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Mitten auf der Straße kommt es zum Tausch. Eine Spritze, wie frisch aus der Klinik, wechselt den Besitzer. Ihr Nutzen? Eine ganz spezielle Injektion. Drogen. Zur Stillung der Sucht und um Probleme und Sorgen zu vergessen. Doch die Szene findet am helllichten Tag vor dem Bahnhof statt und niemand greift ein, denn das Equipment kommt von Ben Peter, dem ersten Streetworker der Stadt, der versucht die Süchtigen vor Infektionen zu Schützen.



Ben Peter ist einer der geheimen Helden Regensburgs. Der studierte Sozialwissenschaftler setzt sich auf den Straßen für all jene Bürger ein, die von offiziellen Stellen nicht erfasst oder im Stich gelassen werden. Manchmal ist sein Kampf für eine Verbesserung ihrer Lage aussichtslos, doch aufgeben wird Peter nie, denn für ihn zählt das Wohl jedes einzelnen Klienten.

Seine tägliche Arbeit besteht vor allem aus der Kommunikation mit Betroffenen. Peter ist Ansprechpartner, Hilfe, Bezugsperson und oftmals auch letzter Notnagel. Einen festen Plan beim Umgang mit seinen Klienten hat er nicht, stattdessen geht er auf die individuellen Probleme und Situationen intuitiv ein. Dass sich die Menschen dem Streetworker so öffnen, liegt zum einen an seiner ruhigen und besonnenen Art, zum anderen am lockeren Auftreten. Um den Klienten auf der Straße etwas Gutes zu tun und einen Gesprächsanstoß zu finden, hat Peter immer eine prall gefüllte Tasche dabei. Darin befinden sich etwa belegte Semmeln oder Schokolade, zusammengetragen aus Spenden an die Tafel.

Zur Versorgung der oft suchtkranken Menschen gehört aber noch viel mehr. Im Gepäck hat Peter auch immer ein paar frische Nadeln, Pumpen und Besteck. Ein großes Problem beim Drogenkonsum stellt die Infektionsgefahr dar. Diese soll durch frisches Equipment möglichst gering gehalten werden. Von den Drogen abgehalten werden können die Klienten nur in einem langwierigen Prozess. Bis dahin sollen sie sich jedoch nicht mit schweren Infektionen wie HIV anstecken. Mittlerweile wird diese Vorgehensweise auch durch durch die Aidsberatungsstelle des Roten Kreuzes und „Drug-Stop“ in der Regensburger Altstadt unterstützt. Dort können sich die Abhängigen einmal in der Woche mit den nötigen Hilfsmitteln eindecken. In diesem Rahmen werden auch Fortschritte festgestellt und Gespräche geführt.

Bis 2010 waren Streetworker in der Welterbestadt nicht vorgesehen. Man erkannte keinen Nutzen in einer solchen Beschäftigung und wendete deshalb keine finanziellen Mittel für eine solche Stelle auf. Doch die häufigen Polizeieinsätze zwischen Bahnhof und Albertstraße zeigten ein anderes Bild, weshalb eine alternative Herangehensweise an die Drogenproblematik nötig wurde. Genau zu dieser Zeit kam Ben Peter zurück aus Tschechien. Dort arbeitete er nach seinem Studium an einem Projekt mit, dass die Prostitution und ihre Missstände gerade an der deutschen Grenze beseitigen sollte. Er zögerte nicht mit seiner Bewerbung um den neu geschaffenen Posten und wurde von der Caritas dankend aufgenommen. Seither kümmert sich der Streetworker um Menschen, die von der Stadt als Problemkinder gesehen werden.

Peter ist überwiegend auf der Straße unterwegs. Diese Arbeitsweise nennt sich „Geh-Struktur“ und beschreibt die Arbeit im sozialen Umfeld der Klienten. Er hilft Menschen, die von keiner Stelle oder Institution mehr erreicht werden. Sie sind sonst auf sich alleine gestellt und bleiben ohne Hilfe bei ihren Problemen. Der Streetworker ist genau diese benötigte Unterstützung und bietet seinen Klienten wieder eine Lebensperspektive. Dafür hilft er etwas bei der Suchtbekämpfung, Wohnungs- und Jobsuche oder bei Behördengängen. Der Streetworker protokolliert seine Arbeit zwar, handelt aber im Alltag selbstständig. Seit 2012 wird Peter bei seinen Aufgaben zumindest halbtags durch eine weitere Streetworkerin von Drugstop unterstützt.

