PUR im Interview
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40 Jahre ist es her, als im Keller der Pauluskirche von Bietigheim quasi der Grundstein für ein Stück deutscher Musikgeschichte geschrieben wurde. Ein paar Musiker, die sich zunächst „Crusade“ nannten und Coverversionen schmetterten, waren sich sicher, dass ihr Weg sie ganz nach oben führen sollte. 40 Jahre, fünf Echos und acht goldene Stimmgabeln später sind PUR ganz oben. So hoch wie sie noch nie gespielt haben. In der Gondel auf 2300 Meter erzählt uns Frontmann Hartmut Engler nach dem Gig in Ischgl, warum das alles so kam.
Vier Jahrzehnte und noch immer da – und wie. Hättet ihr Euch das damals im Kirchenkeller zu Bietigheim jemals gedacht?
Nie im Leben. Wir haben auch kein Rezept dafür. Über die Jahre fragten wir uns immer wieder, was wirklich wichtig ist. Auf jeden Fall, dass die Chemie stimmt und die Band ihren Weg gemeinsam geht. Das heißt, man musste das Bandprojekt – oder wie wir manchmal sagen das alternative Lebensprojekt – immer als Nummer Eins betrachten, alles andere wurde dem untergeordnet.
Aber gerade das klingt doch fast unmöglich. Irgendjemand bricht da doch sicherlich mal aus…
Also keiner von uns war längere Zeit im Ausland oder hat irgendwelche abenteuerlichen Unternehmungen in seine Biografie eingebaut. Wir haben alle daran gearbeitet, dass wir als Band Erfolg haben – aber natürlich auch Spaß. Und beides hatten wir – mehr als wir uns jemals vorgestellt hatten. Aber es stimmt schon … anfangs glaubten wir, dass wir damit vielleicht ein paar Jahre erfolgreich sein können, dann aber doch Lehrer werden – was die meisten von uns studiert haben.
Na – das mit dem Lehrerdasein wird wohl jetzt nicht mehr klappen. Dachtet ihr denn nach 40 Jahren nicht mal ans Aufhören?
Eigentlich waren wir schon drauf und dran uns jetzt auf den Goldenen Herbst der Karriere vorzubereiten. Aber im letzten Jahr durch die Sendung „Sing meinen Song“ und durch das wirklich sehr, sehr gute neue Album „Achtung“ ist es uns irgendwie gelungen, in den zweiten Frühling reinzurutschen.
Sahen das die Fans genauso?
Aber Hallo. Wir waren jetzt eineinhalb Jahre wieder auf großer Tour, auf der wir auch Orte besuchten, an denen wir lange nicht unterwegs waren – mit vielleicht hier und da etwas weniger Publikum, dafür mehr Intimität. Das ist schon ein besonderes Schmankerl.
Gibt es einen Ort, an dem Ihr schon immer gern auftreten wolltet?
Wir sind da nicht so wirklich durchgeknallt und waren halt immer da, wo auch unsere Fans waren. Das hier in Ischgl war zum Beispiel das höchste Konzert, das wir je gaben. Passt doch – wir wollten ja immer hoch hinaus – und das haben wir nun auch geographisch geschafft (lacht).
Mit sagenhaften 23.000 Zuschauern war das bei den traditionellen Top of the Mountain Konzerten zum Saisonstart das mit Abstand am besten besuchte. Ihr hattet dabei mehr Publikum als Rihanna, James Blunt, Nickelback oder die Scorpions. Wie erklärt Ihr Euch das?
Neben den traditionellen Opening-Skifahrern kamen viele unserer Fans aus Deutschland, die uns mal in einem anderen Ambiente erleben wollten. Dazu kam, dass wir ganzm ganz lange nicht in Österreich waren. Wir haben da gerade aus der Abenteuerland-Zeit sehr viele Fans. Aber es freut uns ganz besonders, dass es so ein riesen Erfolg war.
Du sprachst gerade die Fans an – die sind ja bei PUR im Gegensatz zu vielen anderen Bands nicht unbedingt in eine Schublade zu stecken.
Aber genau das ist wohl der Erfolg. Diejenigen, die uns früher gut fanden, kommen jetzt teilweise mit ihren Kindern oder gar Enkelkindern. Es ist wirklich aus jeder Altersgruppe was dabei. Und was mich beim Blick von der Bühne echt erstaunte – die sind durch die Bank alle absolut textsicher.
