Eine klare Mehrheit der Deutschen befürwortet die rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Seit 2021 ist die Akzeptanz für die Ehe für alle und Regenbogenfamilien in Deutschland jedoch stark gesunken. Auch in anderen Ländern wie den USA hat die Unterstützung für LGBT+-Rechte nachgelassen.
Eine internationale Studie, die das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Ipsos anlässlich des Pride Month durchgeführt hat, stellte fest, dass die Unterstützung für LGBT+-Rechte nachlasse. Obwohl eine klare Mehrheit der Deutschen für eine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare sei, sei ein Rückgang in der Akzeptanz der Ehe für alle sowie von Regenbogenfamilien zu beobachten. Auch in anderen westlichen Ländern wie den USA sei dieser Trend zu beobachten. Maßnahmen, die die Rechte von transgender Personen stärkten, würden dort besonders kritisch gesehen.
Trotz Verlusten: Mehrheit für Ehe für alle und Adoptionsrecht
62 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland legal heiraten dürfen sollten – sechs Prozentpunkte weniger als bei der letzten Erhebung vor zwei Jahren. Weitere 12 Prozent vertreten die Ansicht, dass gleichgeschlechtliche Paare zwar eine Art von rechtlicher Anerkennung erhalten, aber nicht heiraten dürfen sollten. Etwa ebenso viele (13 %) sprechen sich gegen jede Form der Anerkennung aus. In Italien, Großbritannien, Kanada und den USA ist die Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Ehen ebenfalls stark rückläufig. Am niedrigsten ist die Zustimmung unter allen befragten Ländern in der Türkei, wo sich nur ein Fünftel (20 %) für die Ehe für alle ausspricht.
Über zwei Drittel der deutschen Bevölkerung (68 %) glauben, dass gleichgeschlechtliche Paare mit der gleichen Wahrscheinlichkeit wie andere Eltern erfolgreich Kinder großziehen können. 67 Prozent finden daher auch, dass Homosexuelle bei der Adoption von Kindern die gleichen Rechte haben sollten wie heterosexuelle Paare. 2021 wurde diese Auffassung allerdings von 69 Prozent der Befragten geteilt, vor genau einem Jahrzehnt lag der Wert sogar noch höher (2013: 71 %). Am größten ist die Akzeptanz von Regenbogenfamilien derzeit in Spanien (80 %), am niedrigsten in Polen (33 %) und der Türkei (35 %).
Deutliche Unterschiede im Antwortverhalten von Frauen und Männern
Neben großen geografischen Unterschieden fallen auch Differenzen im Antwortverhalten zwischen Männern und Frauen beziehungsweise jungen und älteren Befragten auf. Während sich Frauen und jüngere Personen vergleichsweise häufig für LGBT+-Rechte aussprechen, wird die Gleichstellung von queeren Menschen von Männern und älteren Befragten deutlich seltener befürwortet.
Zwei Drittel für Schutz von transgender Personen vor Diskriminierung
Erstmalig abgefragt wurden in der Studie die Einstellungen der Menschen gegenüber transgender Personen. Die Meinung, dass trans Menschen im eigenen Land noch immer stark diskriminiert werden, findet bei den Deutschen mit 47 Prozent Zustimmung keine Mehrheit. Im Durchschnitt der 30 untersuchten Länder wird diese Ansicht dagegen von 67 Prozent der Befragten geteilt. Zwei Drittel (68 %) sprechen sich in Deutschland grundsätzlich dafür aus, dass transgender Personen in Bereichen wie Arbeit und Wohnen sowie beim Zugang zu Restaurants oder Geschäften vor Diskriminierung geschützt werden sollten. Auch hier liegt Deutschland deutlich unter dem globalen Durchschnitt von 76 Prozent – lediglich in Ungarn, Rumänien, Polen und der Türkei ist die Zustimmung noch etwas geringer als hierzulande.
Bei anderen Antidiskriminierungsmaßnahmen gehen die Meinungen noch weiter auseinander. 57 Prozent der Deutschen halten es für richtig, dass trans Menschen die Nutzung von nach Geschlechtern getrennten Einrichtungen wie öffentlichen Toiletten gestattet sein sollte, wenn sie dem Geschlecht entsprechen, mit dem sie sich identifizieren, 28 Prozent stimmen dem nicht zu. Bemerkenswert: Unter allen 30 befragten Ländern bilden die USA und Großbritannien (je 40 %) das Schlusslicht, wo die Rechte und der Schutz von transgender Personen in letzter Zeit zu polarisierenden politischen Themen geworden sind. Ähnlich verhält es sich bei der Frage, ob transgender Teenager mit der Zustimmung der Eltern geschlechts-bejahende Behandlungen wie zum Beispiel Beratung und Hormonersatztherapie erhalten sollten. Weniger als die Hälfte der amerikanischen (45 %) und britischen (47 %) Bevölkerung würde dies befürworten, lediglich in Ungarn fällt die Zustimmung noch geringer aus. In Deutschland stimmen 56 Prozent dieser Maßnahme zu.
Dass die Kosten für Geschlechtsangleichungen genau wie die Kosten für andere medizinische Verfahren von der Krankenversicherung übernommen werden sollten, finden 50 Prozent der Deutschen richtig, 35 Prozent sind dagegen. Ebenfalls rund die Hälfte (53 %) spricht sich dafür aus, dass von der Regierung ausgestellte Dokumente wie Reisepässe für Personen, die sich nicht als „weiblich“ oder „männlich“ identifizieren, eine weitere Option erhalten sollten.
Elf Prozent der Deutschen identifizieren sich als LGBT+
Mehr als jeder zehnte Deutsche (11 %) definiert sich selbst als Teil der LGBT+-Community. Davon fühlen sich drei Prozent zum selben Geschlecht hingezogen, weitere vier Prozent sind laut eigener Aussage bisexuell. Jeweils ein Prozent der Bevölkerung beschreibt sich selbst als pansexuell/omnisexuell oder asexuell. Vier Prozent der Bundesbürger:innen geben an, sich nicht als männlich oder weiblich, sondern als transgender, nicht-binär, nicht geschlechtskonform oder genderfluid zu identifizieren.
Der größte Anteil von LGBT+ an der Gesamtbevölkerung findet sich in Brasilien (15 %), Spanien (14 %) und der Schweiz (13 %). In Polen (6 %), Japan (5 %) und Peru (4 %) ordnen sich die wenigsten Menschen der LGBT+-Community zu.
Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt bei Gen Z am größten
Unter jungen Erwachsenen ist die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt dabei deutlich größer als bei älteren Befragten. In Deutschland identifizieren sich 22 Prozent der Gen Z (Jahrgang 1997+) als LGBT+. Unter Millennials (1981-1996) und Vertreter:innen der Gen X (1965-1980) liegt dieser Wert bei jeweils zehn Prozent, bei der Generation der Baby Boomers (1946-1964) nur bei fünf Prozent.
Ipsos / RNRed