Robert Brüderlein ist Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Regensburg und hat durch seine Rolle einen besonderen Blick auf den deutschen Arbeitsmarkt. Wir haben den Experten zu den neuesten Trends auf dem Arbeitsmarkt und der steigenden Rolle der beruflichen Weiterbildung sowie die Bedeutung älterer Arbeitskräfte befragt.
Quo Vadis, Arbeitsmarkt? Besonders beschäftigt uns momentan die Frage nach der zweiten Hälfte des Berufslebens: Wie flexibel ist der deutsche Arbeitsmarkt, wenn es zu Fachkräften jenseits der 50 kommt und kann er es sich in Anbetracht des gravierenden Fachkräftemangels überhaupt noch leisten, unflexibel zu sein? Wie einfach ist es, in der Bundesrepublik seinen Beruf oder gar seine ganze Karriere zu wechseln? Robert Brüderlein , Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Regensburg, stand uns Rede und Antwort.
Hallo Herr Brüderlein! Jobwechsel, Umschulungen und Neuorientierung können auf Arbeitnehmer:innen einschüchternd wirken. Welche Empfehlungen haben Sie für diejenigen, die ihren Betrieb oder gar die Branche wechseln wollen?
Jede Veränderung braucht eine sorgfältige und realistische Analyse und Planung. Dafür gibt es eine Reihe von Hilfsangeboten. Ich kann hier das Erkundungstool NewPlan der Bundesagentur für Arbeit (BA) empfehlen. Es hilft, die eigenen Stärken zu erkennen und neue Perspektiven zu finden. Ganz unverbindlich, auch ohne Registrierung, unterstützt NewPlan gezielt bei allen Fragen zur beruflichen Neuorientierung.
Die Berufswahl findet früh im Leben statt und viele „Umsteiger:innen“ fürchten, aufgrund ihres Alters oder ihrer gesundheitlichen Probleme im fortgeschrittenen Alter, keine neue Anstellung mehr zu erhalten. Ist die Sorge der Arbeitnehmer:innen berechtigt? Gibt es Zahlen dazu, in welchem Alter oder an welchem Punkt in ihrem Leben Menschen sich umorientieren?
Die Beschäftigungsquote älterer Menschen steigt seit Jahren unaufhörlich an. Das Renteneintrittsalter ebenso. Folglich steigen auch die Beschäftigungsmöglichkeiten älterer Arbeitnehmer:innen weiter.
Welche Vor- und Nachteile kann eine berufliche Umorientierung im Alter bieten?
Oftmals ist eine berufliche Neuorientierung im Alter aufgrund gesundheitlicher Probleme notwendig. Hier kann eine berufliche Veränderung die Chance für eine Weiterbeschäftigung bis in den Übergang zur regulären Verrentung sein. Für viele Beschäftigte ist es wichtig, möglichst lange im Erwerbsleben zu bleiben, um Rentenkürzungen zu vermeiden.
Findet diesbezüglich vielleicht ein Umdenken bei Arbeitgeber:innen statt, das dazu führt, dass auch Benefits spezifisch für Menschen jenseits der 50 angeboten werden?
Der immer stärker zu verspürende Arbeitskräftemangel macht es für die Unternehmen zunehmend schwieriger, freie Stellen zu besetzen. Deshalb ist auch den meisten Betrieben daran gelegen, seine Beschäftigten möglichst lange im Betrieb zu halten. Viele Unternehmen investieren in eine altersgerechte Arbeitsplatzausstattung, bieten Hilfen zur Gesunderhaltung und Möglichkeiten von Altersteilzeit an.
„Deutschland muss Weiterbildungsrepublik werden“, so Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Welche Vor- und Nachteile könnte das angekündigte Weiterbildungsgesetz für Arbeitnehmer:innen bieten?
Der Arbeitsmarkt verändert sich zunehmend. Die Themen Digitalisierung, demografischer Wandel, Dekarbonisierung und Fachkräftemangel sind heute die vorrangigen Herausforderungen. Die Ansprüche und Erwartungen an Arbeitnehmer:innen befinden sich im stetigen Wandel und stellen diese vor große Herausforderungen. Oftmals ist eine Umorientierung und/oder Weiterbildung nicht nur hilfreich, sondern wegen der schnellen Entwicklungen und Veränderungen in vielen Branchen auch zwingend notwendig. Dies bietet natürlich Chancen für viele Beschäftigte, kann aber auch belastend und unter Umständen überfordernd für manche sein.
Bayern ist eines der zwei Bundesländer, in denen Bildungsurlaub nicht rechtlich geregelt und gesichert ist. Ist Bayern bezüglich der Weiterbildung von Arbeitnehmer:innen schlechter aufgestellt als andere Bundesländer? Welchen Kurs könnte die Regierung hier fahren?
Die Möglichkeiten zur Weiterbildung sind in Bayern sehr gut. Die Fördermöglichkeiten der BA beschränken sich nicht auf arbeitslose Menschen, sondern sind auch für Beschäftigte offen. Die Agenturen für Arbeit bieten hierfür die Berufsberatung im Erwerbsleben an.
Welche Bedeutung hat die kontinuierliche Erhöhung des Rentenalters für die Berufswahl in jungen Jahren? Machen sich junge Erwachsene und Jugendliche auf dem Arbeitsmarkt Sorgen über ihr Rentenalter, wenn sie sich jetzt für einen Beruf entscheiden?
Die Berufswahl junger Menschen ist in der Regel nicht an Gedanken an den Renteneintritt gekoppelt. Hier sind die persönlichen Neigungen und Wünsche ausschlaggebend. Die Veränderungen und Anforderungen in der Berufswelt kommen in immer kürzeren Abständen, sodass eine Planung über 40 oder noch mehr Jahre auch kaum sinnvoll erscheint.
Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung entscheiden sich über 45 Prozent der Abiturient:innen für einen Ausbildungsberuf und nicht für ein Studium. Welche Ausbildungsberufe werden spezifisch auf Abiturient:innen zugeschnitten und erscheinen daher attraktiver?
Grundsätzlich sind alle Ausbildungsberufe auch für Abiturient:innen offen. Die Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten sind in den meisten Berufen so vielfältig und attraktiv, dass die Entscheidung für eine Ausbildung oftmals nur der Einstieg in ein erfolgreiches und erfüllendes Arbeitsleben ist.
In Bezug auf die obige Studie: Ergeben sich aus diesem Sachverhalt Auswirkungen auf oder gar Nachteile für Schulabgänger:innen mit anderen Abschlüssen?
Jedes Jahr bleibt eine Vielzahl der Ausbildungsstellen unbesetzt. Die Situation für alle Schulabgänger:innen ist daher sehr gut. Vielmehr ist es so, dass die Unternehmen um Auszubildende werben.
Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten!
Die Entwicklung des Arbeitsmarktes bleibt spannend. Während das öffentliche Leben in Frankreich wegen der geplanten Erhöhung des Rentenalters teils zum Erliegen kommt, scheint eine weitere Erhöhung des deutschen Renteneintrittsalters unausweichlich. Das bedeutet auch, dass der Umgang mit den sogenannten „Best-Agern“ – also Arbeitnehmer:innen über dem Alter von 50 Jahren – deutsche Arbeitgeber in Zukunft weiter beschäftigen wird.
RNRed