Knallharte Jobs: Bestatter - Mit dem Tod leben
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Er schlägt unerwartet zu. Der Zeitpunkt? Unklar. Es kann immer sein. Jede Sekunde. "Tod ist eines der schrecklichsten Dinge, die im Leben passieren", findet Andrea Ruhland. Trotzdem hat sie sich dafür entschieden, mit genau jenem grausamen Thema täglich konfrontiert zu werden. Die 28-Jährige arbeitet als Bestattungsfachkraft bei Bestattungen Friede in Regensburg... und sieht ihre Arbeit als ihre Berufung.
"Wenn ein geliebter Mensch stirbt, geht ein unschätzbarer Wert verloren. Wir können an dem Verlust nichts ändern, aber zusammen mit der Familie dem Verstorbenen einen würdevollen Abschied bereiten. Einer, der seinem Leben und Wirken gerecht wird. Mehr als das." Andrea Ruhland steckt ihre ganze Energie in ihre Arbeit, um die Angehörigen zu entlasten und unterstützen und ihnen dadurch den Weg in einen guten und erfolgreichen Trauerprozess zu ebnen. Eine schwierige Aufgabe. "Der Druck ist enorm. Wenn mir ein Fehler unterläuft, kann ich damit Gefühle verletzen." Kein Fehler bleibt ohne Folgen, Bestatter arbeiten in einem ganz empfindlichen Bereich.
Zu den Hauptaufgaben zählen neben dem Beratungsgespräch mit Angehörigen und der damit verbunden Organisation der Bestattung auch die Versorgung und Überführung des Verstorbenen vom Sterbeort zum Friedhof oder Krematorium. Des Öfteren auch der Einsatz im Auftrag der Polizei bei Unfällen, Verbrechen oder Totauffindungen. Der direkte Kontakt mit Verstorbenen ist nicht zu vermeiden. Andrea Ruhland kümmert sich auch um die hygienische und kosmetische Versorgung von Verstorbenen ? Waschen, Ankleiden, Schminken. Manchmal werden auch Make-Up, Lippenstift und Wimperntusche gewünscht. "Wenn die Hinterbliebenen mir erklären, dass ihre Mutter nie ungeschminkt aus dem Haus gegangen ist, gehe ich natürlich auch auf diese Anliegen ein."
Alles erledigt Andrea Ruhland mit viel Feingefühl und dem richtigen Maß an Sensibilität. Genaue Wortwahl, sanfter Umgang mit Verstorbenen und Angehörigen spielen eine entscheidende Rolle. Und: Ruhe, "die ist besonders wichtig." Denn nicht selten gehen mit Trauer Wut und Zorn einher. "Da kann es gut sein, dass die Hinterbliebenen ihren Gefühlen im Gespräch freien Lauf lassen. Dies nehme ich nicht persönlich. Ich weiß, dass sich diese Wut nicht gegen mich richtet, sondern oft nur Ausdruck der Hilflosigkeit und Verzweiflung in dieser Situation ist."
Doch wie gehen Freunde und Familie mit diesem Beruf um? "Freunden erzähle ich bei Treffen nie Details aus meinem Berufsalltag - das ist tabu und sie akzeptieren das auch." Eine Tatsache, die nicht selbstverständlich ist. Als Andrea Ruhland 2008 ihre Ausbildung zur Bestattungsfachkraft anfing, wendeten sich einige Freunde von ihr ab. "Du stinkst dann ja nur noch nach Tod", war die Aussage ihrer besten Freundin. "Die Menschen reagieren eben ganz unterschiedlich auf meinen Beruf. Aber mittlerweile kann ich das mit Humor sehen", erklärt Andrea Ruhland. Vorurteile wie "Sie bringen Unglück" und "Bestatter sind doch alles Grufties" kann sie nur noch belächeln. "Ich bin kein deprimierter Mensch, der sich nach der Arbeit in einem dunklen Zimmer verkriecht und über meine Arbeit nachdenkt. Im Gegenteil." Und genau das merkt man. Sympathisch. Offen. Ehrlich. Hilfsbereit. Eine starke Persönlichkeit, gepaart mit einem Hauch schwarzem Humor. "Das braucht man in diesem Beruf!"
