Sie haben nur sich selbst und den Tag, der vor ihnen liegt
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Sie erleben das Elend mit. Jedes Jahr. Armut, Schmutz, Hunger. Hygiene? Ein Fremdwort. Eigentlich sollten die Johanniter-Weihnachtstrucker auf ihrer Reise in bedürftige Länder schon an einiges gewohnt sein, trotzdem müssen sie immer wieder mit den Tränen kämpfen. Einmal tief Luft holen, den dicken Kloß im Hals herunterschlucken. Auch dieses Jahr übergeben die Ehrenamtlichen, darunter auch Ulrich Bauriedl, an Weihnachten in Albanien, Bosnien und Zentralrumänien wieder die Hilfspakete aus Deutschland. Um den Hunger der Menschen endlich stillen zu können. Wenn auch nur für kurze Zeit.
Die fünf Kinder liegen auf dem Bett, eingehüllt in dicke Decken ? der einzige warme Ort in der Hütte. Im Dach klaffen große Löcher, die Kälte und Regen nicht aufhalten können. Der Putz blättert von den Wänden, im ganzen Zimmer sind Wäscheleinen gespannt. Der Hunger macht sich bemerkbar. Schon wieder. Seit Tagen konnten sich die vier Kinder nicht mehr richtig satt essen. Die Mutter ist alleinerziehend, zusammen leben sie auf 16 Quadratmetern. Trotzdem: Der Nachwuchs sitzt auf dem Bett und lächelt. Die Augen strahlen erwartungsvoll. Denn sie wissen ? gleich kommt Hilfe aus Deutschland. Pakete zu Weihnachten, liebevoll eingepackt in buntes Geschenkpapier.
Vor acht Jahren kamen die Johanniter auf die Firma zu, baten um Unterstützung ? die sie seitdem in hohem Maße bekommen. "Mittlerweile stehe ich mit meinem Namen für die Aktion", so Bauriedl. Er weiß, dass die Päckchen auch wirklich dort ankommen, wo sie dringend gebraucht werden. Allein dieses Jahr steuert das Unternehmen 6.000 Pakete dazu, von Schulen, Institutionen und Privatpersonen, die Bauriedl und seine Kollegen kontaktieren. "Die Zahl der Päckchen steigt von Jahr zu Jahr." Vertrauen, eines der wichtigsten Eigenschaften bei dieser Aktion.
Heuer wird Bauriedl wieder im Begleitfahrzeug mit nach Zentralrumänien fahren ? auf der Rücksitzbank Fotografen und Fernsehen. Der Weg in die armen Länder ist beschwerlich, die Straßenverhältnisse eine Katastrophe. Zwei Tage Fahrt, satte 1.600 Kilometer. Die 12 LKW'S holpern auf den unebenen Wegen Richtung Ziel. Irgendwann muss das Team dann auf Geländewagen umrüsten und die rund 50.000 Päckchen auf die neuen Fahrzeuge laden. "Vor allem in die Bergdörfer kommen wir mit den normalen LKW's nicht." Die Zustände dort sind erschreckend. Kein festes Einkommen, keine Perspektive, "die Menschen leben vom Kindergeld, sie haben sonst nichts."
Und trotzdem, bei der Übergabe geben sich die Menschen aufgeschlossen, diszipliniert, stellen sich vorbildlich in einer Reihe an. Ohne Gedrängel. "Jeder nimmt wirklich nur das, was ihm zusteht. Die Bewohner dort sind sehr anständig, machen nie Ärger und: Sie können es kaum fassen, dass fremde Menschen aus Deutschland gerade ihnen helfen wollen", erzählt Bauriedl. Die erste Fahrt war für den 49-Jährigen aufregend, eine Reise in das Ungewisse. "Aber mir war klar, ich muss das sehen, wenn ich mit meinem Namen dafür stehen möchte." Während er am heiligen Abend noch mit Frau und Kindern mit vielen Geschenken unter dem heimischen Weihnachtsbaum feiert, sitzt er zwei Tage später im Elend. Das komplette Gegenteil. "Natürlich sieht man viele Aufnahmen und Bilder im Fernsehen, ich wusste wie es dort aussieht ? jedoch ist es etwas komplett anderes, das wirklich live mitzuerleben."
Den Helfern geht das Herz auf, wenn sie sehen, dass sich die Kinder über ihre Hilfe freuen. Die Entlohnung für die harte Arbeit. Ein Junge bleibt Bauriedl wohl noch lange im Gedächtnis. "Er hat das Paket geöffnet, in die Schokoladentafel gebissen und sogar das Papier noch dran gelassen. Die Kids dort kennen so etwas einfach nicht." Selbst die Hartgesottenen unter den Ehrenamtlichen müssen in einer solchen Situation das Zimmer verlassen. Weil die Emotionen überkochen. Weil sie das Elend übermannt, weil die Fassungslosigkeit siegt. "Die Familien wohnen in so heruntergekommenen Hütten, dass man auf den ersten Blick meint, das ist ein Stall", erzählt Bauriedl.
Auf dem Heimweg nach Deutschland herrscht Stille im Bus. Keiner redet ein Wort. Jeder hängt seinen eigenen Gedanken und Erlebnissen nach. Diese Reise geht ans Herz, bewegt etwas ganz tief im Körper: unendliches Mitleid, Traurigkeit und Fassungslosigkeit, dass es auf der einen Seite des Mondes so viel Luxus im Überschuss gibt... und auf der anderen die Menschen in Ställen leben müssen. Ohne Essen. Ohne Wärme. Sie haben nur sich selbst und den Tag, der vor ihnen liegt.
Wer die Johanniter-Weihnachtstrucker unterstützen möchte, kann mit Spenden oder Hilfspaketen Gutes tun. Die genaue Packliste und Kontaktdaten gibt es unter www.johanniter.de