Heute haben wir die Möglichkeit, darüber mitzuentscheiden, welche Parteien unsere Interessen vertreten und die Geschicke der Europäischen Union leiten sollen. Neu in diesem Jahr ist, dass in Deutschland bereits ab 16 gewählt werden darf. Wir geben einen Überblick, welche Aufgaben das Europäische Parlament eigentlich hat, wie es sich zusammensetzt und warum diese Wahl heute so wichtig ist.
Die Europawahlen sind nicht nur irgendeine Wahl – sie stehen für den Erhalt von Frieden und Freiheit – Werte, denen lange diplomatische Verhandlungen vorausgingen. Um das Ausmaß der Bedeutung dieser Wahlen besser zu verstehen, hilft ein Blick in die Vergangenheit.
Hoffnung nach Jahren des Krieges und der Zerstörung
Der Zweite Weltkrieg hatte große Teile Europas in Schutt und Asche gelegt. Über 60 Millionen Menschen verloren ihr Leben. Viele weitere wurden vertrieben oder standen vor den Trümmern ihrer Existenz. Nie wieder, so war man sich damals einig, sollte es zu solcher Zerstörung kommen. Nie wieder wollte man einzelnen Personen die Macht geben, über Leben und Tod von Millionen von Menschen zu entscheiden. Ein vereintes Europa sollte den Frieden sichern und die Grundlage für eine gemeinsame Zukunft schaffen. Dieser Traum wurde zur treibenden Kraft für politische Diskussionen und diplomatische Verhandlungen, die letztendlich zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft führten. Die Unterzeichnung des Vertrags von Rom im Jahr 1957 legte den Grundstein für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und ebnete den Weg für eine stärkere wirtschaftliche Integration. In den folgenden Jahrzehnten wurden weitere Verträge und Abkommen geschlossen, die die politische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten vorantrieben und die Grundlage für die Schaffung eines gemeinsamen Europäischen Parlaments legten.
Die ersten direkten Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 1979 markierten einen Wendepunkt in der Geschichte Europas und waren ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur Schaffung der Europäischen Union. Zum ersten Mal hatten die Bürgerinnen und Bürger Europas die Möglichkeit, ihre Vertreter direkt zu wählen und somit Einfluss auf die Entscheidungen der EU-Institutionen zu nehmen.
Welche Aufgaben hat das europäische Parlament?
Das Europäische Parlament als das einzige direkt gewählte Organ der Europäischen Union verkörpert die Stimme der Bürgerinnen und Bürger Europas. Seine Aufgaben reichen von der Gesetzgebung über die Haushaltskontrolle bis hin zur Überwachung der Exekutive.
Eine der Hauptaufgaben des Europäischen Parlaments besteht darin, Gesetze zu verabschieden, die alle Bereiche des europäischen Lebens betreffen. Als Mitgesetzgeber neben dem Rat der Europäischen Union hat das Parlament das Recht, über Gesetzesvorschläge zu debattieren, Änderungen vorzuschlagen und über die Annahme oder Ablehnung von Gesetzen zu entscheiden. Dieser Prozess gewährleistet, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger bei der Gesetzgebung berücksichtigt werden und dass die EU-Politik demokratisch legitimiert ist. Darüber hinaus hat das Europäische Parlament die Aufgabe, den EU-Haushalt zu überwachen und zu genehmigen. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Festlegung der Prioritäten und Ausgaben der EU und überprüft die finanzielle Integrität der verschiedenen EU-Institutionen. Durch seine Haushaltskontrollfunktion trägt das Parlament dazu bei, eine verantwortungsvolle und transparente Verwendung der EU-Gelder sicherzustellen und die finanziellen Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Überwachung der Exekutive, insbesondere der Europäischen Kommission. Das Parlament hat das Recht, die Kommissionsmitglieder zu befragen, ihre politischen Programme zu bewerten und über das Vertrauen in die gesamte Kommission abzustimmen. Diese parlamentarische Kontrolle stellt sicher, dass die EU-Exekutive rechenschaftspflichtig und transparent handelt und dass ihre Entscheidungen im Einklang mit den demokratischen Prinzipien und den Interessen der Bürgerinnen und Bürger stehen.
Wie setzt sich das Europäische Parlament zusammen?
Das Europäische Parlament besteht aus 705 Abgeordneten aus den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Diese Abgeordneten werden alle fünf Jahre in freien und geheimen Wahlen gewählt, wodurch das Europäische Parlament eine direkte Legitimität und Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern erhält. Die Anzahl der Sitze, die jedem Land zusteht, wird nach der Größe des Landes berechnet, um alle Mitgliedsstaaten fair und angemessen zu vertreten.
