In zwei Wochen stehen in Bayern die Landtagswahlen an. Um Ihnen Ihre Entscheidung zu erleichtern, haben wir die Köpfe hinter acht Parteien zu ihrem Wahlprogramm befragt. Dieses Mal geht es darum, wie SPD, DIE GRÜNEN und Co. zum Thema Digitalisierung stehen und wie sie diese vorantreiben wollen.
Am Sonntag, den 07. Oktober, dürfen auch die Bürgerinnen und Bürger des Freistaat Bayern wieder der Partei ihrer Wahl ihre Stimme geben. Wir möchten Ihnen einen Überblick über das Wahlprogramm der verschiedenen Parteien geben und haben diese hierzu zu den dringendsten Themen befragt – von Inflation über Migration bis Tierschutz. Heute geht es um das Thema Digitalisierung.
In Sachen Digitalisierung hat auch Bayern in den letzten Jahren viele Trends verschlafen. Für viele ist der Stand der Digitalisierung in Bayern 2023 ungenügend – von Breitbandausbau über Papierkrieg beim Behördengang bis hin zu Overhead-Projektoren in Schulen. Wo setzen Sie hier Ihren Schwerpunkt, um die Digitalisierung voranzutreiben?
Die Linke
Wir wollen die Förderung öffentlicher WLANs erhalten und den Zugang vereinfachen. Glasfaser- und Mobilfunknetze müssen in öffentliche oder gemeinnützige Hand und ausgebaut werden. Wir fordern eine bayrische Koordinations- und Förderstelle für Projekte, Behörden und Initiativen, die die digitale Spaltung überwinden wollen. Wir fordern eine Förderinitiative für barrierearme Webseiten und Anwendungen. Wir fordern, bestehende Unternehmensförderungen und öffentliche Vergaben an die (digitale) Barrierearmut ihrer Produkte und Prozesse zu knüpfen. Digitale Barrierearmut und deren Umsetzung ist in die Aus- und Fortbildungsprogramme an Berufsschulen und Hochschulen als Lerninhalt verpflichtend aufzunehmen.
Freie Wähler
Die Digitalisierung wird ein sehr wichtiger Baustein für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sein und muss daher mit aller Kraft vorangetrieben werden. Der schnelle papierlose Datenaustausch wird Genehmigungszeiten verkürzen und eine Verschlankung staatlicher Verwaltung ermöglichen. Unternehmen können dadurch effektiver und effizienter wirtschaften, Arbeitsplätze sichern und auf diese Weise im internationalen Wettbewerb bestehen. Man darf nicht vergessen: Niemand wartet auf Deutschland, und von den Lorbeeren aus vergangenen Zeiten können wir uns nichts kaufen. Ich möchte aber ergänzen: Einen Overhead-Projektor habe ich schon lange in keiner Schule mehr gesehen.
ÖDP
Der Freistaat Bayern muss flächendeckend für leistungsfähige, stabile, sichere und gesundheitlich unbedenkliche, kabelgebundene Übertragungswege sorgen und für den Erhalt der Netzneutralität eintreten. Einen flächendeckenden Ausbau des 5G-Netzes im öffentlichen Raum lehnen wir aufgrund der hohen Kosten und des hohen Energie- und Ressourcenverbrauchs auch dann ab, wenn die gesundheitliche Ungefährlichkeit nachgewiesen werden sollte.
Bündnis 90 / Die Grünen
Grundpfeiler für die Digitalisierung ist ein lückenloses Glasfasernetz, dessen Ausbau wir u. a. mit vereinfachten Genehmigungsverfahren, Cluster-Ausschreibungen sowie einem Glasfaser-Gutschein über 500 Euro für alle privaten Haushalte und Kleinunternehmen beschleunigen. Im Zuge eines Smart E-Government schaffen wir barrierefreie und nutzerfreundliche Portale in verständlicher Sprache für die Bürger:innen und vereinheitlichen das Login für alle Behördengänge und öffentlichen Dienstleistungen. Gleichzeitig gewährleisten wir durch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung die Sicherheit bei allen staatlichen IT-Prozessen. An allen Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen wollen wir eine angemessene Anzahl an Stellen für Systemadministrator:innen und den Schüler:innen digitale Endgeräte zur Verfügung stellen. Informatikunterricht und interdisziplinäre Bildung im Umgang mit Medien ermöglichen die aktive Mitgestaltung der Digitalisierung sowie die Verwendung von Medien im Privat- und Berufsleben.
