Welche Themen beschäftigten die Deutschen in den Wochen vor der Bundestagswahl am meisten? Die aktuelle Erhebung der monatlich in 29 Ländern durchgeführten Ipsos-Studie „What worries the World“ zeigt: Deutschland befindet sich im Februar 2025 in einem Stimmungstief. Nur noch 17 Prozent der Bevölkerung sehen Deutschland derzeit auf einem guten Weg.
Das ist der niedrigste Wert, der jemals in der seit über zehn Jahren laufenden Tracking-Studie gemessen wurde. Auch die Einschätzung zur Situation der deutschen Wirtschaft gibt wenig Anlass zu Optimismus. Gleichzeitig wächst die Angst vor Migration, Kriminalität und Gewalt sowie vor zunehmendem Extremismus.
Kurze Übersicht des Sorgenbarometers
Mehr als vier von fünf Deutschen (83 Prozent) sehen Deutschland auf dem falschen Weg. Das sind vier Prozentpunkte mehr als im Januar und neun Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr – ein neuer Negativrekord.
Zum fünften Mal in Folge ist der Anteil derer, die die wirtschaftliche Lage in Deutschland als „gut“ bewerten, so niedrig wie noch nie – nur noch ein Viertel der Deutschen (25 Prozent) ist dieser Meinung. Das ist ein Prozentpunkt weniger als im Vormonat und ein Minus von 13 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Drei von vier Bundesbürgern (75 Prozent) beurteilen die Konjunktur als schlecht.
Migration und Kriminalität als Hauptsorgen
44 Prozent der Deutschen machen sich derzeit die größten Sorgen um Migration und unkontrollierte Zuwanderung. Damit steht das Thema im Februar wie schon im Vormonat auf Platz eins des Sorgenbarometers, hat aber im Vergleich zum Januar noch einmal deutlich an Relevanz gewonnen (+9 Prozent). Auch im globalen Vergleich sind diese Werte bemerkenswert: Deutschland liegt damit aktuell auf Platz zwei von 29 befragten Ländern, knapp hinter Chile (49 Prozent). Auch die Angst vor Kriminalität und Gewalt hat in jüngster Zeit massiv zugenommen. 36 Prozent der Deutschen zählen dies zu den größten Sorgen im Land, ein Plus von sieben Prozentpunkten im Vergleich zum Vormonat.
Auf den Plätzen drei und vier folgen die finanziellen Sorgen vor Inflation (31 Prozent) sowie vor Armut und sozialer Ungleichheit (30 Prozent), die beide kurz vor der Bundestagswahl leicht an Bedeutung verloren haben. Anders verhält es sich mit der Angst vor zunehmendem Extremismus, die die Deutschen in den letzten Wochen immer stärker umtreibt: Fast jeder vierte Bundesbürger (23 Prozent) macht sich darüber derzeit große Sorgen – das sind 4vierProzentpunkte mehr als im Januar und zwei Prozentpunkte mehr als vor 12 Monaten. Ein höherer Wert wurde zuletzt nur im September 2020 gemessen. Zusammen mit Südkorea, Israel (jeweils 24 Prozent) und den Niederlanden (26 Prozent) liegt Deutschland auch bei der Sorge vor Extremismus weltweit an der Spitze.
Angst vor Krieg und Klimawandel sinkt
Dagegen haben die Sorge vor dem Klimawandel und die Angst vor militärischen Konflikten zwischen Staaten im Wahlkampf an Bedeutung verloren: Nur noch 19 Prozent der Bundesbürger machen sich derzeit große Sorgen wegen des Klimawandels, ein Minus von drei Prozentpunkten im Vergleich zum Vormonat. Die Angst vor kriegerischen Auseinandersetzungen spielt mit 16 Prozent und einem Verlust von fünf Prozentpunkten gegenüber Januar eine noch geringere Rolle.
Dr. Robert Grimm, Leiter der Politik- und Sozialforschung bei Ipsos in Deutschland, erklärt zu den Befunden: „Die Sorgen der Deutschen zeichnen ein klares Bild: Das Land braucht einen entscheidenden Politikwechsel. Viele Menschen wünschen sich einen klaren Kurs in der Migrationspolitik. Sie wollen gesteuerte Zuwanderung statt unbegrenzter Migration. Auch die wirtschaftliche Lage bereitet vielen zunehmend Sorgen. Die Bundestagswahl hat jedoch gezeigt, dass diese Themen kontrovers wahrgenommen werden und unsere Gesellschaft polarisieren. Zwar hat die rechtspopulistische AfD bei der Wahl am stärksten zugelegt, aber auch die progressive Linke konnte vor dem Hintergrund zunehmender fremdenfeindlicher Rhetorik mit Argumenten für Umverteilung und eine gerechtere Gesellschaft bei den Wählerinnen und Wählern punkten. Die Deutschen sind sich also einig, dass es Veränderungen in Deutschland geben muss, aber in welche Richtung diese gehen sollen, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.“
Methode
Die Ergebnisse stammen aus der Ipsos-Studie »What Worries the World«. Bei der Online-Umfrage wurden 25.746 Personen aus 29 Ländern über das Ipsos Online Panel-System interviewt. In Deutschland wurden etwa 1.000 Personen befragt. Die Umfrage fand zwischen Freitag, den 24. Januar, und Freitag, den 07. Februar, statt.
Zu den 29 untersuchten Ländern gehören: Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Chile, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Israel, Italien, Japan, Kanada, Kolumbien, Malaysia, Mexiko, Niederlande, Peru, Polen, Schweden, Singapur, Spanien, Südafrika, Südkorea, Thailand, Türkei, Ungarn und USA.
In Israel, Kanada, Malaysia, Südafrika, der Türkei und den USA waren die Befragten zwischen 18 und 74 Jahren alt, in Indonesien und Thailand zwischen 20 und 74 Jahren, in Singapur zwischen 21 und 74 Jahren und in allen anderen Ländern zwischen 16 und 74 Jahren.
In 17 der 29 untersuchten Länder ist die Internetdurchdringung hoch genug, um die Stichproben als repräsentativ für die Gesamtbevölkerung in den abgedeckten Altersgruppen zu betrachten, darunter auch Deutschland. Die anderen untersuchten Länder weisen eine geringere Internetdurchdringung auf. Die Stichproben aus diesen Ländern ist städtischer, gebildeter und/oder wohlhabender als die Gesamtbevölkerung und sollten so betrachtet werden, dass sie die Ansichten der stärker „vernetzten“ Bevölkerungsgruppe widerspiegelt.
Die Daten werden so gewichtet, dass die Stichprobenzusammensetzung jedes Landes das demografische Profil der erwachsenen Bevölkerung gemäß den jüngsten Volkszählungsdaten bestmöglich widerspiegelt.
Ipsos GmbH / RNRed