Pferde gehören seit Jahrtausenden an die Seite des Menschen – ob als Fortbewegungsmittel, Nutztier oder als Sportgefährte. Wie lange die Geschichte des Pferdes bereits mit der des Menschen verwoben ist, lässt sich in der Kunst erkennen. Wie sich das Pferd im Laufe der Geschichte vom "Wildtier zum Nutztier" entwickelte.
Lateinischer Name: Equus caballus
Funktion: Haustier, Arbeitstier, Nahrungsquelle
Domestiziert vor: 5.000 bis 6.000 Jahren
Züchtungen: etwa 200 verschiedene Rassen
Anzahl an Hauspferden weltweit: 58.832.221 (Schätzungen der UN, Stand 2017)
Anzahl an Wildpferden weltweit: 0
„Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“, ein Spruch, der sicherlich in einigen Stallanlagen Deutschlands hängen dürfte. Pferde gehören seit Jahrtausenden fest an die Seite des Menschen – ob als Fortbewegungsmittel, Nutztier oder als Sportgefährte. Wie lange die Geschichte des Pferdes bereits mit der des Menschen verwoben ist, lässt sich in der Kunst erkennen und reicht vom glorreichen Schlachtpferd Napoleons, über die Reiterstatue Mark Aurels bis hin zu den ersten Darstellungen in der Höhlenmalerei. Seit mehr als 5.000 Jahren besteht eine enge Partnerschaft zwischen den imposanten Huftieren und der Menschheit.
Domestizierung der Pferde
Das Pferd zu domestizieren hatte natürlich mehrere Vorteile für die Menschheit: Neben einer Quelle für Fleisch, Milch und Leder stellte es vor allem eine neue Möglichkeit der Fortbewegung dar. Bis dies geschehen konnte, war der Weg jedoch lang: Anders als Wölfe oder Katzen leben Pferde in großen Herden und zeichnen sich durch ihre Scheu vorm Menschen aus. Immer zur Flucht bereit mussten diejenigen Menschen, die vor 6.000 Jahren im heutigen Kasachstan lebten und wahrscheinlich die ersten Schritte zur Zähmung der Huftiere unternahmen, zunächst lernen, wie das Fluchttier Pferd überhaupt eingefangen werden konnte. Ohne das Zähmen und Reiten der Pferde hätten die frühen Menschen das volle Potenzial ihrer neuen Begleiter aber auch kaum ausschöpfen können. Aufgrund Ihrer Stärke und vielfältigen Einsatzmöglichkeiten stellen Pferde inzwischen mehr als nur eine Nahrungsquelle oder ein Fortbewegungsmittel dar – sie haben sich eine eigene Sportsparte verdient und dienten dem Menschen unter anderem die längste Zeit als Kriegsgefährt. Selbst im Zweiten Weltkrieg griff die Wehrmacht aus strategischen Gründen auf die Huftiere zurück.
Auf den Spuren der Pferde
Bevor Pferde jedoch als Nutz- und Reittiere gehalten wurden, stellten sie für die Menschheit primär Jagdbeute dar: Die Botai, eine im Norden Zentralasiens angesiedelte Kultur, bieten durch die Entdeckungen ihrer ehemaligen Siedlung einen Rückschlüsse darauf, welche Rolle das Pferd zu ihrer Zeit spielte. Jüngste Ausgrabungsfunde in verschiedenen Botaisiedlungen lassen sich auf den Zeitraum um 4.000 bis 3.000 v. Chr. datieren und geben Anlass für neue Entwicklungen in der Rekonstruktion des Domestikationsprozesses des Pferdes. Das Spannende: In den Ausgrabungsstätten fanden die Forscher neben zerlegten Pferdeskeletten, die auf Transport und Lagerung eines erlegten Beutetiers schließen lassen, auch intakte Skelette, die zu gleichen Teilen von Hengsten und Stuten stammen. Da sich an den Zähnen der vollständigen Skelette Kerben finden, die typischerweise durch die Nutzung von Zügeln zur Führung der Tiere entstehen, schlossen die Forscher darauf, dass die Botai Pferde nicht nur jagten, sondern eben auch erfolgreich domestiziert hatten.
Auch wenn mit dem Fund der Botaipferde weder die Vorfahren des Pferdes ausfindig gemacht noch anhand ihrer physiologischen Merkmale Rückschlüsse bezüglich des Wandels vom Wildpferd zum domestizierten Pferd gezogen werden konnten, war der Fund nicht umsonst. Denn die Analyse der gewonnenen DNA und ihr Vergleich mit den vermeintlich letzten Wildpferden, den Przewalski-Pferden, war für die Forscher mehr als nur spannend.
Kein Einhorn: Das letzte Wildpferd?
