Leder. Holz. Metall: Genau so muss es in einer Lederwerkstatt riechen. Und nach wenigen Worten mit dem neuen Werkstattinhaber wird klar, was Jonas Mumm dazu bewegt hat, Leder in praktische und modische Produkte zu verwandeln. Denn dem Moment, in dem die Nadel durch das dicke Leder dringt, wohnt etwas Magisches inne – auch heute noch.
Der Eintritt in die Manufaktur von Jonas Mumm gleicht einem Sprung in eine andere Welt. Umgeben von Leder jeglicher Art, Schnallen und Werkzeugen in den verschiedensten Formen und Farben, lebt Mumm einen lang ersehnten Traum. Dennoch stellte die Übernahme des traditionsreichen Ladens der ehemaligen Besitzerin Christa Lärm einen mutigen Schritt dar, den nicht viele Akademiker mit Ausblick auf einen vermeintlich sicheren Arbeitsplatz wagen. Doch Mumms Herz brennt für das Lederhandwerk – Grund genug seinem erfolgreich absolvierten Architekturstudium den Rücken zu kehren.
Kreativ war der Handwerker schon immer und das Zeichnen gehörte von klein auf zu seinen Leidenschaften. Geerbt hat er seinen kreativen Kopf und das Auge für die erhabenen Dinge sowohl von seinem Großvater als auch von seinem Vater. Beide schon hatten ein Händchen für das Schöne und sammelten Stücke wie die rustikale Werkbank, die vor anderthalb Jahren einen neuen Platz in der Werkstatt von Jonas gefunden hat. Dieser Blickfang, der an die Werkstätten von italienischen Künstlern der lavorazioni artigianali der römischen und florentinischen Handwerksgässchen erinnert, gehört mittlerweile zu seinen Lieblingsplätzen. Hier näht und entwirft Jonas seine neuen Lederkreationen. Aus dem anfänglichen Hobby wurde ein Handwerk, das nur noch wenige beherrschen. Was mit einen schnellen Blick in ein Fenster eines römisches Handwerksbetriebs begann, war für Mumm der endgültige Impuls in die Selbstständigkeit: „Dem Werkstattmeister bei der händischen Näharbeit zuzusehen, vermittelte mir eine tiefe und unglaubliche Ruhe und Zufriedenheit. Und mir wurde klar: Genau so möchte ich auch arbeiten.“ Bei der Arbeit stören, wollte er damals nicht. Ein Umsehen im Laden genügte ihm, um festzustellen, welchen beruflichen Weg er wirklich einschlagen wollte.
Das Wissen um die verschiedensten Arten von Leder, deren Herstellung und Verarbeitung hat er sich allerdings selbst beigebracht. Wobei ihm die Zusammenarbeit mit anderen Handwerkskollegen, wie dem Maßschuhmacher Jürgen Huber aus dem Minoritenweg, ihm als „Erste Hilfe“ gereichte. Als sich dem versierten Autodidakt die erste günstige Gelegenheit bot, sich in diesem Bereich selbstständig zu machen, griff er sofort zu. Auch wenn es Ungewissheit bedeutete; zu groß war der Wunsch, mit den eigenen Händen Dinge zu erschaffen, die länger halten als die Produkte der großen Ketten. Nachdem er im September 2016 „Leder Lärm“ übernommen hatte, gab es auch alsbald einige Veränderungen. Das ehemalige Schuhmacherbedarfsgeschäft mit integriertem Lederhandel hat sich zu einer kleinen Manufaktur verwandelt, in welcher es – zum Glück für einige Kollegen aus der Innenstadt – immer noch einiges an Zubehör und Material zu finden gibt.
