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1928 trat die Stadtkapelle in einer Kleinstadt nahe Regensburg erstmals in China-Gewändern auf. Aus diesen Anfängen hat sich eine Faschings-Großveranstaltung entwickelt, die heute jedes Jahr tausende Besucher aus ganz Deutschland nach "Bayerisch China" lockt – heuer am 28.2.

364 Tage im Jahr regiert in der 6.000-Einwohner-Stadt Dietfurt – rund 50 Kilometer westlich von Regensburg – die Beschaulichkeit. Dann erfreuen sich die Touristen am siebenstimmigen Glockengeläut der Stadtpfarrkirche St. Ägidius, bestaunen die barocke Wallfahrtskirche und das Franziskanerkloster. Einmal im Jahr jedoch – stets von langer Hand geplant – versetzt eine „Revolution“ das oberpfälzische Kleinod in Ausnahmezustand: Dann wird aus dem Erholungsort im Altmühltal für einen Tag ein Teil des mehr als zehn Flugstunden entfernten Reichs der Mitte. Immer am „Unsinnigen Donnerstag“ in der Faschingszeit verwandelt sich die Stadt in „Bayerns Chinatown“. Tausende Besucher aus ganz Deutschland werden sich auch in diesem Jahr am 28. Februar die chinesische Invasion ins bayerische Kernland nicht entgehen lassen. Die Tradition reicht zurück bis ins 19. Jahrhundert, offiziell feierten die Dietfurter im vergangenen Jahr den 90. Faschings-Geburtstag.

Vom Rathaussessel bis zur Müllabfuhr, vom Restaurant bis zum Supermarkt – alles ist fest in chinesischer Hand. Dietfurts Bürger, ob groß, ob klein, schlüpfen in chinesische Tracht, stecken sich China-Zöpfe ins Haar und die Drogerie mit der gelben Hautschminke hat Hochkonjunktur. Ein Kuriosum in Bayern: der Chinesenfasching in Dietfurt. Eine Anekdote erzählt den Ursprung des verrückten Treibens, das den Dietfurtern den Titel „Bayerische Chinesen“ einbrachte. Demnach soll irgendwann in der Stadtgeschichte der Steuereintreiber des Bischofs in das Städtchen gereist sein, um höhere Abgaben einzutreiben. Die Nachricht vom Besuch gelangte aber vor dem Steuereintreiber in die Stadt. Die Bürger verbarrikadierten die Tore und der Gesandte des Bischofs musste ohne Geld abziehen. Seinem Bischof erzählte er dann: Die verstecken sich hinter ihrer Mauer wie die Chinesen.

Ob die Erzählung stimmt, weiß auch in Dietfurt keiner so genau. Verbürgt ist aber ein Kalender von 1860 und eine wissenschaftliche Arbeit aus dem Jahr 1869, wo bereits damals die Dietfurter als Chinesen bezeichnet wurden und von einem Chinesen-Viertel die Rede ist. Der Grundstein für die Faschingstradition wurde aber erst 1928 gelegt, als die Stadtkapelle erstmals in China-Gewändern auftrat.

Schnell hat der Ruf vom Chinesenfasching weite Kreise gezogen – quer durch Bayern und ganz Deutschland. „Diplomatische Abordnungen“ von Faschingshochburgen aus der ganzen Republik werden an der Proklamation des Kaisers Fu-Gao-Di teilnehmen und anschließend begleitet vom vielstimmigen „Kiliwau“ in den Straßen der Stadt bis tief in die Nacht feiern. Kaiser Fu-Gao-Di heißt im richtigen Leben Manfred Koller, ist 49 Jahre alt und Brennstoffhändler. Der Name des Regenten heißt übersetzt so viel wie „glücksbringender großer Kaiser“. Manfred Koller ist der 11. Dietfurter, den seine Mitbürger zum Faschingskaiser krönten.

Die gemeinsame Reise der Dietfurter ins ferne China beginnt am „Unsinnigen Donnerstag“ sehr früh: Bereits in den Morgenstunden zieht eine 30-köpfigen Meute mit viel „Lärm und Geschepper“ kreuz und quer durch die Stadt. Auf ihrem Zug verkünden sie mit einem schallenden Weckruf den Beginn des „chinesischen Nationalfeiertags“ in der oberpfälzischen Kleinstadt. 

Mit etwa 15.000 Menschen rechnen die Organisatoren, wenn ab 13 Uhr auf der Bühne direkt auf dem Stadtplatz Akteure und Besucher dem Höhepunkt entgegen fiebern: dem legendären chinesischen Maskenzug, bei dem ab 14 Uhr etwa 45 Gruppen und viele leibhaftige Chinesen bei der Kaiserkrönung Fu-Gao-Dis für kurze Zeit „Chinatown“ im Herzen Bayerns aufleben lassen. Das Motto des diesjährigen Festtages: „Bayrisch China ist einzigartig“.

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