Seit Anfang Dezember ist Roger Stilz neuer Geschäftsführer Sport beim Jahn Regensburg. Wie es den Schweizer nach Regensburg verschlagen hat, was er jetzt schon an der Stadt zu schätzen weiß und was seine Pläne mit dem SSV sind verrät er in unserem Interview.
Mit einer nicht ganz gewöhnlichen Vita trat der Schweizer Roger Stilz die neu geschaffene Stelle als Geschäftsführer Sport beim SSV Jahn Regensburg an. Im Interview erfahren wir mehr über seinen bisherigen Werdegang und seine Entscheidung nach Regensburg zu kommen. Der ausgebildete Grundschullehrer gibt außerdem spannende Literaturtipps und verrät seine Zukunftspläne für den Verein und den Umgang mit der aktuellen Ergebniskrise.
Herr Stilz, wie war Ihr Ankommen in Regensburg? Haben Sie sich trotz Corona schon einleben können?
Zum einen bin ich im Verein sehr gut aufgenommen worden, denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben es mir durch ihre Offenheit leichtgemacht, die ersten Tage und Wochen erfolgreich zu bestreiten. Natürlich muss und möchte ich das komplette Umfeld noch intensiver kennenlernen, um zu sehen, wie die Abläufe im und um den SSV Jahn im Detail funktionieren.
Zum anderen geht es bei dieser Frage ja auch um das Einleben in der Stadt. Ich bin mit meiner Familie seit Anfang Dezember 2021 hier, habe die Stadt aber auch schon während des Rekrutierungsprozesses gut kennen gelernt. Ich kann sagen, dass ich die Stadt gerne mag und wir als Familie bisher nur gute Begegnungen mit den Regensburgerinnen und Regensburgern hatten.
Sie sagten, die Stadt Regensburg an sich sei mitunter ein Grund gewesen, weshalb Sie das Engagement beim SSV Jahn ins Auge gefasst hätten. Wie haben Sie das konkret gemeint? Und welche Punkte waren letztendlich ausschlaggebend für Ihre Bewerbung?
Die Stadt an sich war nicht der ausschlaggebende Punkt, aber sicherlich ein weicher Faktor, der das ganze Engagement rund gemacht hat, weil ich gespürt habe, dass es ein idyllisches Fleckchen Erde ist – zudem eine Stadt mit viel Wasser. Ich persönlich mag Wasser gerne um mich haben. Ich habe ja beispielsweise zuletzt viele Jahre an der Elbe im Norden Deutschlands verbracht, war dann an der Schelde in Antwerpen und bin nicht zuletzt am Bodensee aufgewachsen, wo ich meine Kindheit und Jugend verbringen durfte. Daher passt es mir hier sehr gut.
Generell ist mein Interesse am Verein in den vergangenen Jahren gewachsen, weil ich den SSV Jahn und insbesondere die positive Entwicklung verfolgt habe. Unter anderem haben mich die infrastrukturelle Weiterentwicklung, aber auch die Entwicklung einer klaren Identität auf und neben dem Rasen aufhorchen lassen. Nach der ersten Kontaktaufnahme habe ich in den vielen Gesprächen und in der langfristigen Bewerbungsphase gespürt, dass die Menschen hier im Arbeitsalltag ähnlich ticken wie ich. Das war meine Hoffnung und die hat sich bis jetzt auch bestätigt. Hier beim SSV Jahn wird inhaltlich und konzeptionell gearbeitet. Und man schätzt die jeweilige Situation sehr realistisch ein. Das ist wichtig, weil wir nicht vergessen dürfen, woher wir kommen. Ich denke, dass ich die geschaffene Basis, was die Kultur und die Werte betrifft, fortführen kann.
Um Sie als Menschen etwas näher kennenzulernen: Sie waren bereits Grundschullehrer, Journalist und Werbetexter und haben darüber hinaus Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert – was fasziniert Sie an diesen geisteswissenschaftlichen Disziplinen? Welche Rolle spielen Sie in Ihrem Leben? Und hätten Sie darüber hinaus noch einen besonderen Literaturtipp?
