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Nein, auch das Halbfinale schaue ich nicht! Auch wenn Freunde, Kollegen, der Bäcker, Postbote und überhaupt jeder, der mich danach fragt, mich mit dieser Aussage nicht ganz ernst zu nehmen scheint. Wie kann sie nur!? Fußball ist eben ? selbst im WM-Ausnahmezustand ? nicht so meins. Dafür so einige andere Freizeitbeschäftigungen, denen ich während einem Deutschland-Spiel wesentlich lieber nachgehe.

Zum Beispiel beim letzten Spiel gegen Frankreich. Da hatte ich den ganzen großen und am Wochenende doch sonst immer überfüllten Ikea so gut wie für mich alleine. Schade, dass WM bisher nie auf eine Umzugs-Phase bei mir gefallen ist. Wie toll könnte man dann Möbel kaufen und hätte dabei die geballte Hilfe sämtlicher Mitarbeiter gewiss. Die sind schließlich froh, wenn sie was zu tun bekommen. Denn für alle, die dem Fußball aus dem Weg gehen möchten: Ich kann euch sagen, Ikea ist genau der richtige Ort dafür. Nicht mal im Radio läuft hier das Spiel. Ein bisschen tun mir die Mitarbeiter schon leid, die auf die Frage "Wissen Sie, wie es steht?" als Antwort nur hören: "Nein, aber haben Sie den Beistelltisch auch mit Plastikfüßen?"
Nach Ikea geht's dann erstmal shoppen. Klischee ? ich weiß. Aber das Zeitfenster ist kurz und die 90 Minuten plus Nachspielzeit und Elfmeterschießen (keine Ahnung, wie lange das dann wieder dauert) müssen ja effektiv genutzt werden. Nur um für alle, die jetzt beim Public Viewing sitzen, mal ein paar der Vorteile aufzuzählen: Leere Parkplätze, perfekt sortierte Regale und Kleiderstangen, RUHE, keine "bitte nicht mehr als drei Teile mit in die Kabine nehmen" Regeln, die heute eingehalten werden müsste und: keine Schlange an der Kasse. Herrlich! So muss sich einkaufen im entlegensten Eiland anfühlen. Fast bin ich versucht, jetzt noch zum Friseur zu gehen. Aber die Zeit wird knapp, ich muss schnell heim, bevor das mit den Auto-Korsos anfängt.

Ja, ja damit mache ich mich jetzt nicht unbedingt beliebt. Aber: Vorwerfen, dass ich es nicht versucht hätte, der Fußball Euphorie zu verfallen, kann man mir nicht. "Spätestens nach den Gruppenspielen kannst du dich dem eh nicht mehr entziehen", hieß es am Anfang immer. Nachdem man mir dann erklärt hatte, was denn die "Gruppenspiele" sind, dachte ich, da ist vielleicht was dran. Danach steckt dieser Zusammenhalt doch an. Bestimmt häng ich mir dann zwar keine Deutschlandfahne an den Balkon oder mal mir drei deutschland-farbige Streifen ins Gesicht, aber immerhin werde ich mir die Spiele anschauen. Tja ? nein!
Auch nach den Gruppenspielen, im Achtel- und Viertelfinale, lässt mich Fußball weiterhin kalt. Genau einmal habe ich während dieser WM ein Spiel geschaut ? und das mehr oder weniger freiwillig, da in männlicher Begleitung. Da wage ich es natürlich nicht, meinen Vorschlag zwecks Ikea oder Friseur zu bringen. Nein, dann schau ich eben Fußball ? und versuch es nochmal mit dieser Begeisterung. Fazit: Was in diesen 1,5 Stunden passiert ist, kann ich beim besten Willen nicht mehr rekapitulieren. Große Spielzüge, ausgefeilte Taktik, Fouls, gelbe Karten, rote Karten ? war bestimmt alles dabei. Aber für mich passiert trotzdem einfach nix! Auf zwei Minuten Spannung wartet man mal 45 Minuten, in denen der Ball von einer Ecke in die andere geschossen wird. Dann fallen schlaue Kommentare (nie von mir) und ich sitze daneben und schaue wie eine Fliege in meinem Bier schwimmt und sich an den Rand zu retten versucht. Am liebsten würde ich jetzt ja schnell mal facebook, twitter, oder instagram checken.

Dabei darf man mich jetzt nicht falsch verstehen: Ich habe absolut nichts gegen Fußball ? ganz im Gegenteil: ich finde es großartig, wenn man sich für eine Sache so richtig begeistern kann. Nur springt der Funke eben nicht so richtig auf mich über. Trotzdem wünsche ich allen heute ein tolles Spiel, viel Spaß beim Public Viewen und hab noch eine kleine Bitte an alle meine Nachbarn: Bitte heute extra laut nach jedem Tor brüllen. Damit auch ich dann wieder weiß, wie es ausgegangen ist.
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Kommentar von Susanne Weigert
Bild: Sangoir / bigstock.com

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