Przewalski-Pferde waren noch bis vor Kurzem als letzte Wildpferde der Erde bekannt. Bei Wildpferden handelt es sich in begrifflicher Hinsicht nicht lediglich um wild lebende Tiere, sondern um tatsächliche Nachkommen der Urpferde, von denen die Abzweigung zum domestizierten Pferd abging. Daher können auch Mustangs, wie sie in Nordamerika verbreitet sind, faktisch nicht als Wildpferde bezeichnet werden – stattdessen handelt es sich hierbei um die Nachkommen wieder verwilderter Reitpferde, die spanische Konquistadoren mit nach Amerika brachten, um die „Neue Welt“ zu erkunden.
Die Annahme lautete also, dass es sich bei den Przewalski-Pferden um die letzten tatsächlichen Wildpferde dieser Welt handele. Jedoch wurde der Bestand der Tiere nach dem Zweiten Weltkrieg derart dezimiert, dass in freier Wildbahn lebende Przewalski-Pferde im Jahr 1969 als ausgestorben galten. Lediglich einige wenige in Gefangenschaft lebende Artenvertreter haben überlebt. Um die Zahl der Artenvertreter wieder nach oben zu treiben, wurden mithilfe der Restbestände gezielte Zuchtprogramme in Zoos und ähnlichen Einrichtungen durchgeführt. Seit den Neunzigerjahren konnten die aus diesen Bemühungen entstandenen Sprösslinge auch wieder ausgewildert werden.
Inzwischen ist die Zahl der Przewalski-Pferde nach Schätzungen wieder auf etwa 1.900 Stück gestiegen, die zum Teil in festen Anlagen oder auch wild in Nationalparks leben. Der größte Teil dieser Pferde lebt in Naturschutzgebieten der Mongolei, aber auch in Deutschland gibt es Herden, die zumindest als „halbwild“ bezeichnet werden können.
Die Suche nach dem Ursprung
Jedoch ist mit dem Przewalski-Pferd die Frage nach dem Scheideweg von Wildpferden und ihren gezähmten Artgenossen noch lange nicht geklärt. Ging man bislang noch davon aus, bei den Przewalski-Pferden handele es sich um die letzten Wildpferde, brachten neue Forschungsergebnisse diese Weltsicht ins Wanken: Mithilfe einer DNA-Studie wurden verschiedene Genome der Botaipferde und anderweitiger Pferdefossilien analysiert und miteinander verglichen. Gemeinsam mit bereits bekanntem DNA-Material konnte das Forscherteam des Naturgeschichtlichen Museums Dänemarks rund um Charleen Gaunitz die Entwicklung von Haus- und Przewalski-Pferden nachvollziehen.
Das Ergebnis: Der bislang angenommene Verwandtschaftspfad kann so nicht der Realität entsprechen. Viele Hypothesen, die man über die Botaipferde und die Przewalski-Pferde angenommen hatte, mussten dabei über Bord geworfen werden. Hierzu zählt auch die Annahme, dass man mit den Botaipferden den Ursprung der Domestizierung gefunden hätte – denn heutige Hauspferde teilen kaum Erbgut mit ihren vermeintlichen Vorfahren. Damit bleibt der Ursprung moderner Hauspferde weiterhin ein Mysterium.
Die zweite Implikation dieser Forschungsbemühungen ist jedoch eindeutig: Bei den Przewalski-Pferden kann es sich nicht um echte Wildpferde handeln. Ihr Erbgut weist auf eine starke Verwandtschaft mit den Botaipferden hin, von denen bekannt ist, dass diese bereits domestiziert wurden. Damit wird eindeutig, dass es sich auch bei den Przewalski-Pferden „nur“ um verwilderte Hauspferde handelt, ähnlich den Mustangs Nordamerikas.
Ein nüchternes Fazit
Dafür, dass Pferde uns so nahe stehen, wissen wir erstaunlich wenig über den Ursprung der heiß geliebten Vierbeiner. Immerhin begegnen sie uns insbesondere im Kindesalter noch sehr oft: Junge Mädchen lesen mit Begeisterung die „Wendy“ oder lauschen den Abenteuern von Bibi und Tina auf Amadeus und Sabrina. Kaum ein Kind saß noch nicht auf einem Pony, das auf diversen Volksfesten seine Runden im Zelt dreht.
Das Pferd dient uns jedoch nicht nur zum Entertainment, sondern begleitet die Menschheitsgeschichte bereits seit Langem in verschiedensten Rollen – ob als Reittier, Kutschenpferd, Ackergaul oder Wettgelegenheit. Aber eine Sache bleibt konstant im sich ständig wechselnden Verhältnis zu den hochgewachsenen Huftieren: Sie begeistern die Menschheit seit Jahrtausenden durch ihre Stärke und nicht zuletzt durch ihren Charakter.
RNRed