Mein Studium war ganz bewusst gewählt. Meine Studienjahre an der philosophischen Fakultät an der Universität Zürich, die ich parallel zum Fußball absolvierte, waren seinerzeit toll und spannend. In Hamburg habe ich anschließend mein Studium weitergeführt, aber in Zürich abgeschlossen. Die Fächerwahl würde ich auch wieder so treffen. Ich glaube, dass mich die Auseinandersetzung mit Literatur und Literaturgeschichte in vielen Bereichen weitergebracht hat. So konnte ich beispielsweise gewisse Strömungen, Tendenzen und historische Entwicklungen in den vergangenen Jahrhunderten anhand der Literaturgeschichte nachvollziehen. Das waren für mich wichtige Jahre, weil ich immer ein Faible für Texte und Lyrik hatte. Ich habe in meiner Kindheit relativ früh Hörspiele, Platten oder Gedichte rezitiert. Die Liebe zur Sprache war also früh da. Im Studium konnte ich mich in diesem Bereich dann austoben. Ich bin grundsätzlich überzeugt davon, dass Vielfalt nicht schadet. Und ich glaube, dass mir meine verschiedenen Erfahrungen im jetzigen Job helfen. Und ich bin dankbar und schätze an der jetzigen Arbeit, dass sich die verschiedenen Interessen und Leidenschaften sehr gut verbinden lassen.
Drei Literaturtipps zum Schluss: Der erste Roman stammt aus der Feder des Schweizer Autors Markus Werner und trägt den Titel „Am Hang“. Zudem kann ich „Der Trafikant“ von Robert Seethaler empfehlen. Und ich finde, dass man die Klassiker nicht vergessen darf: „Die Verwandlung“ von Franz Kafka kann man immer und immer wieder lesen. Die ersten beiden Sätze der Erzählung gehören meiner Ansicht nach zu den besten Auftaktzeilen, die Literatur kann.
Sie waren selbst jahrelang aktiver Fußballer. Wie würden Sie Ihren damaligen Charakter auf dem Platz in Ihrer heutigen Rolle als Geschäftsführer Sport beschreiben? Wären Sie in Ihrer aktiven Zeit interessant für den SSV Jahn gewesen?
Ich finde es schwierig, über sich selbst zu urteilen. Ich mag es eigentlich auch nicht, wenn Spieler groß über sich erzählen. Und jetzt tut es der Sportdirektor also auch. Ich versuch es kurz und knapp: Ich war in meiner aktiven Zeit als Spieler zwischen den Linien auf der offensiven Mittelfeldposition zuhause. Meine Spielintelligenz und technischen Fähigkeiten dürften als überdurchschnittlich gut durchgehen, aber ich war in jungen Jahren zu wenig hart im defensiven Zweikampf. Allerdings wurde es mit mir auf dem Platz nie langweilig, weil ich selten geschwiegen habe und sehr kommunikativ war (lacht).
Nach dem herausragenden Saisonstart musste der SSV Jahn im Dezember mit einem herben Dämpfer in der Erfolgskurve kämpfen. Wie haben Sie Ihren Start beim SSV Jahn empfunden?
Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn wir den ein oder anderen Punkt vor Weihnachten oder auch jetzt im neuen Jahr eingesammelt hätten. Es gilt aber immer Ergebnis und Leistung differenziert zu betrachten. Wir haben viele knappe Niederlagen zu verzeichnen gehabt, oftmals passable bis gute Leistungen gezeigt, uns aber zum Ende nicht belohnt. Daher war ich nicht unzufrieden über die Herangehensweise und die Leistungen der Mannschaft. Das Quäntchen Glück ist in einzelnen Momenten in diesen Spielen nicht auf unsere Seite gekippt. Klar ist aber auch, dass ich auf jeden Fall gerne wieder mehr Siege einfahren möchte und sich die Lust in Grenzen hält, Niederlagen zu verdauen. Das gilt es zu ändern und weiter daran zu arbeiten, damit die kleinen Momente wieder auf unsere Seite kippen.
Wie hat die Mannschaft die unglückliche Serie an Niederlagen verarbeitet? Und was kann man als „frischgebackener“ Geschäftsführer überhaupt unternehmen, um die Mannschaft wieder nach vorne zu bringen?