Auch hat Mumm das alte Lederregal an seinem gewohnten Platz belassen. Der Kunde soll schließlich freien Blick auf die Auslage haben. Unmittelbar daneben repariert und schafft Jonas seine Lederarbeiten – ganz nach dem Konzept einer offenen Werkstatt. „Hier, direkt vor dem großen Schaufenster, ist das Licht besonders gut für feine Näharbeiten“, erzählt Mumm. Somit sieht man Mumm schon während des Vorbeigehens als lebendig gewordenen Teils seines Ladens – tief in seine Arbeit versunken, Stich für Stich ganz traditionell mit Nadel und Faden arbeiten. Damit sich Jonas seinen Aufträgen auch in aller Ruhe widmen kann, beginnt er bereits früh morgens, noch bevor die Türe für die ersten Kunden geöffnet wird. Zu dieser Zeit erinnert Mumms Manufaktur durch das sanfte rhythmische Rattern der sich stetig durch das Leder arbeitenden Nähmaschine wohl auch an so manche vergangene Stunde in Großmutters Arbeitszimmer. „Qualitätsarbeit braucht viel Ruhe, Geduld und Zeit – dafür hat man dann aber auch etwas Hochwertiges von Dauer“, schwärmt Mumm. Denn auch für ihn stellt das Handwerk einen zeitlosen Gegenentwurf zur unpersönlichen Kettenproduktion dar.
Beim Durchqueren seiner Werkstatt ergibt schließlich alles ein perfektes Bild. Jeder Gegenstand besitzt seinen eigenen, ihm zugestandenen Platz: Die Werkbank, die Schnallen, die unzähligen Materialien – wie die Symbiose einer gut geführten Naht im weichen Leder. Die zahlreichen schmucken und historischen Maschinen und Werkzeuge vollenden Mumms Bild einer liebevoll zusammengestellten Manufaktur, wie er sie damals in den italienischen Straßen kennengelernt hat. Dabei gereichen ihm die alten Maschinen auch zum handwerklichen Vorteil: So seien diese nicht nur weniger störanfällig, sondern verliehen ihm durch das Kurbeln mit der Hand und das Treten des Pedals ein viel besseres Gespür – Präzision ist im Handwerk eben ein Muss. Die alten Kupplungsmotoren hat Jonas jedoch durch leisere Servomotoren ersetzt: „So kann ich konzentrierter arbeiten. Was für die Weiterverarbeitung des pflanzlich gegerbten Leders auch immens wichtig ist.“ Dieses verarbeitet er anschließend nicht nur zu Nutzgegenständen. Denn die Kreativität selbst spielt bei der Umsetzung individueller Ideen und Wünsche seiner Kunden die Hauptrolle. Wenn man sich die Ergebnisse alter und neuer Stücke ansieht, wird schnell klar, was die Kunden an seiner Arbeit besonders schätzen. Es ist seine schlichte Eleganz, mit der er den Lederwaren neues Leben einhaucht. Sei es auch nur ein Ledergriff für ein restauriertes Fahrrad oder eine einfache Ziernaht auf einer Geldbörse. Die persönliche Note als auch die Finesse sind nie zu übersehen – jedes Stück aus Mumms Manufaktur überzeugt und übertrifft die Wünsche und Ideen seiner Kunden.
Dennoch bleiben es die eigenhändig hergestellten Ledergürtel, die es seinen Käufern angetan haben. Hier stimmen nicht nur jede Naht und jeder Schnitt, sondern vor allem die Qualität der verwendeten Materialien sowie deren Langlebigkeit. Und gerade letztere ist der Kundschaft wichtig – ein Qualitätskriterium für das Mumm gerne einsteht. Um dies auch in Zukunft zu garantieren, plant er bereits die eigene Herstellung und Gerbung seines Leders. Qualität und Nachhaltigkeit beginnen bei ihm bereits bevor die Haut zum Leder wird. Über diese Feinheit hat er sich schon gemeinsam mit seinem sehr guten Freund, Christoph Mandl, Gedanken gemacht. Mit der gemeinsamen Gründung von „Thann“, einem Label, das für Produkte aus nachhaltigem und qualitativ hochwertigem Leder einsteht, haben die beiden Jungunternehmer den Startschuss für ein Herzensprojekt gegeben und einen weiteren (wenn auch unsicheren) Schritt in Richtung Zukunft gewagt. Für Mumm und Mandl steht der altdeutsche Begriff „Thann“, der im ursprünglichen Sinn eine Ansammlung verschiedener Baumarten bezeichnete, für das Pflanzliche und Ökologische. Denn pflanzlich soll auch die zukünftige Gerbung der wohlbedacht ausgesuchten Rohstoffe sein. Dabei sei die Gerbung mit pflanzlichen Mitteln nicht nur umweltschonender, sondern auch besser für die Weiterverarbeitung, erklärt Mumm. Mit dem neuen Label will er hochwertige Produkte herstellen und sich zugleich für die ökologische und ethnische Erzeugung der Rohstoffe verantwortlich zeigen – eine Herzensangelegenheit eben.
