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Kaum eine andere Kunstfigur steht mehr für Witz, Toleranz und Weltoffenheit als Drag. Mit ihren provokanten Outfits, ihren trashigen Sprüchen und ihren frivolen Charme locken sie ihr Gegenüber aus der Reserve, um ihnen im Anschluss den Boden unter den Füßen zu entziehen. Aber keine Angst: „Die wollen nur spielen, könnte man sagen.“ Dabei steckt viel mehr hinter der pompösen Fassade als man denkt. Mal paradisisch trashig, mal entwaffnend charmant, aber immer frivol scharfzüngig – Wir haben Regensburgs Drag Queen Cherry OnTop interviewt.

Was ist Drag und woher kommt Drag überhaupt?
Drag bedeutet „dressed as a girl“ – schon Shakespear hat in seinen Bühnenanweisungen an den Rand „drag“ geschrieben, wenn ein Mann als Frau verkleidet die Bühne betreten sollte. Bekannt wurde Drag vor allem durch RuPauls Drag Race in Amerika. Heute ist Drag eine weltweit aufblühende Kunstform, jeder kennt wohl Lilo Wanders oder Conchita Wurst.

Weshalb sind die Outfits von Drag Queens immer so markant provokant?
Wenn ich zum Beispiel als normales Mädchen auftreten möchte, dann zieh ich mir einfach ein Kleidchen an, fall aber nicht auf... Das ist aber nicht der Sinn von einer Drag Queen. Drag ist eher „bam, in your face“. Ich habe auch nicht den Anspruch wie eine Frau zu wirken. Jeder soll bewusst sehen, dass es sich um keine natürliche Frau handelt – da grenzt sich Drag klar von Transsexualität ab. Es soll schon einen humoristischen, überspitzen, satirischen Anspruch haben – Drag ist eben eine Kunstform – kein Geschlecht.

Wie kamst du zu Drag?
Weiberfasching 2013 hatte mich ein Kumpel gefragt, ob wir uns nicht als Frauen verkleiden sollen. Damals kannte ich auch schon RuPauls Drag Race und ich dachte mir nur: „Hmm, könnte ganz witzig werden.“ Und das war dann auch eine Mordsgaudi, wir haben jeden unterhalten und es gab keinen, der nicht gelacht hatte, und das fand ich super und bin drauf hängen geblieben. Leuten mit schnippischen Kommentaren die Leviten zu lesen, genieße ich einfach – dabei ist das alles auch nie ernst gemeint. Und wenn doch, nur ein kleines bisschen...

Wie ist dein Künstlername entstanden?
Für meinen Künstlernamen hab ich sehr lange gegrübelt. Irgendwann kam mir mein Opa wieder in den Sinn. Der war ja schon bei meiner Geburt nicht sonderlich begeistert, dass meine Eltern mich Kevin nannten und mein Coming-Out war dann auch etwas viel für ihn. Er meinte nur: „Was muss ich denn noch alles mitmachen“, und da kam mir dann die Idee für eine Hommage: eine Kirsche oben drauf – Cherry OnTop!

Was heißt Drag für dich?
Drag bedeutet, dass man einen Mann nicht mehr als Mann erkennt, das natürliche Geschlecht löst sich quasi vollkommen auf. Was übrig bleibt, überschreitet die Grenzen der Vorstellung von Geschlechtern und Geschlechterrollen. Drag gibt einem die Möglichkeit, mit bissigem Witz mit Klischees und Vorurteilen von Männern und Frauen gleichermaßen zu spielen. Mit Zynismus etwas Positives zu erreichen, kann einen unglaublich befriedigen. Als Drag ist mein Repertoire auch nicht beschränkt. In gewisser Weise ist Drag dafür da, mit den Schwulenklischees aufzuräumen und eventuelle Berührungsängste abzubauen. Humor kann schließlich unglaublich entwaffnend und enthemmend wirken. Als Drag Queen habe ich es z.B. schon mal geschafft einen Heterosexuellen auszuziehen. Das hätte ich als bürgerlicher niemals geschafft... Die Leute wissen einfach, dass es ein Witz ist.

Was ist dein Ziel in Drag?
In erster Linie geht es mir darum, die Leute zum Lachen zu bringen. In der leistungsorientierten Gesellschaft gibt es nur Stress, Frust, Termine und Hektik – Albernheit und Comedy gehen im Alltag ganz gerne unter. Aber nicht mit Cherry OnTop! Lach über sie, lach mit ihr – scheiß egal – Hauptsache du lachst!

