Berufstaucher: Das Wasser als zweites Zuhause
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- Kategorie: Sport & Freizeit
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Auf sich allein gestellt, in 300 Metern Tiefe. Umgeben von Wasser und Dunkelheit. „Genau das ist meine Welt!“, erzählt Claus Mayer mit einer Begeisterung, die manch einer kaum nachvollziehen kann. Aber es stimmt. Er lebt seinen Beruf. Sein Hobby. Mit ganzer Leidenschaft. Der 63-Jährige ist Chef der Nordseetaucher GmbH in Ammersbek bei Hamburg. Vor 28 Jahren erreichte er erstmals in einem Experiment mit einer Taucher-Forschungstruppe 600 Meter. Rekord-Tiefe. „Da öffnet sich für Taucher eine Unterwasserwelt, die es in Deutschland kaum gibt.“
Wie weit kann ein Mensch tauchen ohne gesundheitlich gefährdet zu sein? Dieser Frage ging Claus Mayer mit dem Forschungsteam auf den Grund. Immer tiefer ging es für ihn und drei weitere Taucher, bis schließlich die 600 Meter erreicht waren. Tiefer funktioniert nicht. Zu gefährlich. „Da werden dann Roboter eingesetzt, denn eventuelle Wunden würden nicht mehr heilen. Bei einer Verletzung würde es keine Chance geben, diese zu überleben. Man könnte eine Blutung auf Grund der reduzierten Weißen Blutkörper nicht mehr stoppen“, weiß Mayer. „Das waren extreme Tauchgänge, aber sie haben sich gelohnt.“ Für Schweiß- und Feinarbeiten an Pipelines sind solche Tiefen dringend notwendig. Sieben Wochen dauerte das Experiment, allein fünf Wochen die Rückkehr an die Wasseroberfläche. „Hinunter kommt man dagegen schnell, 200 Meter Tiefe erreichen wir locker in 20 Minuten“, weiß Mayer. In der ganzen Zeit lebten die Taucher in einer Wohnkammer im Überdruck. Für Berufstaucher ganz normal, es gehört einfach zum Alltag. Claus Mayer verbrachte im Laufe seiner Karriere schon über 12.000 Stunden im Überdruck.
„Viele denken, Berufstaucher können den ganzen Tag Fische anschauen, mit ihnen spielen und sie streicheln. Damit hat unsere Arbeit überhaupt nichts zu tun“, erklärt Mayer. Sie ist vielseitig, abwechslungsreich und jeden Tag stehen andere Aufgaben auf dem Plan. Während Mayer früher als Inshore/Inland-Taucher im Binnenland, Talsperren, Flüssen, Seen und Klärwerken, aber auch als Offshore-Taucher auf Bohrplattformen in u.a. Deutschland, England, Dänemark und als Einsatzleiter für Arbeit in Überdruck im Tunnelbau in Europa, Südamerika, China, Russland, Nordamerika und Asien arbeitete, organisiert und kontrolliert er jetzt hauptsächlich die verschiedenen Aufträge weltweit. Alles muss laufen, egal auf welchen Teilen der Erde. Seine Firma beschäftigt derzeit über 60 Taucher und Techniker, die überall auf dem Globus eingesetzt werden. Die Liste an Aufgaben ist lang: Bergungsarbeiten, Schweißen, Schneiden, Konservieren und Betonieren unter Wasser, Tunnelbauarbeiten, aber auch Video- und Fernsehdokumentationen mit tauchergeführten Kameras. Außerdem Vermessungsarbeiten, Schiffsbodenuntersuchungen und Polieren von Propellern zählen zum Alltag. Von den kühlen Wassertemperaturen im Winter, in der Nordsee meist um die vier Grad an Grund, spürt der Taucher allerdings dank der Trockentaucheranzüge nichts.
Aktuell beschäftigt sich Claus Mayer vor allem in Asien mit Arbeiten in Überdruck (Taucher und Druckluftarbeiten) im Tunnelbau. Zeit für Frau und Kinder bleibt da oft auf der Strecke. „Sie sind es nicht anders gewohnt. In diesem Job ist man nun mal wochenlang unterwegs, dafür auch wieder wochenlang zu Hause. Meine Frau kennt das, ich habe sie selbst auf einer Plattform in der Nordsee als Ingenieurin kennen gelernt“, erzählt Mayer und lacht. Doch dann nimmt sein Gesicht wieder ernste Züge an: „Der Rückhalt der Familie ist sehr wichtig. In dieser Hinsicht passen wir höllisch auf.“ Vor dem extremen Einsatz als Berufstaucher muss man einigepsychologische Tests bestehen. Ob man dem Heimweh standhält und ob die Familie mitspielt ist sich dabei ein entscheidender Faktor. Denn die Taucher und Techniker sollen Konzentration zeigen. Man muss sich aufeinander verlassen können. Zu hundert Prozent. „Schlechte Nachrichten oder Streit von daheim sind fehl am Platz.“ 80 Prozent der Bewerber für große Tiefen werden ausgesiebt. „Sie müssen dem psychischen Druck gewachsen sein, solche Leute zu finden ist nicht einfach.“
Besonders spannend findet Mayer das Nukleartauchen. Wem jetzt der Atem stockt, der kann beruhigt sein: „Das ist eine fantastische Welt, das schönste, sicherste und sauberste Tauchen überhaupt.“ Bei 27 Grad Wassertemperatur gestaltet sich die Arbeit angenehm. Ohne Stress. Ohne Radioaktivität. Denn diese breitet sich in Flüssigkeit nur 1,38 Meter aus. „Da kann uns nie was passieren, wir tauchen in dem saubersten Wasser überhaupt“, überzeugt Mayer. Er hat seit 1982 als Berufstaucher und Chef der deutschlandweit größten Firma in dieser Branche seine Berufung gefunden. „Die Art und Durchführung der Arbeiten präsentiert sich jeden Tag anders, das macht diesen Job so spannend.“ Man ist als Taucher alleine in der Tiefe. Muss sich auf sich selbst verlassen können. Die richtigen Entscheidungen spontan treffen. „Das ist kein 0815 Job. Unter der Wasseroberfläche und in Überdruck im Tunnelbau öffnet sich einfach eine völlig andere Welt, die gefällt mir.“