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Wie viele andere Berliner auch hat Fritz Kalkbrenner in den letzten 15 Jahren viel Zeit in sehr dunklen und sehr lauten Clubs verbracht. Aber es gibt nur Wenige, die aus dieser scheinbaren Freizeitbeschäftigung so viel Nutzen für sich und andere gezogen haben wie Fritz Kalkbrenner. Ab und zu trägt er sein Schaffen nach draußen ins Sonnenlicht zu Festivals – wie auch als Headliner beim traditionellen Zuckerbrot & Peitsche Festival am 27. und 28. Juli in Regensburg.

Mit seinem fünften Album setzt Fritz Kalkbrenner einen Schnitt. Nach dem großen Aufbruch nun die stille Heimkehr: Wollte Fritz Kalkbrenner sein Publikum mit „Grand Départ“ noch irgendwo zwischen ZDF-Fernsehgarten und Friseur-Discounter abholen, markiert „Drown“ einen Schritt zurück zu den Wurzeln. Das heißt, dass sich Kalkbrenner so minimalistisch wie nie zuvor gibt: Zum ersten Mal kommt ein Album von ihm ohne seine Stimme aus. Er macht sich frei von dem Song-Ansatz, mit dem er bekannt wurde und schwelgt in der klangverliebten House Music, die er als junger Mann in der Clubszene Berlins entdeckte. Selbst die Tracktitel müssen mit maximal fünf Buchstaben auskommen.

Mit Hitsingles wie ‚Get A Life’ oder ‚Back Home’ hat Fritz Kalkbrenner in den letzten Jahren unser modernes Verständnis von elektronischer Musik mitgeprägt. Nach ‚Sky and Sand’ zusammen mit seinem Bruder Paul und vier erfolgreichen Alben, von denen die letzten beiden die Top 10 der deutschen Albumcharts erreichten, wendet sich der musikalische Blick von Fritz Kalkbrenner in eine andere Richtung. Es gibt auf diesen zwölf Tracks keine Konventionen und manchmal auch kein Halten mehr; Fritz Kalkbrenner lässt sich gehen in der Faszination für Dub Techno, für klare dominante Housestrukturen oder auch in feinen hymnischen Melodien, die aus so manchem Titel des neuen Albums herausscheinen.

Warum verzichtest Du bei „Drown“ komplett auf Deine Stimme?
Nach „Grand Départ“ hab‘ ich gemerkt, dass ich auf so einer Art Hochplateau angekommen bin. Das funktioniert alles, das kann man alles machen, das kann man auch wiederholen, die Handgriffe sitzen, das ist bekannt. Dann ist natürlich die Frage, was macht man, wonach greift man? Man hat ja auch so ‘nen gewissen Herstellungshunger, so ‘nen Drang, neue Sachen zu machen.

Fiel es Dir schwer, ganz auf Deine Stimme zu verzichten?
Das nicht, ne überhaupt nicht. Ne, es ist einfach dieser Umstand, das nervt so ‘n bisschen. Man würde gern ‘nen frischeren Ansatz vielleicht wählen, weiß aber nicht genau, welcher das ist und wo man den hernehmen soll und das ist natürlich frustrierend. Die elektronische Musik ist so mannigfaltig und bietet so viele Möglichkeiten. Es ist also nicht unbedingt die Frage, warum ich diesesmal darauf verzichtet habe. Legitimer wäre eher die Frage, warum hat’s das auf den vier vorangegangenen Alben überhaupt gegeben?

Musst Du in irgendeiner bestimmten Stimmung sein, um neue Songs zu machen?
Ich brauche da gar nicht. Es gibt Künstler, die das anscheinend brauchen. Die müssen traurig im Studio sein, um Trauriges zu produzieren. Aber vielleicht reicht es ja auch einfach, wenn man mal was Trauriges erlebt hat? Ich glaube, das ist eher, wenn man mit fortschreitendem Alter so ein Sammelsurium an Lebenserfahrung sich zurechtlegt. Das wird dann so ‘n erdschweres Gewicht, so ‘n Ziegelstein, den man im Bauch mit sich umherträgt. Einfach gewisse Kenntnisse. Und „abrufen“ klingt jetzt ‘n bisschen kühl, dass man das so im Studio und dann sagt der da „so, jetzt such‘ ich da irgendwo im Kämmerlein des Herzens such‘ ich jetzt nach der Schatulle, mach die auf“, so ist es nicht. Es gibt ja lustige Leute, die viele traurige Sachen schreiben oder sehr traurige, die ganz lustige Sachen schreiben. Und ne, dieser Bedarf, jetzt irgendwie mich da situativ reinzugeben, das muss nicht sein. Ich muss jetzt nicht ‘nen schlechten Tag haben, um ‘ne traurige Nummer zu machen (lacht).

Aber du bist ja nicht nur dieser Happy-happy-Typ sondern es gibt genügend Tiefe in Deinen Projekten….
Ja, dem kann man sich auch nicht erwehren, wie’s Leben eben so ist. Tja, es ist ja nicht alles einfach. Wissen wir ja. Da muss man sich ja nicht zu hoch hängen, aber sich auch nicht zu tief verkaufen. Also ist nicht alles schlimm, ist aber auch nicht alles gut. Und zumindest in meiner Sozialisierung war zumindest House und Techno immer ‘ne sehr melancholische Sache. Dieses Genre wurde einst in Detroit ja nicht aus Spaß geboren.

