In vier Sekunden beschleunigt der Taycan 4S auf 100 km/h und in 12,9 Sekunden auf 200 km/h. Letzteres mit der optionalen Performance Plus Batterie, die etwas mehr Kapazität hat und effektiv nutzbare 83,7 Kilowattstunden zur Verfügung stellt. Im Mix gibt Porsche eine Reichweite von 389 bis 464 Kilometer an – auf Langstrecke 365 Kilometer. Doch da ist noch viel mehr drin. Und genau das wollen wir beweisen. Unser volles Testfahrzeug im Porsche Zentrum Regensburg begrüßt uns mit 410 Kilometer Restreichweite und einem Ladezustand von 99 Prozent am Display. Unsere Tests bislang haben gezeigt: Die Restreichweitenabgabe von Porsche ist eine der ganz wenigen, die tatsächlich das anzeigt, was bei artgerechter Bewegung noch gefahren werden kann – mal normal, mal mit Druck, mal mit der Leistung, die den Kopf mit dem Sitz verschmelzen lässt. Kurzum: ohne Einschränkungen eben. Porsche stapelt lieber tief mit der Reichweite. Der Wagen muss schließlich seinen Zweck erfüllen und zugleich das Versprechen seiner Silhouette einlösen können. Und das tut er. Fährt man einen üblichen Mix (und das sportlich), gönnt er sich um die 20 Kilowatt pro Stunde Fahrt. Mit den 83,7 Kilowattstunden Kapazität und im Schnitt 101 km/h legten wir damit gute 400 Kilometer zurück.
Was aber, wenn wir einfach mal den Teslafahrer mimen, Spaß an Reichweite suchen und zugleich einen niedrigen Verbrauch anstreben? Wir mixen dazu Autobahn und schmale Landstraßen. Mal mit angemessenem Abstand einen Windschatten mitnehmen, mal sportlich energieerhaltend durch die Kurve ohne abzubremsen, mal das Gaspedal freundschaftlich tätscheln, anstatt es als Fußpumpe für ein Wadentraining zu nutzen. Es ist Herbst, die Sonne strahlt, das Thermometer zeigt 20 Grad. Braucht es bei diesem Wetter die komplette Klimatisierung oder reichen auch die Fenster? Verlangt es nach dem Orchester der Musikanlage oder genießt man das Duett aus Fahrtwind und elektrifiziertem Vortrieb? Pro 100 Kilometer raubt die Klimaanlage schon zehn Kilometer an Reichweite – wie wir noch sehen werden, summiert sich das am Ende. Nach Laune und Bequemlichkeit reduzieren wir also die Verbraucher und werfen uns in den Verkehr.
Um 8 Uhr geht es los Richtung Passau, über Land zurück Richtung Deggendorf, runter nach Landshut und wieder zurück nach Regensburg. Mittags wird langsam klar: Das wird dauern – der Taycan weigert sich, den Akku zu leeren. Stillstand bei Hengersberg, viel Verkehr um Neutraubling, dazu noch Erntezeit – ein Freitag wie jeder andere auch. Als wir wieder zurück auf Höhe Wörth sind, läuten wir die zweite Runde ein. Hallo Passau, hallo Landau – man kennt sich. Da es aber immer noch nicht reicht, flippern wir noch ein bisschen weiter. Die bei Fahrtbeginn angedachten 410 Kilometer sind schon lange pulverisiert.Mit dem Taycan nach Nürnberg, München oder (einfach) nach Kitzbühl? Diese Fragen stellen sich nicht mehr. Und wer doch mal nachfassen muss: In 20 Minuten sind 80 Prozent des Akkus am Schnelllader aufgeladen. Porsche hat es geschafft, ein rein elektrisches Auto zu bauen, das sowohl die brachiale Leistung im Vergleich zu Mitbewerbern jederzeit und so oft wie nötig nacheinander wiederholen als auch eine perfekte Reichweite auf Wunsch erzielen kann – und das mit der porschetypischen Qualität vom Interieur über das Fahrwerk bis hin zum Design. Der Fahrer alleine hat es in der Hand, ob er dabei in einem Jet oder in einem Segelflieger die Welt erkunden möchte.
15:51 Uhr. Es ist vollbracht, der Akku fast leer. 7:34 Stunden Vergnügen mit knapp zehn Minuten Pause. 80 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. 13,4 kw/h Schnittverbrauch. 603 Kilometer gefahren, Restreichweite 34 Kilometer. Auch das ist Porsche.
Fahrzeug: Porschezentrum Regensburg
Pilot: Nick Lengfellner