Wie kreierst du deinen CherryOnTop Look?
Ich lass’ mir bei meinen Outfits relativ wenig vorschreiben. Bei der letzten Candylicious war das Motto Circus und ich kam als Schlumpfine. War also auch von oben bis unten blau angemalt. Aber es gibt immer ein Thema oder Motto bei meinen Outfits. Inspiriert sind sie meist von krassen Farbmischungen, vielen Federn und Glitzer. Mein Motto: „Wenn nichts glitzert – schleich dich!“

Wie viel Cherry OnTop bist du im Privaten?
Da gibt’s eigentlich nicht viel Unterschied. Ich rede gerne Scheiß und bringe gerne Leute zum Lachen. So gesehen bin ich als Cherry OnTop nicht viel anders als ich als Kevin bin. Nur, dass ich als Cherry OnTop übertreiben kann, ohne dass es mir peinlich ist oder es mich angreifbar macht. Das ist ein positiver Nebeneffekt als Drag.

Wo kann man dich so treffen?
Eigentlich trifft man mich auf jeder CANDYLICOUS oder Happiness-Party und am Weiberfasching. Außerhalb bin ich eigentlich weniger als Cherry OnTop unterwegs. Zum einen sind die Outfits schon sehr kostspielig – auch wenn man das jetzt nicht so denken würde. Ich würd das alles schon gern mehr aufbauschen, doch reicht die Zeit dafür leider nicht aus – schließlich hab ich noch ein anderes Leben, wobei ich schon ein Stand-up Comedy Programm à la Monika Gruber plane. Dennoch bleibt ein Treffen mit Cherry OnTop so etwas wie Weihnachten – es soll einfach was Besonderes bleiben.

Was ist Candylicious – LGBT & FRIENDS?
Candylicious ist im Endeffekt wie jede „Homoparty“ eine Party für alle. Jeder kann so sein, wie er ist ohne sich verstellen zu müssen. Es ist ein Ort, wo jeder damit klar kommt, wenn ein Mann einen Mann anflirtet oder eine Frau eine Frau. Keine Ahnung, ich hab auch eine Freundin, die auf jeder „Schwulenparty“ zielstrebig den einzigen Hetero findet und den dann abschleppt. Es ist ein Ort, wo du frei sein kannst und bedenkenlos feiern kannst. Und mit bedenkenlos meine ich, dass du dir keine Gedanken machen musst, wenn du einen Mann knutschst. Eigentlich ist eine Gesinnung, ein Ort der Freiheit, der Vielfalt. Genau das, wofür die Regenbogenflagge steht.

Was erwartet Heteros auf Schwulenpartys?
Kommt drauf an, wie er aussieht. (lacht) Aber prinzipiell dasselbe wie auf jeder anderen Party: Man soll Spaß haben, den Abend und sein einzigartiges Feeling genießen. Eine Freundin von mir meinte z.B., dass es auf Schwulenparties deutlich besser riecht. Heten-Feten stinken nach Schweiß – hier riecht es nach Parfum. Zum anderen fühlt sie sich auf Pride-Partys allerdings sicherer und muss keine Angst haben, ständig von Männern angegrabscht zu werden. Aber auch als Mann muss man sich keine Sorgen machen und den ganzen Abend mit dem Arsch an der Wand stehen, nur weil er Angst hat angeflirtet zu werden. Ich meine, Heteros anzuflirten, ist zwar ein ganz besonderer Spaß, aber im Endeffekt ist es nur ein Scherz. Man kann es auch als Kompliment sehen und wenn jemand lustig, locker reagiert, hat er ein paar neue Freunde für den Abend gefunden. That’s it... Die nächste Chance gibt’s übrigens am 12. Mai 2018 im Parkside. Da lohnt es sich gleich doppelt und dreifach – nicht nur wegen den sexy Gogo-Tänzern, sondern wegen dem besonderen Motto: #SayNoToHate.

