Eine bundesweite Fußball-Liga für Kinder mit geistiger Beeinträchtigung? Das klingt zunächst wie eine nicht stemmbare Aufgabe, doch ihr Durchbruch könnte in nicht allzu ferner Zukunft in greifbare Nähe rücken. Mit viel Herzblut, Spenden und abertausenden Stunden ehrenamtlicher Arbeit hat sich binnen 7 Jahren aus einer Idee zweier Idealisten ein Projekt nationalen Ausmaßes entwickelt: Der Bananenflankenliga e.V. mit über 500 aktiven Spielern an 16 Standorten.
Auch wenn wir alle gemeinsam auf dieser Erde leben, haben nicht alle Menschen das Glück, gesund in diese Welt geboren zu werden. Der Schock sitzt tief, wenn den Eltern vom Arzt mitgeteilt werden muss, dass ihr Kind wohl nie in der Lage sein wird, ein „normales“ Leben zu führen; geschweige denn, sich selbst zu versorgen. Und vor allem Kinder mit geistiger Beeinträchtigung bedürfen nicht nur der besonderen Zuwendung, sondern auch spezieller Rahmenbedingungen, um sich in einer Gesellschaft wohl zu fühlen, in der Leistung- und Profitmaximierung die Menschlichkeit weit hintenanzustellen scheint.
Ein Platz in der Gesellschaft
Jahrelang haben sich die staatlich anerkannten Heilerzieher und Gründer des Teams Bananenflanke und der Bananenflankenliga Ben Rückerl und Stefan Plötz unzähligen Kindern mit geistiger Beeinträchtigung in einer Regensburger Einrichtung angenommen. Im Laufe ihrer Arbeit wurden sie jedoch mit der gängigen Praxis unzufrieden, dass es bei veranstalteten Fußballturnieren immer nur Sieger gab. Nicht nur weil die Kinder das selbst nicht verstanden, sondern auch weil sie durch das stetige Vermeiden von Niederlagen in ihrer ohnehin mühsamen Entwicklung zusätzlich ausgebremst werden. Wenn eine Mannschaft 20 Tore geschossen hat und die andere nur 5, ist das immerhin ein Riesenunterschied. Für Ben und Stefan ist der Sport schließlich weit mehr als ein Ort der Begegnung, Freude und Aktivität. Für sie stellt er einen wichtigen Lehrer dar, negative Emotionen zu verkraften. „Und deshalb wollen wir einen ehrlichen Wettkampf. Man muss lernen, mit Niederlagen umzugehen – auch beeinträchtigte Kinder müssen das“, weiß Ben aus seiner Berufserfahrung. Denn irgendwann, spätestens wenn ein Familienmitglied verstirbt, werden sie mit Niederlagen konfrontiert, ohne sich auch nur annähernd darauf vorbereiten zu können.
Doch ihre Kritik ging noch weiter: „Wenn es um den Sport von Beeinträchtigten geht, findet dieser immer hinter einer Mauer statt, also außerhalb der Gesellschaft“, erklärt er. Und auch die vom Staat initiierten sozial-politischen Bemühungen, die unter dem Schlagwort „Inklusion“ zusammengefasst werden und im schulischen Kontext durchaus sinnig und notwendig sind, machen für die beiden zumindest in diesem speziellen Bereich wenig Sinn. Auch wenn sie die Inklusion nicht angreifen wollen, gehen sie einen anderen Weg. Einen Weg, der – wie sich gezeigt hat – großen Zuspruch findet: „Die Kinder wollen einfach einen Wettkampf unter ihresgleichen“, so Ben.
Ihr damals gefasster Inklusionsgedanke reichte viel weiter, als lediglich beeinträchtigte Kinder mit anderen Kindern gemeinsam Fußball spielen zu lassen. Im Sinn hatten sie eigene Mannschaften für Kinder mit geistiger Beeinträchtigung, die ihre Wettkämpfe tatsächlich inmitten der Gesellschaft an öffentlichen Plätzen ausfechten können. Ihnen ging es darum, eine adäquate Plattform zu schaffen, die die Kinder als Teil unserer Welt wertschätzt und eben nicht versteckt oder nur bemüht integriert.
Ebenso empfanden sie es für notwendig, dass es für Kinder mit Beeinträchtigungen nicht nur normal sein können muss, in einem Fußballverein zu spielen, sondern dass diese auch einen eigenen Verein brauchen, der als immanenter Teil der Gesellschaft verstanden werden kann. Es sollte normal sein, dass sich die Kinder in einem eigenen Verein organisieren können, wie jeder andere Mensch eben auch. Und ihre Arbeit trägt Früchte, denn mittlerweile gibt es davon sogar mehrere. Verstreut in ganz Deutschland können die Kinder ihre Vereine besuchen, trainieren und sich auf bevorstehende Wettkämpfe in ihrer eigenen Liga vorbereiten.
