Während es weltweit zu immer mehr Flüchtlingsbewegungen kommt, sinkt die Unterstützungsbereitschaft für Geflüchtete in Deutschland. Laut einer aktuellen Ipsos-Umfrage sprach sich jeder zweite für eine Schließung der Grenzen aus, immer häufiger wird ein Aufnahmestopp gefordert.
Weltweit steigen Fluchtbewegungen laut UNHCR auf einen neuen Höchstwert. Gleichzeitig nimmt die Unterstützungsbereitschaft für Geflüchtete in Deutschland deutlich ab, so das Ergebnis einer aktuellen Studie, die das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Ipsos anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni in 29 Ländern durchgeführt hat. In Deutschland findet eine Dreiviertelmehrheit (73 %), dass Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, die Möglichkeit haben sollten, in anderen Ländern Zuflucht zu suchen. Im Vorjahr lag die Zustimmung allerdings noch bei 78 Prozent.
Forderung nach Aufnahmestopp immer lauter
Inzwischen ist sogar knapp die Hälfte der Bevölkerung (48 %) der Meinung, dass Deutschland zum aktuellen Zeitpunkt keine Flüchtlinge mehr aufnehmen könne und seine Grenzen für Geflüchtete vollständig schließen solle. 45 Prozent der Deutschen sprechen sich gegen eine Grenzschließung aus, sieben Prozent sind unentschieden. In der Umfrage zwölf Monate zuvor stimmten nur 32 Prozent der Befragten für Aufnahmestopp und Grenzschließung – ein Anstieg von 16 Prozentpunkten.
Dr. Robert Grimm, Leiter der Politik- und Sozialforschung bei Ipsos, dazu: „Der Flüchtlingsstrom nach Deutschland wird immer größer. Es stellt sich die Frage, wie viele Flüchtlinge Deutschland noch aufnehmen kann. Länder und Kommunen streiten seit langem mit dem Bund über eine bessere Finanzierung der Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge, die Integration in den Arbeitsmarkt, das Personal für Kitas und Schulen sowie die Sprachförderung. Dieser Streit geht an den Bürgerinnen und Bürgern nicht spurlos vorbei.“
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Wachsende Zweifel an Fluchtmotiven
Eine steigende Anzahl der Deutschen zweifelt außerdem an den Fluchtmotiven. 62 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die meisten Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, gar keine echten Flüchtlinge seien, sondern nur aus wirtschaftlichen Gründen, wie etwa der Inanspruchnahme von Sozialleistungen, einwandern möchten. Die Zustimmung zu dieser Aussage war im Jahr 2022 ebenfalls deutlich geringer (51 %). Gleichzeitig finden nur noch 40 Prozent der Bundesbürger, dass Flüchtlinge einen positiven Beitrag für Deutschland leisten – ein Rückgang um sieben Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr.
Dr. Robert Grimm meint: „Die hohe Inflation wirkt sich auch bei diesem Thema auf die Einstellungen der Deutschen aus. Seit drei Jahren hinkt die Entwicklung der Reallöhne der Nettolohnentwicklung hinterher. Vor allem die unteren Einkommensgruppen spüren diesen Wohlstandsverlust. Auch deshalb sinkt die Bereitschaft der Deutschen, Hilfsbedürftige aufzunehmen. Rechtspopulistische Parteien wie die AfD schüren die Verteilungsängste der Bürgerinnen und Bürger zusätzlich. Offenbar nicht ohne Erfolg, denn in unserer aktuellen Sonntagsfrage erreicht die AfD mit 19 Prozent den höchsten Wert, den wir bisher gemessen haben.“
Jeder Dritte für Verwahrung von Asylbewerbern während Prüfverfahren
In der Bevölkerung sinkt außerdem der Optimismus, dass sich die meisten Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, erfolgreich in die neue Gesellschaft integrieren werden. War im Vorjahr noch jeder Zweite (49 %) dieser Meinung, sind es in der aktuellen Umfrage nur noch 41 Prozent der Befragten. Um die Integrationschancen zu verbessern, meint eine Mehrheit von 61 Prozent, dass es Asylbewerbern erlaubt sein sollte, zu arbeiten, während sie auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag warten. Dies würde es den Geflüchteten erleichtern, die deutsche Sprache zu erlernen und sich zu integrieren.
Danach gefragt, ob die Mobilität von Asylbewerbern eingeschränkt werden sollte, solange ihr Anspruch auf Asyl bearbeitet wird, stimmen 39 Prozent der Deutschen zu. Jeder Vierte (25 %) spricht sich gegen eine solche Verwahrung aus, 16 Prozent sind in dieser Frage unentschieden.
Ein Drittel der Deutschen engagiert sich für Flüchtlinge
Jeder dritte Befragte (33 %) gibt an, sich in den vergangenen zwölf Monaten für geflüchtete Menschen eingesetzt zu haben. Das Spenden von Geld und Gütern ist die am häufigsten genannte Unterstützungsleistung (16 %). Jeder Zehnte (10 %) hat im vergangenen Jahr Flüchtlinge ehrenamtlich unterstützt. Acht Prozent haben Social-Media-Nachrichten zur Unterstützung von Flüchtlingen gepostet. Weitere acht Prozent geben an, Regierungsbeamte kontaktiert oder Petitionen unterschrieben zu haben, die sich für Flüchtlinge einsetzen.
Ipsos /RNRed