Nach zwei Seenotfällen im Mittelmeer vor Italien betrauert Sea-Eye mehrere Todesfälle. Zahlreiche Kinder und Erwachsene konnten gerettet werden, dennoch wird die Lage von insgesamt drei Todesfällen überschattet, wie Sea-Eye mitteilt. Zwei Personen wurden tot aufgefunden, eine verstarb im Krankenhaus.
Es sind dramatische Stunden auf dem zentralen Mittelmeer: In der Nacht von Donnerstag, dem 02. Februar, auf Freitag, den 03. Februar, konnte die Crew der SEA-EYE 4 insgesamt 109 Menschen aus Seenot retten, darunter zahlreiche Kinder. Beim ersten Rettungseinsatz konnten zwar 32 Menschen gerettet werden. Überschattet wurde die Rettung jedoch von zwei Todesfällen, die bereits vor Ankunft der SEA-EYE 4 verstorben sind und einem weiteren Todesfall nach der Rettung.
Seenotfall im Mittelmeer: Zwei Personen auf See verstorben
Sechs Tage waren die Menschen des ersten Seenotfalls auf einem hochseeuntauglichen Metallboot unterwegs. Entdeckt und gemeldet wurde der Seenotfall durch das zivile Aufklärungsflugzeug Seabird von Sea-Watch e.V. am späten Donnerstagnachmittag. Als einziges Rettungsschiff, welches zu diesem Zeitpunkt im Einsatzgebiet unterwegs war, machte sich die SEA-EYE 4 unmittelbar auf den Weg. Die Anfahrt dauerte insgesamt sechs Stunden. Als die Seenotretter*innen den Seenotfall erreichten, waren zwei der 34 Personen in dem Boot bereits verstorben. Die Sea-Eye-Crew konnte nur noch ihre Leichen bergen. Eine der verstorbenen Personen hatte die lebensgefährliche Überfahrt mit ihrem Baby sowie ihrem Ehemann angetreten. Viele der Überlebenden mussten im Bordkrankenhaus behandelt werden.
Gerettete Person nach Evakuierung im Krankenhaus verstorben
Nach wie vor sei das medizinische Team am Limit und dabei, mehrere verletzte Personen zu versorgen, gibt Sea-Eye in ihrer Pressemitteilung bekannt. Eine Person sei in so schlechtem Zustand gewesen, dass sie von den maltesischen Behörden mit einem Rettungshubschrauber am Freitagvormittag evakuiert worden sei. Bei zwei Personen der ersten Rettung verschlechterte sich der Gesundheitszustand so schwer, dass beide von Bord evakuiert werden mussten. Eine der beiden Personen ist nach der Evakuierung im Krankenhaus verstorben, wie die Behörden Sea-Eye mitteilten.
Zweiter Seenotfall: 77 Menschen gerettet
Direkt im Anschluss machte sich das Rettungsschiff auf den Weg zu einem zweiten Seenotfall: In der Nacht von Donnerstag auf Freitag konnten weitere 77 Menschen gerettet werden, darunter auch eine schwangere Frau. Die SEA-EYE 4 war nach derzeitigem Stand mit insgesamt 107 Überlebenden an Bord auf dem Weg nach Pesaro, der von Italien zugewiesene Hafen liegt rund fünf Tage entfernt. Nach den beiden Evakuierungen befinden sich derzeit noch 105 Überlebende sowie zwei Verstorbene an Bord, meldet Sea-Eye. Auf die Anfrage nach einem näher gelegenen Hafen haben die italienischen Behörden bis Freitagmittag nicht reagiert.
„Sie waren Europas brutalem Grenzregime ausgeliefert“
„In den vergangenen sechs Jahren kamen wir in mehr als zwei Dutzend Einsätzen immer rechtzeitig, um den Verlust von Menschenleben zu verhindern. Doch dieses Mal kamen wir für zwei Menschen zu spät. Sie waren Europas brutalem Grenzregime sechs Tage ausgeliefert“, so Gorden Isler, Vorsitzender des Sea-Eye e.V. Das sei unverzeihlich, führt Isler weiter aus. „Eine Mutter verlor ihr Leben noch bevor wir das Boot erreichen konnten. Ein Baby wurde zum Halbwaisen. Ein Mann verlor seine Frau. Wir sind zutiefst bestürzt. Unsere Gedanken sind bei den trauernden Angehörigen der Verstorbenen”, betrauert der Vorsitzende des Sea-Eye e.V. Das Ziel sei nun, die Überlebenden in Sicherheit zu bringen.
Vorwurf an EU-Mitgliedsstaaten: „Menschenverachtendes und beschämendes“ Vorgehen
„Die Nachricht, dass unsere Hilfe für zwei Menschen zu spät kam, macht uns tieftraurig und zugleich sehr wütend. Es ist menschenverachtend und beschämend, dass die EU-Mitgliedsstaaten dem Sterben im Mittelmeer seit Jahren tatenlos zusehen“, kritisiert erklärt Dr. Harald Kischlat, Vorstand des German Doctors e.V. Die Gedanken seien bei den Angehörigen der Gestorbenen, bei den Geretteten, und man wünsche der Crew auf der SEA-EYE 4, dass sie die Überlebenden stabilisieren und bald in einen sicheren Hafen bringen können, so Kischlat. Der Verein stellt regelmäßig ehrenamtliche Schiffsärzt*innen für die Missionen der SEA-EYE 4, so auch auf dieser Mission.
Sea-Eye e.V./RNRed