Die Wahl der Abgeordneten erfolgt nach nationalen Wahlsystemen, wobei die genauen Modalitäten von Land zu Land unterschiedlich sein können. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments sind nicht nur Vertreter ihrer nationalen Interessen, sondern auch Mitglieder politischer Fraktionen, die sich auf europäischer Ebene organisieren. Diese Fraktionen spielen eine wichtige Rolle bei der Bildung von Mehrheiten und der Ausarbeitung von politischen Positionen. Durch ihre Arbeit tragen sie dazu bei, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger Europas zu vertreten.
Wie kommen die Parteien zustande und wie können sie sich für die Europawahl aufstellen lassen?
Das Europäische Parlament setzt sich aus verschiedenen politischen Parteien zusammen, die auf unterschiedlichen Ebenen operieren und sich zu Fraktionen zusammenschließen, um politische Interessen zu vertreten und politische Ziele zu erreichen. Die Parteien im Europäischen Parlament können auf europäischer Ebene organisiert sein, wie beispielsweise die Europäische Volkspartei (EVP), die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) oder die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE). Diese übernationalen Parteien bündeln politische Kräfte aus verschiedenen Mitgliedstaaten, um gemeinsame europäische Ziele zu verfolgen.
Ein Abgeordneter tritt in der Regel der europäischen Partei bei, die der politischen Ausrichtung seiner nationalen Partei entspricht. Zum Beispiel ist ein Abgeordneter der deutschen SPD automatisch Teil der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE), da die SPD die deutsche Mitgliedspartei dieser europäischen Organisation ist. Um Abgeordneter der SPE zu werden, kann sich der SPD-Abgeordnete als Kandidat für die Europawahlen aufstellen lassen. Wenn er gewählt wird, tritt er dem sozialdemokratischen Block im Europäischen Parlament bei, der als Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten (S&D) bekannt ist und die SPE repräsentiert. Es ist theoretisch jedoch auch möglich, dass sich Abgeordnete mit Parteien anderer Länder zu einer neuen Fraktion zusammenschließen, sofern sie mindestens 23 Mitglieder aus mindestens sieben verschiedenen EU-Ländern finden, um die Mindestanforderungen für die Bildung einer Fraktion zu erfüllen.
Neben den europaweit organisierten Parteien gibt es auch nationale Parteien, die sich nach den Wahlen zu transnationalen Fraktionen zusammenschließen. Diese Fraktionen bestehen aus Abgeordneten, die ähnliche politische Überzeugungen teilen, unabhängig von ihrer nationalen Herkunft. Um sich für die Europawahlen aufzustellen, müssen politische Parteien die jeweiligen nationalen Wahlgesetze einhalten und Kandidatenlisten einreichen. Diese Kandidaten können von den politischen Parteien selbst ausgewählt werden oder durch interne Vorwahlen oder Auswahlverfahren bestimmt werden. Die Parteien müssen in der Lage sein, die Kosten für ihren Wahlkampf zu decken, einschließlich der Produktion von Wahlwerbung, der Organisation von Veranstaltungen und der Finanzierung von Reisen und Unterbringung für Kandidaten und Unterstützer. Die Finanzierung kann aus verschiedenen Quellen, wie z. B. staatlichen Zuschüssen, Mitgliedsbeiträgen und Spenden von Einzelpersonen, Unternehmen und anderen Organisationen stammen. Dabei müssen stets die geltenden Gesetze und Vorschriften zur Transparenz und Integrität des Wahlprozesses eingehalten werden.
Warum sind die Europawahlen wichtig?
Die Europawahlen bieten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, über die Richtung der EU-Politik mitzubestimmen, wichtige Fragen wie Klimawandel, Wirtschaftswachstum, Migration und soziale Gerechtigkeit anzugehen und die europäischen Werte von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu verteidigen. In einer Zeit, in der populistische und extremistische Bewegungen in vielen Teilen des Kontinents an Stärke gewinnen, müssen sich alle Bürgerinnen und Bürger ihrer demokratischen Verantwortung bewusst sein.
Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas profitiert in hohem Maße von der Europäischen Union. Der Binnenmarkt der EU sichert deutsche Arbeitsplätze, fördert den Export und trägt maßgeblich zum Wohlstand des Landes bei. Ein stabiles und vereintes Europa ist für Deutschland daher unerlässlich.
Europa ist das wichtigste Gut, dass es derzeit zu verteidigen gilt. Wirtschaft und Sicherheit entstehen in dieser Gemeinschaft und sind die Grundlage für ein lebenswertes und vielfältiges Miteinander. Meinungsfreiheit, Selbstbestimmtheit und eine sichere Zukunft stehen auf dem Spiel. Ihre Stimme ist wichtig! Gehen Sie wählen!
filterVerlag | Kathrin Gnilka