Überzeugungsarbeit
Die schärfsten und neben den Kindern wichtigsten Kritiker dieses Projektes waren die Eltern selbst. Eine anfängliche Skepsis und Unsicherheit war bei ihnen nicht zu verleugnen. Ben und Stefan kannten auch die etablierten Strukturen der behinderten Einrichtungen: Physiotherapeut, Arzt, Lehrer, Psychologen und Freizeitangebote – alles an einem Platz. Und nun sollten die Kinder sich außerhalb dieser Einrichtung in die Hände zweier Idealisten begeben? Doch als die beiden Fachmänner ihr Konzept auf einem Elternabend im Jahnwirt am Kaulbachstadion vorgestellt hatten, konnten sie die Eltern mit ihrem eigenen Enthusiasmus einfangen. Mittlerweile hat sich das Projekt innerhalb der Elternschaft zu einem regelrechten Selbstläufer entwickelt. „Die Eltern sind immer als Betreuer und als Community dabei“, freut sich Ben. Kein Wunder, da die Eltern die positiven Effekte dieses einzigartigen erlebnispädagogischen Ansatzes an ihren eigenen Kindern sehen können. Neben der Ausgelassenheit am Platz und der Freude und Motivation, Teil eines Ganzen sein zu können, liefert es den Kindern zusätzlich Energie für die Bewältigung ihres weiteren Alltags.
Als großer Förderer und Vermittler zwischen den Eltern und der Projektidee zeigte sich der SSV Jahn Regensburg, der Ben und Stefan beim erstmaligen Aufstieg des Jahn in die 2. Bundesliga über den Kontakt mit Harry Gfreiter als Behindertenbeauftragte angeworben hatte. Als die beiden dem SSV Jahn die Projektidee vorgestellt hatten, erkannten sie, dass es sich dabei um eine Win-win-Situation handelte. Während der SSV Jahn, der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit dem Thema „Behindertenarbeit“ vertraut war, vom Fachwissen der beiden Heilerzieher profitieren konnte, lieferte er den beiden sowohl die Strukturen, um sich ein breites Netzwerk in der Fußballwelt aufzubauen, als auch das Trainingsgelände für das erste Team Bananenflanke. So verwundert es nicht, dass in den warmen Monaten immer noch jeden Freitag auf dem Jahngelände trainiert wird – im Winter hingegen vierzehntägig in der Kick Arena Regensburg.
Vom Team zur Bananenflankenliga
Aller Anfang ist schwer – vor allem wenn sich das anfängliche Projektpersonal auf zwei ehrenamtliche Personen beschränkt. „Am Anfang haben wir die Soccer-Courts, in denen die Wettkämpfe ausgetragen werden, noch selbst aufgestellt“, erinnert sich Ben. Auch das Training mit den Kids haben die beiden selbst durchgeführt. Mit Organisation, Werbung und dem ganzen Rest landeten die beiden – jeder für sich – schnell bei 30 Stunden Ehrenamt pro Woche. Somit ist auch klar, dass die beiden ihr ursprüngliches Konzept nur Stück für Stück umsetzen konnten. Dass dieses mittlerweile fast vor seiner vollkommenen Vollendung steht, also eine bundesweite Liga für geistig Beeinträchtigte zu erschaffen, erfüllt die beiden sowohl mit Stolz als auch mit einem kleinen Tropfen Wehmut. Denn je größer die Gruppen und je zahlreicher die Unterstützer und die Standorte wurden, umso mehr entfernten sich die beiden immer mehr von ihrer einstigen Tätigkeit, direkt mit den Kindern zu arbeiten. „Wir hätten niemals damit gerechnet, dass das alles so schnell geht. Dieser extrem gute Respond von der Gesellschaft“, freut er sich. 2015 hat das innovative Sportprojekt sogar den „Großen Stern des Sports“ vom ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauk erhalten. „Mittlerweile haben wir sogar PUMA als Sponsor, das muss man sich mal vorstellen!“ Über die Jahre hinweg konnten sich die beiden Gründer zudem ein großes Netz in der Fußballwelt erschließen und sogar Tobias Schweinsteiger als Botschafter für das Projekt gewinnen. Nachdem sich der Bayerische Fußballverband schließlich bei Stefan und Ben gemeldet hatte, haben sie jedoch abgelehnt und ihren eigenen Verband gegründet. Zu groß war die Gefahr, dass sich das Projekt plötzlich in eine unerwünschte Richtung entwickeln könnte. Die Eltern gaben den beiden Gründern Recht – Kontrolle ist schließlich alles.
Am schwersten ist den beiden jedoch der Abschied von ihrer ursprünglichen Arbeit mit den Kindern gefallen. „Die Kinder waren ja auch auf uns fixiert“, rekapituliert er. „Und die Angst, ob auch alles so gemacht wird, wie wir es uns vorstellten, war da natürlich da.“ Und dennoch war es wichtig, Platz für weitere Unterstützer zu machen, denn nur so konnte die Idee weiter wachsen. Umso stolzer sind die beiden, dass sie inzwischen über zehn speziell weitergebildete Trainer allein in Regensburg verfügen. Und Weiterbildungen führen sie nun sogar intern in ihrem eigenen Verband durch. Was früher unvorstellbar schien, ist heute eine erfreuliche Tatsache.