Rund 300 Klienten betreut Peter im Stadtgebiet. Er hilft nicht nur direkt auf der Straße, sondern erledigt mit den Betroffenen auch anfallende Bürokratie, Amtsbesuche, Wohnungssuchen und vieles mehr. Als aktiver Streetworker bedeutet das eine ganze menge Arbeit, zumal auch eine Dokumentation der Tätigkeiten für den Jahresbericht gemacht werden muss. Die Dunkelziffer der Bedürftigen sieht Peter sogar noch viel höher: „Die 300 Klienten sind nur die, von denen wir wissen. Es ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl der Bedürftigen zwei bis dreimal so groß ist.“ Doch nicht jeder traut sich auch, über seine Probleme oder Sucht zu sprechen.

Stark ausgelastet ist der Streetworker jedoch auch mit seinen bisherigen Klienten, täglich bekommt er die Probleme der Menschen, die er betreut mit. Das fängt schon bei einfachen Erzählungen über ein gescheitertes Bewerbungsgespräch an und endet bei tragischen Todesfällen. Diese hängen sehr oft mit dem erhöhten Drogenkonsum zusammen. Jährlich verzeichnet er rund 10 Todesfälle. Dem gegenüber stehen etwa zwei erfolgreiche Entwöhnungen. Nicht immer sind diese dauerhaft erfolgreich, denn ob die Klienten wirklich clean bleiben, zeigt sich erst nach Jahren und selbst dann gibt es keine Sicherheit.

Um mit Rückschlägen, Verstorbenen, Problemen und Geschichten richtig umgehen zu können, versucht Peter in seiner freien Zeit der Arbeit aus dem Weg zu gehen. „Natürlich laufe ich am Wochenende nicht in die Brennpunkte. Ich versuche sie zumindest im Groben zu umgehen. Abstand zu Gewinnen ist in diesem Bereich besonders wichtig, sonst arbeitet man schnell 24/7.“ Am Abend abzuschalten gelingt dem Streetworker ebenfalls nicht immer. So sehr er es auch versucht, oft kommt die Arbeit dann spätestens in der Nacht wieder hoch. Peter ist deshalb gerne unterwegs, verreist oder besucht andere Städte. So gewinnt er den räumlichen Abstand.

Doch manche Ereignisse nehmen Peter auch lange Zeit mit. Das Einzelschicksal eines Klienten-Paares etwa, welches er vor einiger Zeit betreute. Weil er mit seiner Situation nicht fertig wurde, versuchte sich der Mann einen goldenen Schuss (Überdosis) zu setzen. Glücklicherweise konnte er jedoch in letzter Sekunde gerettet werden. Aus dem Krankenhaus entließ er sich daraufhin selbst und beging auf der Autobahn Selbstmord. Zurück blieb seine Frau, die ebenfalls bereits an einer Sucht litt. Mit Drogen wollte sie den Schmerz zu stillen, bis sie eine Entziehung versuchte. Das Problem dabei war allerdings, dass sobald die Rauschmittel ausblieben, die schlimmen Gedanken an den tragischen Tod ihres Ehemannes wiederkehrten. Die Dame befand sich in einem Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gab.

Wer mit Ben Peter auf der Straße unterwegs ist und seine tägliche Arbeit beobachtet merkt aber schnell, dass viele Betroffene ihren Humor dennoch nicht verloren haben. Gerade wenn die Klienten den Streetworker erspähen beginnen sie zu strahlen. Für sie ist er auch eine Art Zuflucht, er strahlt Sicherheit aus und versucht immer wieder ein paar auflockernde Späße in die Gespräche zu bringen. Nicht nur auf der Straße, auch beim Frühstück, das zweimal die Woche in den Räumen der Caritas Regensburg stattfindet, bemüht sich der Streetworker um eine lockere Atmosphäre. Die Klienten seien schließlich ohnehin schon genug vom Leben gebeutelt.

Dieser Umgang schafft schlussendlich auch die Basis für eine gewaltfreie Zusammenarbeit. Peter ist zu keinem Zeitpunkt provozierend. Sollte es dennoch zu Streit oder Drohungen kommen, versucht der Streetworker dem immer mit dem schlichtenden Gespräch zu entgegnen. Sobald er merkt, dass dies nicht mehr möglich ist, zieht er sich einfach zurück und trägt somit zur Deeskalation bei. Angst strahlt er aber nie aus, denn Schwäche würde ihn Respekt kosten und im schlimmsten Fall auch den Bezug zu den Klienten.

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