SPD
Obwohl der Freistaat eine eigene Digitalministerin hat, ist von Fortschritten in der Digitalisierung wenig zu spüren. Glücklicherweise gleicht die gute Förderkulisse des Bundes vieles aus, was die Staatsregierung selbst nicht leistet. Der Bund fördert Smart-City Modellkommunen, auch im Freistaat, mit Geld und Know-how, damit sie gute und praktikable Ideen erarbeiten können. Diese Ergebnisse müssen sorgfältig geprüft werden, um sie dann in allen bayerischen Kommunen umzusetzen. Zusätzlich benötigen wir in Bayern künftig flächendeckend 5G-Netz, gut bezahlte Fachkräfte in der Digitalisierung für Behörden sowie günstige Rahmenbedingungen für Start-ups und digitale Unternehmen. Unser Ziel als Sozialdemokratie ist es, dass technischer Fortschritt in gesellschaftlichen Fortschritt mündet. Das heißt, wir fördern die Digitalisierung zum Beispiel im Gesundheitssystem, der Verwaltung und im Bildungssystem. Wir geben der Digitalisierung aber auch klare Regeln, denn sie soll den Menschen dienen und nicht umgekehrt.
FDP
Um eine breite digitale Abbildung aller Prozesse in den Kommunen und auf Landesebene zu erreichen, wollen wir verstärkt auf moderne Ansätze nach dem Baukastenprinzip (modellbasierte Entwicklung, Low-Code) setzen. Um Low-Code-Systeme für die öffentliche Verwaltung nutzbar zu machen und den Wettbewerb zu organisieren, wollen wir als Rahmenbedingungen für entsprechende Ausschreibungen die Nutzung gemeinsamer Standards und Softwaremodule definieren.
Wir als FDP Bayern fordern, dass der Breitbandausbau im Freistaat noch schneller vorangetrieben wird. Das 5G-Netz und der Glasfaserausbau bis in die Wohnung liegen aktuell noch weit hinter den Erwartungen zurück. Wir setzen hierbei auf den eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau: Es wird zukünftig nur dort gefördert, wo ein eigenwirtschaftlicher Ausbau nicht zu erwarten ist. Bayern setzt sich demnach für eine Priorisierung der Fördermittel gemäß der Potenzialanalyse des Bundes ein. Auch die 5G-Abdeckung muss beschleunigt werden. Wesentlich ist hier im Flächenland Bayern insbesondere das Schließen von „weißen Flecken“. Wir setzen uns auf Bundesebene für eine Aktualisierung der Mobilfunkförderung und für Negativauktionen ein, um ein flächendeckend schnelles Mobilfunknetz zu erhalten.
CSU
Bayern investiert pro Jahr etwa eine halbe Milliarde Euro und ein ganzes Ministerium in die Digitalisierung. Als größtes Flächenland stehen wir dabei vor ganz anderen Herausforderungen als kleine Bundesländer, sind aber auf einem guten Stand. Abhängig sind wir natürlich von den Kapazitäten der Anbieter, aber auch von der Bauwirtschaft. Bei der Digitalisierung der Behörden sind die verschiedenen Kommunen, naturgemäß auf unterschiedlichen Ständen. Das Onlinezugangsgesetz wird vom Freistaat zügig umgesetzt, so kann man zum Beispiel seine Bauunterlagen auf einer Online-Plattform digital einreichen, um ohne „Papierkrieg“ eine Baugenehmigung zu erhalten, Ähnliches geht bereits in vielen Kreisen bei der Beantragung von Zulassungen, Führerscheinen oder Ausweisen.
AfD
Ja, die Digitalisierung ist ein wichtiger Baustein. Jedoch haben wir viele andere Themen, die wichtiger sind. Die Entbürokratisierung ist hierbei mit anzuführen. Es muss die gesamte bürokratische Struktur hinterfragt und verschlankt werden, so schaffen wir, Genehmigungsverfahren und andere bürokratische Prozesse zu beschleunigen.
Für die Schulen ist kaum Geld vorhanden, hier muss mehr in die Zukunft unserer Kinder und unserer späteren Fachkräfte investiert werden und dabei spreche ich jetzt von mehr als nur Digitalisierung. Es gibt viele offene Baustellen, bei denen die Digitalisierung ein Teilstück ist, jedoch müssen wir uns immer mit den gesamten Strukturen befassen.
Statement zur Aufnahme der AfD
Wir haben uns lange damit auseinandergesetzt, diskutiert und auch gestritten, ob wir die AfD hier mit abbilden sollen. Am Ende haben wir Verleger beschlossen, dass ein Weglassen der falsche Weg der Auseinandersetzung in einer Demokratie ist, zumindest solange zu wählenden Parteien und deren aufgestellten Repräsentanten nicht von unserer Justiz ein entsprechendes Fehlverhalten nachgewiesen wird. Setzen Sie sich als Wähler mit den Programmen, und vor allem dem, was dahintersteckt, verantwortungsvoll auseinander, denn in schwierigen Zeiten gibt es meist keine einfachen Lösungen. Populismus lässt die Mitmenschlichkeit und ein nötiges Miteinander – denn nur gemeinsam sind wir stark – schnell zur leeren Worthülse werden. Das gilt für alle Parteien.
Nick Lengfellner und Peter Gnilka, Geschäftsführende Gesellschafter.
filterMAGAZIN / RNRed