Bananenflanker Legendentage
Dass aus ehrenamtlicher Arbeit und zahlreichen Spenden 16 gemeinnützige Vereine in den großen Städten Deutschlands entstanden, ist auch den zahlreichen bekannten Fußballern und der Attraktivität und Strahlkraft des Sports selbst geschuldet. „Mit einem anderen Breitensport wäre das wohl nicht zu Stande gekommen“, resümiert Ben.
Doch Fußball verbindet wie kaum ein anderer Sport. Das hat sich auch bei den letzten vier veranstalteten Charity-Tunieren mit dem Namen „Bananenflanker Legendentag“ gezeigt. Denn hier haben sich in den letzten Jahren nicht nur einige Fußballgrößen wie Benny Lauth oder das Czech Team 96 mit Teammanager Pavel Kuka, sondern auch andere Sportgrößen wie Sven Hannawald eingefunden, um für einen guten Zweck zu kicken. Am 20.01.2019 verwandelt sich die Donau Arena zu diesem Zweck erstmalig in ihrer Geschichte zu einer Fußballhalle, in der sich 6 Traditionsmannschaften (SSV Jahn, 1. FC Nürnberg, TSV 1860, VFL Bochum, Czech Team 96 und das Team Bananenflanker mit Kapitän Tobias Schweinsteiger) um den „Bananenflanker Legendentag Pokal“ duellieren werden. Neben spannenden Matches mit Fußballhochkarätern wartet beim „Bananenflanker Legendtag Budenzauber 2019“ auch eine Autogrammstunde mit Fußballstars von Groß bis Klein – Flo Weber von Sportfreunde Stiller wird als Teil der Bananenflanker Mannschaft neben dem ein oder anderen Überraschungsgast ebenfalls mit von der Partie sein. Ziel sei, so Ben, „die Bude voll zu bekommen, um so viel Geld wie möglich für die Kinder zu sammeln“. Das Geld kommt anschließend zu 100 % dem Projekt „Team Bananenflanke“ zu Gute.
Herzenswunsch und Kreativangebot
Egal welche Strahlkraft der Fußball in unserer Gesellschaft besitzt, er ist nicht zwingend jedermanns Sache. Und auch Ben und Stefan haben das erkannt. Da sie auch den Nichtfußballern etwas bieten wollen, haben sie kurzerhand das Projekt „Bananenkistl“ am Ölberg initiiert. Hier können sich die Kinder ganz frei und ungezwungen mittels Farbe, Pinsel und Co. ausdrücken. „Hier wird auch jedes Bild ausgestellt“, erklärt Benn. Jedes Kind und jede Arbeit wird somit wertgeschätzt. Aber nicht nur das. Das Bananenkistl veranstaltet regelmäßig eine Vernissage, bei der die Bilder der Kinder sowohl der Öffentlichkeit präsentiert werden als auch an den Mann oder die Frau gebracht werden sollen. „Wenn die Kinder sehen, dass jemand sich für ihre Bilder interessiert, erhöht das den Selbstwert der Kinder natürlich extrem“, so Ben. Das Geld fließt wiederrum in die Finanzierung der Projekte selbst.
Ein besonderes Anliegen ist den beiden auch die Erfüllung von Herzenswünschen von schwerkranken Kindern. Zugegeben, bis jetzt ist das zwar noch nicht so häufig vorgekommen, aber wenn die Umstände es zulassen oder auch notwendig machen, organisieren Ben und Stefan gerne etwas ganz Besonderes: „Einmal sind wir mit einem Rollstuhlfahrer nach London gefahren, um Per Mertesacker zu treffen. Später verstarb er dann leider auch. Aber ihm noch einmal diese unglaubliche Freude zu bereiten, das ist etwas wunderbar Magisches“, erzählt Ben.
Trotz oder gerade durch die Erfolge ihrer Arbeit hat sich der Workload der beiden Gründer bis heute kaum reduziert. Auch wenn sie nicht mehr zu hundert Prozent an den Kindern dran sind, freuen sie sich darüber, ihre einstige Idee so kurz vor Umsetzung zu sehen. Natürlich hätte das nie ohne die Hilfe von unzähligen Helfern, Sponsoren und Spenden funktioniert, dessen sind sie sich auch bewusst. „Und das in einer Stadt wie Regensburg großzuziehen, ist natürlich der Hammer!“ Wer sich engagieren und helfen will, ist immer gerne gesehen. Denn nur gemeinsam können wir eine Gesellschaft oder ein Gemeinwesen erschaffen, in dem jedes Leben als wertvoll und einzigartig angesehen wird. Egal ob klein, groß, dünn oder dick, ob gerader Lebenslauf oder bananenförmiger. Denn Banane – das sind die anderen. Fußball hingegen kennt keine Grenzen.
Weitere Infos unter www.bananenflanker.de
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SAVE THE DATE:
Der Bananenflanker Legendentag Budenzauber 2019
Am 20.01.2019 in der Donau Arena
SPENDEN AN: Vereinskonto
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DE45 7506 0150 0000 5588 50 |
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GENODEF1R02 |
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