#SayNoToHate?
Ich weiß nicht, ob das alle mitbekommen haben, aber eigentlich wollten wir im Mischwerk feiern. Als wir erfahren haben, dass einen Tag vor unserer Pride-Party in derselben Location jemand auftritt, der mit Songs wie „Another Level“ und “Man Ah Bad Man“ zum Mord gegen Homosexuelle aufruft, waren wir echt fassungslos. Dem Mischwerk wollen wir gar keinen Vorwurf machen, die haben wohl einfach nicht gut genug recherchiert, wer die Halle gebucht hat… Was uns so hart getroffen hat, ist, dass es überhaupt noch Personen gibt, die den Hass und ihre menschenverachtende Gesinnung auf die Bühne bringen und zur Gewalt aufrufen. #SayNoToHate ist unsere Antwort auf Homophobie und Hass im Allgemeinen. Und wie kann man besser gegen Hass vorgehen, als Toleranz zu feiern?

Wie interpretierst du #SayNoToHate. Auf was bezieht sich dieser Hashtag?
Prinzipiell bezieht sich dieser Hashtag auf jede Form des Hasses, der Gewalt oder Anfeindung. Aufgrund der ganzen Bounty-Killer–Thematik hat es seinen Ursprung lediglich in der Sexualität gefunden. Wir haben aber recht schnell gemerkt, dass das Problem nicht am Konzert an sich liegt, sondern an der Gesinnung dahinter. Es geht nicht darum, wer du bist oder darum, sich irgendwie zu positionieren… egal ob Hete oder Homo. Man muss auch nicht gegen das Konzert sein, oder für ein Einreiseverbot von Bounty-Killer, sondern lediglich gegen seine Gesinnung. Wieso? Weil du ganz einfach gegen Hass bist. Letztendlich geht es dem Hashtag um die Ungerechtigkeiten auf der Welt, die aufgrund einer Kategorie geschehen, die eigentlich völlig irrelevant für Hass sein sollten. Und das ist der Kern von #SayNoTohate. Du musst niemanden anfeinden, nur weil er so ist, wie er ist. Und dass das Thema größer ist, darauf sind wir erst im Nachhinein gekommen. Es beschränkt sich nicht auf die Sexualität, sondern bezeiht sich ebenso auf die Hautfarbe, Herkunft oder Religion – jede Kategorie, mit der man jemanden diskriminieren könnte, zählt dazu.

Im Grunde genommen geht es also um Verständigung und Toleranz?
Klar, ich werde nie jemanden vorschreiben können, was er zu denken hat. Und wenn ich an einer Gesinnung etwas ändern möchte, dann erreich ich das weder durch Protest noch durch Verbote, sondern immer nur durch Verständnis. Ich kann nur versuchen, ihn über Vergleiche zum Umdenken zu bewegen. Ich bin mir sicher, dass Bounty-Killer schon mal angefeindet wurde, weil er schwarz ist. Wieso feindet er mich also an, weil ich schwul bin? Nur wenn wir alle Verständnis und Toleranz für unsere grundlegenden Unterschiede entwickeln, können wir den Hass langfristig aus unseren Köpfen verbannen.

Was sagst du zu Personen, die mit Anfeindungen und Homophobie zu kämpfen haben?
Also für diejenigen die Betroffen sind, ist es A wichtig sich ein dickes Fell zuzulegen, B immer ein paar gute Sprüche drauf zu haben, C scheuen soll, dass man gute Freunde hat, an die man sich wenden kann und D, ganz wichtig ist auch psychologische Hilfe. Mobbing ist immer noch ein ernstes Thema, vor allem in der Cyber-Zeit. Man hat unglaublich schnell einen Shitstorm an der Backe, ohne dass man etwas getan hat.

Hast du selbst negative Erlebnisse mit Homophobie gemacht?
Im Privaten schon, Mobbing war während meiner Schulzeit schon ein großes Thema. Als Cherry OnTop noch nicht. Das finden die Leute eigentlich immer recht gut. Bis jetzt habe ich nur positive Resonanz gehabt. Ich hoffe, dass #SayNoToHate ebenso viel positive Ressonanz erzeugt.

Was ist deine wichtigste Nachricht als CherryOnTop an die Welt?
Nehmt Euer leben nicht so ernst, lacht mehr und seid nett zu einander. Ihr wollt ja auch, dass die Leute nett zu euch sind. Also genau, dass was #SayNoToHate auch aussagt. Und vielleicht noch: follow me on Instagram: @Ch3rry.OnTop (zwinkert).

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