Viele von uns werden sich noch an einschneidene Erlebnisse in Regensburgs politischem Leben erinnern. So auch unser Ansprechpartner Dr. Simon Bein, der an der Universität Regensburg im Bereich Politikwissenschaften tätig ist. In den letzten 25 Jahren sind ihm vor allem die Korruptionsermittlungen um Joachim Wolbergs (SPD) oder Hans Schaidinger (CSU) in Erinnerung geblieben.
Bei den Ermittlungen der Regensburger Spendenaffäre des ehemaligen Oberbürgermeisters Schaidinger „ging es insbesondere um Verstrickungen mit der Baubranche“, erinnert sich Dr. Bein. Gegen Joachim Wolbergs wurde wegen Vorteilsnahme, Vorteilsgewährung und Verstößen gegen das Parteigesetz ermittelt. Heute sitzt der ehemalige OB mit seiner neugegründeten Partei „Die Brücke“ wieder im Stadtrat.
Die Parteienlandschaft in Regensburg – 1999 bis 2024
Vor 25 Jahren waren insgesamt sechs Parteien im Stadtrat vertreten. „Die CSU im Regensburger Stadtrat war mit knapp 50 Prozent der Stimmen die deutlich stärkste Kraft. Neben der SPD (mit 30 Prozent) waren nur noch die Grünen (drei Mandate) und die Liste Alzheimer (mit fünf Prozent) präsent. Zudem waren die ÖDP und die Freien Wähler Regensburg mit jeweils einem Mandat im Stadtrat vertreten“, erklärt Dr. Simon Bein.
1999 bis 2008 wurde Regensburg von der CSU unter Bürgermeister Hans Schaidinger repräsentiert. Kernpunkte für seine Amtszeit waren der Ausbau der Infrastruktur und der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt. In den Kommunalwahlen 2008 verlor zuerst die Partei „Liste Alzheimer“ ihren Sitz im Stadtrat. Der Wechsel ging weiter, als Joachim Wolbergs von der SPD zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Durch eine Koalition mit den Grünen, der FDP und Freien Wähler setzte er sich für eine nachhaltige Stadtentwicklung und soziale Projekte ein.
Im Jahr 2020 regierte eine Koalition aus CSU, SPD, FDP, Freien Wählern und Stadtrat Janele von der CSB die Stadt Regensburg. Der Fokus dieser Zusammenarbeit lag auf der Digitalisierung und dem Ausbau von Bildungs- und Kultureinrichtungen. Nach dem Stadtbahn-Entscheid 2024 ist diese Koalition gescheitert. Es besteht eine Minderheitenregierung.
In den letzten Jahren ist der Stadtrat stark gewachsen – mittlerweile sind es insgesamt zwölf Parteien. Statt sechs Parteien sind es mittlerweile doppelt so viele, darunter die Fraktion Brücke – Ideen verbinden Menschen, die Alternative für Deutschland (AfD), die Christlich Sozialen Bürger (CSB), die Freien Demokratien (FDP), Die PARTEI, die Ribisl und die Partei Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit (BSW).
Die (Ab-)Spaltung der Parteien
Es werden immer mehr Parteien gegründet, die sich von anderen Parteien abspalten. Die Fraktion „Brücke – Ideen verbinden Menschen“ ist eines der bekanntesten Beispiele in Regensburg. Diese wird von Joachim Wolbergs als Fraktionsvorsitzendem geleitet. In der Domstadt ist der Politiker sehr bekannt: früher als Fraktionsvorsitzender der SPD und Oberbürgermeister von Regensburg, splittete er sich von der SPD nach seiner Suspendierung 2017 ab. Laut Dr. Simon Bein gibt es für politische Abspaltungen mehr als nur einen Grund: „Viele Menschen fühlen sich weniger stark an eine Partei gebunden“, sagt er. „Parteien haben ihren Vertrauensvorschuss verloren, sodass Wählerinnen und Wähler sich schneller abwenden. Das politische Personal sieht dabei oftmals eine Chance, sich durch Abspaltung selbst zu profilieren.“
Große Veränderung in den politischen Entwicklungen
„Durch die Fragmentierung der Parteienlandschaft werden die Koalitionen größer. Außerdem gibt es seltener einen klaren Wahlsieger, sodass immer mehr und eher gleichstarke Partner zusammenarbeiten müssen. Das erhöht die Instabilität“, so Dr. Simon Bein weiter.
Die politischen Entwicklungen in Regensburg in den letzten 25 Jahren zeigen eine abwechslungsreiche Parteienlandschaft mit verschiedenen Regierungskoalitionen: Von unglaublichen Steigerungen der Wirtschafts- und Baupolitik, wie dem Bau des Fußballstadions oder der Umstrukturierung des Kasernenviertels bis hin zu neuen Visionen wie der Mobilitätswende.
Sarah Solleder | filterVERLAG