Es sind ja auch einige Hits, die jeder kennt. Von „Lena“ übers „Abenteuerland“ bis zum „Party Mix“ – gibt es Titel, die ihr nicht mehr so gern spielt?
Nicht wirklich. Es ist immer ein Riesenspaß. Die Leute sind ja am feiern, wenn diese Songs kommen. Und manchmal gibt es eine neue Version oder ein Medley, in dem man sieben, acht Songs zusammenpackt und die Titel nicht komplett spielt. Es ist doch eine Menge an Songs, die sich in den Jahren angehäuft haben, die die Leute unbedingt hören wollen.
Dann würde so ein Konzert aber fünf Stunden dauern…
Natürlich überlegen wir immer, wo wir spielen. Dass man in einem Partyort wie Ischgl vielleicht die ganz zeitkritischen oder melancholischen Dinger weglässt ist klar. Weit mehr als die Hälfte der Spielzeit befasst sich aber immer mit dem Gesamtwerk Pur. Das Publikum bekommt alles zu hören, was es unbedingt hören möchte – und natürlich einige Überraschungen. Wir haben aber auch Stücke ausgepackt, mit denen man nicht unbedingt rechnet.
Wie mit „Lichter aus“? Eine fröhliche Nummer, aber eine Art Hymne auf das Flüchtlingsthema…
Ich habe versucht, in die Musik, die mir etwas zu Dancefloor-mäßig rüberkam, noch einen ernsteren Inhalt reinzupacken, damit es nicht zum reinen Partysong wird. Plötzlich war dieses Bild von Lampedusa gegenwärtig, von den Menschen, die dort gestrandet sind. Als ich den Text geschrieben habe, vor über zwei Jahren, war die Situation mit den Flüchtlingen noch nicht annähernd so prekär wie im vergangenen Jahr. Es geht darum, dass wir in Europa eine Party feiern - und viele andere bleiben ausgesperrt. Es ist ein Partysong, der genau diese Dauerpartystimmung kritisiert.
Leider sehen das immer mehr Leute ganz anders…
Ich selber bin Flüchtlingskind. Mein Vater wurde 1945 aus Ungarn vertrieben, meine Mutter aus dem Sudetenland. Damals hat man 14 Millionen geflohene Menschen integrieren müssen, weil es nicht anders ging. Vielleicht müssen wir heute erst an diesen Punkt kommen, wo wir einsehen, dass es eben gehen muss.
Zurück zu Pur - mit was muss man 2017 rechnen?
Nach einem seit Jahren wirklich extrem ruhigen Weihnachtsfest ohne Tourstress werden wir die nächsten Monate ins Studio gehen und an einem neuen Album feilen. Aber ohne Druck, völlig entspannt. Auf der Bühne sieht man uns 2017 leider nur einmal.
Dann aber richtig!
Wir geben seit 2001 alle drei Jahre in der Arena auf Schalke ein Konzert von Pur and Friends. Da laden wir befreundete Künstler ein und spielen zusammen. Am 3. September ist es wieder soweit. Mit dabei ist unter anderen Xavier Naidoo, mit dem wir dann zum ersten mal zusammen live unseren gemeinsamen Song „Wer hält die Welt“ performen werden. Mit dabei ist Andreas Bourani, der gerade mit seinem Talent Tay „Voice of Germany“ gewann. Mit dabei sind auch noch viele viele mehr. Das wird unser großes Jahreshighlight.
Welchen Wunsch steht noch auf Eurem Zettel?
Ich hab mir unbedingt mal Sir Paul McCartney für unseren großen Gig auf Schalke gewünscht. Ein zugegeben verwegener Plan. Diesesmal klappt es nicht, aber ich bleibe dran, damit dieser Wunsch irgendwann in Erfüllung geht.
Also kann man sagen, dass ihr völlig zufrieden ins Jahr 2017 und damit ins 41. Jahr Pur geht?
Wir hatten ein tolles Jahr, mit einem wirklich krönenden Abschluß in Ischgl. Darauf stoßen wir jetzt auch bei einem lustigen Hüttenabend an. Denn wir haben das geschafft, was wir immer wollten – wir haben uns als Gruppe eine dicke Freundschaft beibehalten. Alle Mann in einer Gondel.