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Straßenkunst ist nicht neu in der Domstadt, seit einigen Jahren genießt es sogar ein gewisses Ansehen. Doch in den vergangenen Monaten wendete sich das Blatt. Die Schmierereien häufen sich und drohen den Ruf der Kunst zu zerstören. Viele Fragen sich, was die Sprüher antreibt und was der Sinn hinter den deplatzierten Tags ist. Echte Künstler distanzieren sich währenddessen von den zweifelhaften Schmierereien und sehen sich davon in ein schlechtes Licht gerückt.



Man sieht sie immer öfter: Sogenannte Tags an Häusern, Kirchen, Garagen und Zügen. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt, jedes noch so kleine Stück Fläche eignet sich in den Augen der Sprayer dafür. In der Stadt sorgen die Schmierereien, die meist den Namen des „Künstlers“ in Szene setzen, gerade in letzter Zeit für Unmut. Mit echter Street-Art, die heute sogar die Anerkennung in Regensburg genießt und in zahlreichen Firmen sogar die Hallen schmückt, hat das nur wenig zu tun. Emanuel Jesse, Mitbegründer der 24-Stunden-Galerie und ein gefragter Straßenkünstler, weiß, wieso gerade diese Art des Sprühens oft Anwendung findet: „Tags sind auffällig und gehen am Schnellsten.“

Besonders Häuser- und Kirchenwände stehen dabei hoch im Kurs. Einer der Gründe ist natürlich die einfache Sichtbarkeit für die Öffentlichkeit. Bei einigen Werken spielen aber auch die möglichen Abmessungen eine Rolle. „Viele Graffitis wirken erst ab einer gewissen Größe – size matters“, erklärt Jesse. Dabei agieren die Künstler nicht immer nur alleine, oft wird auch in Gruppen zusammengearbeitet. Dies geschieht aber natürlich meist bei größeren und aufwendigeren Bildern und weniger bei den weit verbreiteten Tags. Wer glaubt, dass es sich hauptsächlich um junge Sprayer handelt, der irrt: „Diesen Sommer war beim jährlichen Jam an der 24 Stunden-Galerie in Regensburg ein holländischer Künstler eingeladen, der bereits 59 ist. Man ist schließlich nie zu alt um mit etwas neuem zu beginnen“, so Jesse.

Die Geschichte der Street-Art geht in Regensburg weit zurück. Die ersten Bilder entstanden laut Emanuel Jesse bereits vor rund 25 Jahren, seither ist die Begeisterung dafür auch in der Domstadt ungebrochen. Die Ursprünge sind auf die späten 80er zurückzuführen, wie sich der Künstler erinnert: „Es ist eine sehr junge Kunstform, die die Möglichkeit bietet, etwas neues zu generieren. Für mich war es auch der Bezug zur Hip-Hop Bewegung und der Austausch mit anderen Künstlern auf Reisen. Die Möglichkeiten mit Hilfe der Spraydose in kürzester Zeit riesige Flächen zu gestalten und im öffentlichen Raum zu Arbeiten. Und natürlich nicht zuletzt der Reiz der rebellischen Attitüde.“

Die Meinungen spalten sich. Graffiti – Kunst oder Sachbeschädigung? „Wenn es so schön ist, dass sich alle freuen, wenn sie es sehen und so schön, dass sich kein anderer traut darüber zu spritzen, um das Schöne zu zerstören – unter diesen Voraussetzungen gilt Graffiti wohl als Kunst“, so Josef Mittlmeier, Dozent am Institut für Kunsterziehung an der Universität Regensburg. Die wenigsten Sprayer jedoch sind auf der verzweifelten Suche nach Aufmerksamkeit. „Vom dämlichen Niveau der  Toiletteninschriften bis hin zu richtig anspruchsvoll gemachten Murals findet man in Regensburg jede Stilrichtung.“

Für Hobbysprüher gibt es schlichtweg zu wenig erlaubte Freiflächen in der Stadt. „Es wäre besser, wenn die regionale Wirtschaft mehr Aufträge verteilt. Das verhindert zwar nicht die Schmierer, die nicht wissen, wohin mit der Wut, aber aufwändig oder besonders originell gemachte Werke haben eine respekteinflößende Wirkung“, erklärt Mittlmeier. „Ich glaube, die sollte man nicht unterschätzen.“ Die Achtung vor der historischen Geschichte der Stadt fehlt bei manchen. Selbst vor denkmalgeschützen Gebäuden machen viele aus der Szene nicht Halt. „Sogar richtig schöne Plätze werden mittlerweile mit Farbkrusten überzogen, die ihrerseits auch keinen Respekt mehr bekommen und unter neuen Tags verschwinden. Das ist ein nicht enden wollender Verdrängungs-Wettbewerb. Um Qualität geht es da nicht mehr.“

Doch was steckt hinter den Tags? „Das taggen ist die Urform des Graffiti, aus der sich dann die Styles (aufwendigere Arbeiten) ableiteten. Das Tag selbst ist ein alter Ego - ein Name, den sich ein Sprayer ausdenkt, da er ja schlecht seinen echten Namen nachts auf eine Wand schreiben kann. Das Tag selbst wird Kalligraphisch anspruchsvoll oder als abstrahierte Schrift umgesetzt. Der tiefere Sinn davon ist eine andere Thematik. Es kann von einem reinen 'I was here'-Gedanken bis hin zu dem Gedanken des Existierens in der Masse reichen. Auch der Aspekt 'Wem gehört der öffentliche Raum?' ist interessant. Natürlich ist es schade in einen Topf geworfen zu werden und daher ist es wichtig, dass man das differenziert beurteilt. Selbst im illegalen Bereich des Graffiti muss man Unterscheiden, worum es sich handelt. Aber es ist schade, dass die hässlichsten und deplatziertesten Dinge die meiste Aufmerksamkeit erhalten.“

Stadt und Szene befinden sich laut Jesse in keinem angespannten Verhältnis zueinander. „Ganz im Gegenteil“, sagt der Künstler. Dies bewies auch die Kooperation bei der 24h-Galerie am Dultplatz. Doch weitere Freiflächen sind nicht zwingend die Lösung des Problems der Schmierereien: „Wer illegal malen will, wird das auch weiterhin machen. Das muss jeder selbst entscheiden. Was sich aber gezeigt hat ist, dass legale Flächen einen positiven Einfluss auf die Qualität der Arbeiten haben.“

Mittlmeier sieht den Konflikt zwischen Stadt und Sprayern sehr wohl als Problem, das es nachhaltig zu lösen gilt. „Die einen wollen ein farbig-frisch saniertes Mittelalter, die anderen möchten lieber „South-Bronx“ - das steht gegeneinander. Die berechtigten Interessen des Denkmalschutzes sind mit den nachvollziehbaren Motiven der jungen Leute schwer zu vereinbaren. Das ist im Grunde ein soziokultureller Konflikt ohne Ausweg. Hier kollidieren zwei unvereinbare Kräfte und Lebensgefühle.“

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