Mit dem Tod hat Andrea Ruhland keine Berührungsängste. Schon ihr Vater leitete ein kleines Bestattungsinstitut, da war dieses Thema unausweichlich. Früh starben Oma und Patentante. Daher weiß die 28-Jährige, wie sich die Angehörigen fühlen. Von ihrer Tante konnte sich Andrea Ruhland jedoch nicht richtig verabschieden. Der letzte Blick in den Sarg fehlt ihr bis heute. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, um alles besser verarbeiten zu können. Deshalb empfiehlt sie auch den Angehörigen eine Verabschiedung am offenen Sarg. Um loslassen zu können. Irgendwann.
Vor allem in der Anfangsphase ihrer Ausbildung stellte sich Andrea Ruhland immer wieder die Frage: "Pack ich das?" Mit der Zeit und den Erfahrungen wird man sicherer. "Die ersten Gespräche gehen oft an die Nieren. Egal, wie gut man in der Ausbildung darauf vorbereitet wird." Während viele Lehrlinge aufgaben, hat sie ihre Antwort jedoch schon lange gefunden: "Ja! Ich will den Menschen mit meiner Arbeit helfen und sie in dieser schlimmen Zeit begleiten." Das beste Lob? Positives Feedback! Wenn die Angehörigen nach der Bestattung sagen: "Danke für die Unterstützung und Ihr Engagement, Sie haben uns einen würdevollen und schönen Abschied ermöglicht. Jetzt kann unsere Trauerarbeit beginnen." Bestatter müssen sich eine Mauer aus Selbstschutz aufbauen, die niemals bröckeln darf. "Man muss Empathie zeigen, aber darf es nicht zu nahe an sich herankommen lassen. Sonst geht man daran kaputt."
"Das Schlimmste sind die Schicksale, die hinter jedem Fall stehen." Zwei Jahre liegt ein Fall zurück, an den sich Andrea Ruhland noch immer ganz genau erinnert. Ein 14-Jähriger nahm sich das Leben - Suizid - durch den Sturz von einer Brücke direkt vor ein herannahendes Fahrzeug. Der Körper in Stücke gerissen, auf der ganzen Straße verteilt. Auch das zählt zu den Aufgaben eines Bestatters, die Bergung von Verunfallten, Opfern eines Verbrechens oder tot aufgefunden Leichnamen. "Es war ein schrecklicher Anblick. In so einer Situation ist man auch als Bestatter einen Moment fassungslos." Trotzdem. In so einem Moment denkt Andrea Ruhland nicht daran, wie schlimm ihre Arbeit ist. Sie dachte an die Eltern, die zuhause auf ihren Sohn warten. "Das war für mich das eigentlich Schlimme an dieser Situation."
"Suizide gehen mir persönlich oft ans Herz. Immer wieder stelle ich mir die Frage nach dem "Warum". Andrea Ruhland überlegt kurz. " Kinderbestattungen sind für mich eine große Herausforderung. Sie hätten ihr Leben noch vor sich gehabt. Das ist nicht der normale Lauf des Lebens, dass Kinder vor ihren Eltern gehen. Ich kann mir vorstellen, was es für die Eltern bedeutet, wenn sie am Grab ihres Kindes stehen müssen." Eine Situation, in der sich Andrea Ruhland manchmal einfach gerne wegbeamen möchte. An einen anderen Ort. "Aber diese Situationen und Gefühle muss ich aushalten können."
Der Beruf hat Andrea Ruhland mit den Jahren verändert. "Ich betrachte das Leben ganz anders, rege mich nicht mehr über Kleinigkeiten auf." Die 28-Jährige genießt jeden Tag, denn sie weiß, wie schnell es vorbei sein kann. "Es ist auch keine Schande, sich ab und zu Hilfe von Kollegen oder Psychologen zu holen. Ich bin auch nur ein Mensch mit Herz und Verstand - keine gefühllose Maschine.