Einmalig in der Region entsteht deshalb mit „Thann“ die Kollaboration mit einem Biorinderhof. Die Tiere leben hier in einer ganzjährigen, stressfreien Weidehaltung. Christoph Mandl und Jonas Mumm setzen sich dabei für die Vervollständigung eines Produktionszyklusses ein: Nach der Schlachtung folgt die Weiterverarbeitung der Tierhaut in Form des pflanzlichen Gerbens. Mit dieser Idee initiieren die Beiden ein zukunftsorientiertes, wohl durchdachtes und wertvolles Produkt. Aus dem Leder sollen bald schon in größeren Mengen Handarbeiten wie Geldbörsen, Taschen, Ledergriffe, Gürtel und noch vieles mehr hergestellt und verkauft werden. Die Schnallen der ausliegenden Gürtel wurden dabei speziell in Italien aus massivem Messing gegossen. Einige Probestücke liegen schon im Schaufenster bei „Leder Lärm“ aus und lassen sich beim Bummeln begutachten. Wer sich von der Qualität und Verarbeitung genauer überzeugen will, kann das direkt im Laden tun.
Dass ein Zusammenkommen kreativer Köpfe zu wichtigen Erneuerungen innerhalb einer Jahrhunderte alten Handwerkstradition führen kann, zeigt ein weiteres Projekt, an dem Jonas mitwirkt. Ein Projekt, bei dem sich verschiedenste Handwerkszünfte gegenseitig zuarbeiten, um von einander zu profitieren: Wie auch Jonas bieten die beiden lokalen Goldschmiede Lisa Gerl und Stefanie Knörnschild im FEINGOLD aus der Kramgasse ihre eigenen Kreationen an. Jedes Schmuckstück ein handgemachtes Unikat. Für diese Unikate stellt Jonas Mumm nun die Schmuckunterlagen in den Vitrinen her. Ausgestellt werden die Schmuckkreationen anschließend auf einer handgefertigten Holztheke, hergestellt vom vierten im Bunde, Schreinermeister Schrödinger aus Zeitlarn, der die Läden FEINGOLD und Leder Lärm mit eingerichtet hat: „Holz muss lebendig bleiben und Auge und Hand schmeicheln“, sagt er. Und ebenso verhält es sich mit den Gold- und Lederwaren aus Leder Lärm und FEINGOLD. Denn für alle vier gilt: Erst wenn Design, Zweckmäßigkeit, Haltbarkeit und eine hochwertige Verarbeitung stimmig miteinander verknüpft sind, war ihre Arbeit erfolgreich. „Qualitätsarbeit“ fürs Leben – dafür stehen die jungen Herzbluthandwerker mit Leib und Seele ein.
Mit Herz und Verstand zu arbeiten, fachliche Kompetenz und technische Versiertheit miteinander zu verbinden, dafür steht das Handwerk seit Beginn seiner Entstehung. Mit ihrer Arbeit möchten Handwerker wie Jonas Mumm nicht nur die Lebensqualität der Kunden erhöhen, sondern auch die immer knapper werdenden Ressourcen schonen und sichern. Das Regensburger Handwerk denkt eben weiter!