Es ist eine meiner Hauptaufgaben, im Alltag die richtigen Einschätzungen zu treffen, die Tendenzen richtig einzuordnen, die Spiele und Trainingseinheiten mit dem Trainerteam zu bewerten, im guten Austausch Lösungen zu suchen und die Dinge stetig zu verbessern und zu optimieren. Diesbezüglich treffe ich beim Trainerteam und bei den Spielern nicht auf eine abwartende Haltung. Wir sind im guten Dialog, sowohl im Konstruktiven als auch im Kritischen.
Sie waren mehrere Jahre mit der Nachwuchsförderung betraut: Welche Rolle spielt die eigene Nachwuchsförderung für die weitere Entwicklung des SSV Jahn und welche Punkte stehen hier ganz oben auf ihrer To-do-Liste?
Wichtig ist zu betonen, dass der Verein in den letzten Jahren sehr schnell gewachsen ist und zum Beispiel mit dem Stadionbau und der infrastrukturellen Veränderung am Kaulbachweg notwendige, aber auch große Schritte gemacht hat. In Bezug auf die Arbeit im Nachwuchsleistungszentrum möchten wir ebenfalls weitere wichtige Entwicklungsschritte gehen. Der Jahn-Nachwuchs ist sehr fleißig unterwegs und ich lerne das Team von Leiter Christian Martin immer besser kennen. Allerdings geschieht das nicht in Gänze innerhalb von zwei Monaten, weil die Strukturen natürlich sehr vielfältig sind. Um ein Beispiel zu nennen: Wir haben seit zwei Wochen eine klare Meeting-Struktur mit dem Leistungszentrum, in dem wir im Übergangsbereich zwischen der U21 und den Profis die Kommunikation nochmal neugestalten und optimieren möchten, sodass wir unsere Top-Talente spezifisch begleiten können. Es ist auch kein Geheimnis, dass der Verein einen Prozess angestoßen hat, um mit einem Neubau eines NLZs einen nächsten infrastrukturellen Schritt zu gehen und sich zu erweitern. In diesem Zusammenhang ist der Verein in Gesprächen mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen.
Wie sieht Ihre Philosophie hinsichtlich Spielidee und Kaderplanung aus? In welche Richtung sollte sich der SSV Jahn in Ihren Augen entwickeln?
Ich glaube, dass wir vorerst bei unseren Wurzeln bleiben und diese festigen sollten, weil sie uns stark machen. In Bezug auf die Spielidee sind das unser aggressives Spiel gegen den Ball und ein klares Pressing-Verhalten. Wir arbeiten aber natürlich daran, die einzelnen Elemente weiterzuentwickeln, inwiefern wir beispielsweise im Pressing oder auch im Spiel mit dem Ball noch variabler sein können. Das sind Ziele, die simpel klingeln, aber nicht leicht umzusetzen sind, weil Variabilität im Fußball unter Umständen zu Lasten der bisherigen Struktur geht. Wenn man etwas verändert, dann verändert sich auch die Statik des Spiels. Daher sind wir gut beraten, immer wieder genau hinzusehen, fein zu justieren, anzupassen, flexibel in den Köpfen zu sein und vor allem aufnahmefähige Spieler zu haben, die bereit sind, neue Dinge auszuprobieren und andererseits auf dem aufzubauen, was wir gut machen.
Um das kurzfristige Ziel Klassenerhalt zu erreichen, sind noch rund drei Liga-Siege zu erringen, welche Ziele haben Sie mittel- und langfristig mit dem Jahn?
Das mittelfristige Ziel ist eine Stabilisierung und Etablierung des Jahn in der zweiten Bundesliga. Dass man in dieser Liga nichts geschenkt bekommt, wissen alle, die sie seit einiger Zeit intensiver verfolgen. Jeden Punkt müssen wir uns hart erarbeiten und es ist kaum ein Resultat vorauszuahnen. Wir müssen in jedem Spiel am Limit sein, um Siege und Punkte einzufahren. Deswegen kann es auch mittelfristig gesehen nur das Ziel sein, den Jahn in der zweiten Liga weiter zu etablieren.
Vielen Dank für Ihre Zeit und weiterhin viel Erfolg!
RNRed