien. Frank Hoffmeister sprach mit Blick auf die nach der russischen Invasion in der Ukraine erlassenen, restriktiven Maßnahmen der EU vom „richtigen Zeitpunkt“ für eine solche EU-weite Regelung. Sie könnte dafür sorgen, dass in allen Mitgliedstaaten vermehrt auf die Vermögenswerte von sanktionierten Personen zugegriffen werden könne. Strafrichter könnten dann aufgrund eines Strafurteils etwa auch die Einziehung von Vermögenswerten anordnen.
Dennoch: europäisches Strafgesetzbuch in weiter Ferne
Um die Liste der EU-Straftaten um den Punkt „Verletzung von EU-Sanktionen“ erweitern zu können, müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein, stellten alle vier Experten klar: Die Straftaten müssen schwerer und grenzüberschreitender Natur sein. Diese Voraussetzungen sahen alle als erfüllt an. Für Franz C. Mayer von der Universität Bielefeld liegt es „auf der Hand, dass mit dem Abbau von Grenzkontrollen im Zuge der Verwirklichung des Binnenmarktes auch Kriminalität grenzüberschreitende Dimensionen annimmt“. Daher seien sowohl Fragen des Strafverfahrensrechts wie auch des materiellen Strafrechts seit einiger Zeit Gegenstand des europäischen Primär- wie Sekundärrechts. Von einem europäischen Strafgesetzbuch sei die Entwicklung aber noch weit entfernt. Artikel 83 Abs. 1 Abs. 3 AEUV sehe ausdrücklich die Möglichkeit vor, die mehr als 20 Jahre alte Aufzählung anzupassen.
Bisherige Strafverfolgung sei gescheitert
Bei Sanktionsverstößen handle es sich in vielen Fällen um besonders schwere Kriminalität, urteilte Benjamin Vogel vom Max-Planck-Institut, der von „komplexen Firmengeflechten und internationalen Transaktionen“ sprach. „Das sind Phänomene, die wir klassisch auch aus der Geldwäsche kennen.“ Doch bisher sei deren Verfolgung und effektive Umsetzung an der Unbestimmtheit vieler Rechtsbegriffe gescheitert. „Die Mitgliedstaaten müssen klar und rechtssicher miteinander kooperieren können“, appellierte Vogel.
Mit Ausnahme von AfD und Der Linken begrüßten auch die Fraktionen die geplante Harmonisierung. Der Bundestag will am Donnerstag, den 29. September, gegen 17.00 Uhr über den Gesetzentwurf der Bundesregierung abstimmen.
Bundestag/RNRed