Als Rollerfahrer kennt man viele verschiedene interessante und auch leistungsgesteigerte Vespa-Modelle. Doch völlig neu ist die Idee, den schönen Oldies einen Elektromotor zu verpassen. Wir haben deshalb den E-Roller von Vespa "VespE V50 MEM_Motors" getestet.
„Jung, modern und….ohne Papiere“. Mit diesem Werbeslogan beginnt 1963 in Italien die Erfolgsgeschichte der grazilen und uns allen bekannten 50er Vespa, der sogenannten Smallframe. Mit 50 Kubikzentimetern benötigte man dabei in Italien keinen Führerschein und auch die sportliche 125ccm-Variante sorgte am Schluss als begehrte ET3 für Furore. Insgesamt verkauft: zwei Millionen Fahrzeuge zwischen 1963 und 1983!
Oldies unter Strom
Die italienische Jugend liebte die Vespa für ihr sportliches Design und die Dynamik dank kompakter Chassis. Und auch wenn die später gebaute „Special“ mit dem eckigen Lenkerkopf als 50er vier Gänge hatte – mit den 1,5 PS ist die 50er im normalen Straßenverkehr heute wirklich zart besaitet und produziert als Zwei-Takter gerne mehr Rauch als Vortrieb.
Ich selbst besitze eine Smallframe und auch eine ET3, die mit sieben PS schon durchaus mehr kann. Als alter Rollerfahrer kennt man natürlich auch noch viele interessante, leistungsgesteigerte Varianten. Was aber völlig neu ist, ist die Idee, diese wunderhübschen Oldies unter Strom zu setzen und ihnen einen Elektromotor zu verpassen. Das hat die Firma MEM-Motors nähe Sinzing jedoch gemacht! Und zwar serienreif und mit Liebe zum Detail.
Es gibt hier zwei Umbausätze, die jeder, der schon einmal ein bisschen an der Vespa geschraubt hat, ganz einfach selber einbauen kann: einen mit der passenden Leistung für eine 50er (Rundlicht oder Special) und einen für die 125er. Getestet habe ich beide – und der Antritt ist phänomenal. Bei der 125er wird das Vorderrad mehr als leicht, bei der 50er ist einfach ständig perfekter Anzug am Gas. Auf letztere konzentrieren wir uns, ist sie doch die meistverbreitete Vespa bei uns.
Bislang ungekannte Fahrdynamik
Zum Starten gibt es einen Schlüsselanhänger-Chip den man kurz an einen Sensor hält – das am Lenker montierte Display springt an, zeigt den Akkustand, man zieht kurz den linken Bremshebel und gibt SANFT Gas. Während eine Benziner-Vespa ihre maximale Leistung nur mal kurz bei Drehzahl XY hat und beim Losfahren mit niederer Drehzahl natürlich gar nicht aus dem Quark kommt, liegt hier auf Wunsch sofort die volle Leistung an. Sie springt geradezu weg und beschleunigt linear bis auf 45km/h, wo sie abgeregelt wird. Fantastisch. Wer dazu sein Fahrwerk in gutem Zustand hält, erlebt eine bislang ungekannte Fahrdynamik in seiner Vespa. Für das 50er-Kennzeichen darf die Elektrovespa bis zu vier kW haben, also knappe 5,5 PS, und die schöpft der Motor auch komplett aus.
Wer vom Gas geht, rekuperiert sofort im leicht merklichen Segelmodus und wenn die hintere Bremse gezogen wird, werden bis zu 25 Ampere zurück in den Akku gepumpt, bevor die mechanische Trommelbremse eingreift. Beim 125er-Kit ist eine Scheibenbremse verbaut, da hier bis zu 15 PS für noch mehr Power und Speed sorgen.
Vor Veränderungen weitestgehend verschont
Bremse ziehen? MEM-Motors hat beschlossen, den linken Hebel am Lenker funktional zu halten – der zieht anstatt der nicht mehr vorhandenen Kupplung die hintere Bremse. Der linke Teil des Lenkhebels, mit dem vorher auch die Gänge durch Drehen geschalten wurden, wird arretiert. Und da wir gerade schon bei nötigen Umbaumaßnahmen sind: Hier bei MEM wurde eben versucht, den Oldie soweit wie möglich NICHT zu verändern.
Zum Beispiel bleibt das gesamte Gaszuggefüge gleich, inklusive Gasgriff. Makulativ: In die Karosserie müssen lediglich zwei kleine Löcher gebohrt werden – unsichtbar im Motorraum –, um eine der beiden Steuereinheiten anzuschrauben. Ebenso muss das Blech des Chokezuges nach oben gebogen werden, denn MEM hat den Akku komplett selber optimal auf die Karosserie geformt. Dazu wurde ein 3D-Model entwickelt und dann vom Akkuhersteller optimal und damit kapazitätsmaximierend befüllt. Mit ungefährlicher 72V-Technik bringt der etwa 14 Kilogramm schwere Akku die 50er - forsch gefahren – 70 Kilometer weit und die 125er, deren Akku aufgrund des höheren Stromflusses anders konzipiert sein muss, gute 45 Kilometer weit. Mit zehn Ampere ist der Akku auch in 2,5 Stunden wieder vollgeladen – und er ist selbstverständlich einfach zu entfernen und zudem im Fahrzeug mit einem eigenen Schloss in der Karosserie verriegelt. Dabei ruht er perfekt in der Aussparung, wo sonst der Benzintank sitzt. Alle verbauten Teile haben eine ABE, die Schwinge ist liebevoll aus Vollmaterial gefräst und trägt den Motor des Weltmarktführers QS. Ebenso sind alle Teile von Marken wie Grimeca, Piaggio und Co. Hier wurde an nichts gespart und keine billigen Fernostkomponenten verwendet! Der Bausatz für die 50er kostet 4336 Euro, der für die 125er 4897 Euro. Der TÜV-Süd hat die gesamte Entwicklung nah begleitet und die „Gutachterliche Stellungnahme“ hilft dann bei der nötigen Einzelabnahme beim TÜV.
Wer nicht selbst schrauben mag – MEM-Motors baut auch ein, aber etwas Spaß will man doch auch schon selbst haben, auf dem Weg in eine andere „Oldie-Zukunft“ mit viel Power.
BU: Easy: Motorpaket, Kabelbaum, Ladeanzeige, Elektronikbox + zwei Steuereinheiten, Akku, that‘s all!
Galerie:
RNRed