Wie hat sich die Technoszene in den letzten Jahren verändert
Sie ist größer und breiter geworden - zumindest was hier in Berlin geht - natürlich auch kosmopolitischer. Das sind alles ganz tolle Stempel, die man so auspackt. Es gab mal ‘ne Zeit, da war das alles heterogener, durchmischter. Und heute haben die alle Hochwasserhosen in Schwarz an und so komische Haarschnitte. Ein wenig mehr Heterogenität wäre schön, vor allem auch in den Clubs. Man stelle sich vor, man käme her und könnte kein Englisch. Wär man ganz schön am Arsch, was? Ja, schwierig.

Fühlst Du Dich und Deine Texte auch immer richtig verstanden?
Sichtweisen auf musikalisches Schaffen können sehr unterschiedlich sein. Der eine sagt „ganz toll, der Kontrapunkt, hat mich das berührt, find‘ ich ganz toll“ und der andere sagt „das rockt aber nur“ . Beide Sichtweisen sind aber durchaus legitim. Und von daher sag‘ ich da jetzt auch nicht, oh, da fühl‘ ich mich jetzt aber missverstanden. Das ist so als Künstler, wenn ich die Oberhoheit über mein Schaffen behalten möchte, dann darf ich nichts veröffentlichen. Dann, wenn ich sagen würde, ich hab ‘ne ganz genaue Vorstellung, wie dies und jenes ist - dann muss das in der Schublade bleiben. Weil sobald du das veröffentlichst, ist es in der Welt und jemand anders sagt, „ich seh‘ das ganz anders! Ich hab ‘ne ganz andere Assoziationskette dazu“ und ich kann dann – im besten Falle kann ich sagen – „du ich, hier mit dem großen Zeigefinger des Erschaffenden, sage dir ne, ne, es geht, genau das hier habe ich gemeint und nichts anderes und du bist falsch und so“. Ist, finde ich, nicht zulässig. Deswegen habe ich zum Beispiel auch nie so Interpretationshilfen für jetzt zum Beispiel Textinhalte von mir gegeben oder so, wo ich dann sage worum geht’s denn. Musst jeder für sich selber raus finden. Der eine sieht’s so, der andere so.

Was gibt Dir die Freiheit, Neues zu wagen?
Manche unken, Erfolg gibt einem Recht. Also es war, es gab ja ‘n sehr großes und gutes Echo auf die vorangegangenen Alben und auch das ist jetzt nicht schlecht. Wir sind damit jetzt in den Top 30. Hätte ich jetzt nicht gedacht, dass es klappt sowas, weißt du mit so ‘ner rein ….(?) Technoplatte. Vielleicht sind, durch die Möglichkeiten der Vorschusslorbeeren, es kommt ja drauf an, ob der Zuhörer, wie sehr der schon verschlossen im Herzen ist oder wie offen der so ‘ner Sache gegenüber steht. Jemand, der noch nie gemocht hat, was ich gemacht hab‘, der wird jetzt das auch nicht toll finden. Und aber wenn jemand vorangegangene Sachen schön fand, sagt der so „ok, ich bin eigentlich nicht für sowas geschaffen, normalerweise, aber ich geb‘ der Sache zumindest ‘ne Chance.

Wie kommt ein Gemälde Deines Großvater aufs Cover des Albums?
Weil auch bei allen vorangegangenen Alben, den vieren, war das immer sozusagen in der Coverauswahl war das immer sehr prominent und präsent ich als Person und so. Was ja auch als identitätsstiftende Funktion so Sinn macht. Der Gedanke war da, ‘nen Fotografen zu holen, der dich dann ablichtet und daraus wird dann ‘n Cover gebaut. Und dann war da diese Idee , die man dann ja auch erstmal beim Label zumindest anmoderieren oder logisch verteidigen muss. Es ist ja ein ganz tolles Gemälde und ist auch sehr elegisch und auch stürmisch wild umtost. Ich fand es sehr gut programmatisch zum Titel.

Wie kam es zum Titel „Drown“?
Der Titeltrack ist schon sehr tief verspuhlt und somit entsteht dann auch die Assoziationskette „drown“, ne? Also „im Sound ersaufen“. So ist das ungefähr angedacht. Und das ist einfach sehr exemplarisch. Das war genau das, wo wir gesagt haben, das passt wie Arsch auf Eimer.

Was hätte der Opa dazu gesagt?
Der hätte wahrscheinlich einfach nur gesagt „warum nimmst du denn das her? Hab‘ doch viel bessere!“ Wer weiß, ob es OK gewesen wär‘. Bestimmt hätt‘ er auch reiner Gehässigkeit gesagt: „Ne, da musst Du Dir ein anderes Cover suchen!“

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Fritz Kalkbrenner ist der Headliner beim bei Zuckerbrot & Peitsche Festival am 27. und 28. Juli 2018 auf Schloss Pürkelgut in Regensburg. Tickets für das Fest aller Feste gibt es unter http://www.zuckerbrotundpeitsche.eu/!

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