Der russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die Energiekrise und die Beziehungen zu China sind Herausforderungen, die sich auch Frankreich und Deutschland derzeit stellen müssen. Trotz unterschiedlicher Positionen bei Themen wie der Atomkraft, wollen Frankreich und Deutschland in ihrer Beziehung den nächsten Schritt gehen.
Mit einem gemeinsamen Schulterschluss wollen Deutschland und Frankreich die aktuellen Herausforderungen in Sachen Energiesouveränität, dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und den Beziehungen zu China meistern. Das machten die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und die französische Staatssekretärin für Europa, Laurence Boone, während der 8. Sitzung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV) am gestrigen Montagnachmittag, den 07. November, deutlich. Bei der von den Parlamentspräsidentinnen Bärbel Bas (Deutscher Bundestag) und Yaël Braun-Pivet (Assemblée nationale) geleiteten Sitzung kam auch Baerbocks bei der 27. UN-Klimakonferenz im ägyptischen Sharm El-Sheikh weilende französische Amtskollegin Catherine Colonna per Videobotschaft zu Wort.
Solidarität zwischen Frankreich und Deutschland als Schlüssel für Erfolg Europas
Deutschland und Frankreich hätten die gleichen Vorstellungen von einem souveränen Europa, sagte Colonna. Die Solidarität zwischen Frankreich und Deutschland sei einer der Schlüssel für den Erfolg in Europa. Beide Länder stünden Seite an Seite, wenn es um darum geht, die kurzfristige Versorgung mit Gas und Strom zu gewährleisten und eine langfristige Strategie für klimaneutrale Energie zu verfolgen, die insbesondere auf den Grundlagen von grünem Wasserstoff beruhe, sagte die französische Außenministerin in ihrer Videobotschaft.
„Gemeinsam sind wir stärker als dieser furchtbare Krieg“
Russland habe mit seinem brutalen Angriff auf die Ukraine auch die europäische Friedensordnung attackiert, sagte Annalena Baerbock. In der Europäischen Union, den Vereinten Nationen, der Nato, den G7 und den G20 habe man darauf eine klare Antwort gegeben. „Wir haben gezeigt: Gemeinsam sind wir stärker als dieser furchtbare Krieg.“ Ohne einen starken deutsch-französischen Schulterschluss wäre das nicht zu schaffen gewesen, betonte die deutsche Außenministerin. Mit keinem anderen Land habe Deutschland eine so enge Bindung, eine tagtägliche Abstimmung wie mit Frankreich, sagte sie. Das Vertrauen in den Freund und Nachbarn Frankreich sei unendlich kostbar, „aber eben keine Selbstverständlichkeit“.
„Wir dürfen uns nicht spalten lassen“
In Freundschaft müsse investiert werden, „gerade, wenn man mal unterschiedlicher Meinung ist“, so Baerbock. „Wir dürfen uns nicht spalten lassen“, hatte zuvor schon Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in ihren Eingangsworten gefordert. Bas rief dazu auf, die Solidarität mit der Ukraine aufrechtzuerhalten und den Zusammenhalt und die Geschlossenheit in Europa zu wahren. Die enge deutsch-französische Zusammenarbeit sei in der jetzigen Lage noch wichtiger geworden. Gleichwohl gebe es in einigen Frage unterschiedliche Herangehensweisen, sowie unterschiedliche, „aber jeweils legitime Interessen“. Das aber gehöre zu einer echten Freundschaft. „Unsere Stärke lag immer darin, diese Unterschiede in Fortschritte für Europa zu verwandeln“, sagte Bas.
„Leichte Turbulenzen“ in der deutsch-französischen Freundschaft
Auch die Präsidentin der französischen Nationalversammlung sprach von „leichten Turbulenzen“ in den deutsch-französischen Beziehungen. Die heutige Sitzung der DFPV zeige aber, dass sich die deutsch-französische Freundschaft weiterentwickle und die parlamentarische Dimension dabei von ganz entscheidender Bedeutung sei, so Braun-Pivet, die die Gründung von DFPV-Arbeitsgruppen zur Zukunft Europas, zur Energiesouveränität und zur Umsetzung der Europäischen Richtlinien ankündigte.
Bei der anschließenden Befragung der Außenamts-Vertreterinnen äußerte sich die französische Staatssekretärin für Europa, Laurence Boone, zur Verschiebung des geplanten deutsch-französischen Ministerrats. „Wir arbeiten immer enger zusammen, wenn die Themen kompliziert sind“, sagte sie. Die Verschiebung sei erfolgt, um die verschiedenen Themen noch besser bearbeiten zu können und zu substanziellen Ergebnissen kommen zu können.
Beziehung trotz unterschiedlicher Positionen bei Atomkraft so intensiv wie nie?
Auch Baerbock wollte in der Verschiebung keinen Beleg für verschlechterte Beziehungen sehen. „Die Beziehungen sind so intensiv, dass wir über identitäre Fragen, über die wir bisher noch nie gesprochen haben, intensiv sprechen wollen.“ Eine dieser Fragen seien Rüstungskooperationen „angesichts eines Angriffskrieges auf unsere Friedensordnung“. Künftig wolle man so verfahren, dass dies nicht mehr industriepolitische, nationale Fragen, sondern identitäre Sicherheitsfragen sind. „Das geht es natürlich ans Eingemachte. Da braucht man gut vorbereitete Treffen“, sagte die deutsche Außenministerin. Das Gleiche gelte für die Schaffung einer Energieunion.
Baerbock räumte ein, dass es in der Frage der Atomkraftnutzung unterschiedliche Positionen gebe. Dennoch werde geschaut, „wie wir als deutsch-französischer Motor die Energieunion Europas voranbringen können“. Genau das sei die richtige Antwort auf den russischen Angriffskrieg.
„So wollen wir die Energiesicherheit auf unseren Kontinent erreichen“
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien arbeiteten Deutschland und Frankreich eng zusammen, sagte Baerbock unter Zustimmung der französischen Staatssekretärin für Europa. „Bei den Klimazielen gehen wir Hand in Hand“, sagte Boone. Das gemeinsame Ziel sei die Dekarbonisierung der Wirtschaft. „So wollen wir die Energiesicherheit auf unseren Kontinent erreichen“, machte sie deutlich.
200 Milliarden seien auf drei Jahre verteilt
Mit Blick auf die hohen Energiepreise betonte Außenministerin Baerbock mehrmals, dass die Ursache dafür „der russische Präsident Putin mit seinem brutalen Angriffskrieg“ sei. „Aufgrund des russischen Angriffskrieges ist die Welt aus den Fugen geraten“, sagte Baerbock, die auch auf kritische Stimmen zu den deutschen Hilfspaketen einging. Die 200 Milliarden Euro seien auf drei Jahre verteilt. „Wenn man das auf die Bevölkerungszahl herunterbricht, ist das ähnlich dem, was auch andere Staaten als Unterstützungsleistungen erbracht haben“, sagte die Ministerin.
Deutscher Bundestag / RNRed