Ein Elfer mit einer Zwölf? Markenungläubige werden sich vielleicht fragen, ob es nur ein kurzfristig geplantes Folge- oder Vormodell des 911 war (der ja nur wegen Peugeot nicht 901 heißt), aber nein! Porsche baute sowohl von der Urkarosserie, dem F-Model, als auch dem folgenden G-Model (hier jedoch nur für den US-Markt) einen eigenständigen 912.
Die ersten 912er wurden 1965 gebaut. Die Letzten der Reihe liefen 1969 vom Band, während die 911er F-Serie noch bis 1973 gefertigt wurde. Als Porsche den 911 als Nachfolger des 356 einführte, rumorte es in der Fangemeinde, denn der 911 war teuer. Während man den Vorgänger mit 75 bis 130 PS zwischen gut 15.000 und 23.000 DM kaufen konnte, begann der Elfer mit 130 PS bei rund 21.000 DM. Das Einstiegsfahrzeug war also auf einmal grob 40 Prozent teurer. Ein heftiger Schritt, egal was dabei umgestaltet oder weiterentwickelt wurde. Porsche wollte dem schnellstmöglich entgegensteuern und ein günstigeres Einstiegsangebot machen. Und so entstand der 912. Der Startpreis wurde auf 16.250 Euro gelegt und blieb damit knapp über dem des auslaufenden „kleinsten“ 356er. Verbaut wurde beim 912 dabei der 1,6 Liter Vier-Zylinder Boxer des 356 SC mit einem etwas anderen Setup. Er leistet 90 PS, hat aber sein maximales Drehmoment schon um 3500 U/min, wurde also als agiler und Durchzugsstärker angelegt.
Abgespeckter 911 mit allen „Upgrades“
Die Karosserie des 912 ist zu der des 911 nahezu identisch. Anfänglich wurde er mit drei Rundinstrumenten (grüne Schrift, sehr sexy) ausgestattet, der Elfer hatte immer fünf. Optional konnte man bis 1967 noch Uhr und Außenthermometer als zwei weitere ordern. Ab 1968 war die Farbe der Schrift dann auch Weiß wie im Elfer. Man könnte eben sagen, dass der 912 ein lediglich abgespeckter 911 ist, welcher aber auch alle „Upgrades“ des 911 wie zum Beispiel die Vergrößerung des Radstandes bekam. Ebenso konnte optional ein Fünf-Gang-Getriebe anstatt des serienmäßig verbauten Vier-Gang-Getriebes geordert werden. Ab 1967 gab es auch einen 912 Targa mit faltbarer Heckscheibe.
Aber auch bei den Pneus samt Felgen konnte gewählt werden. In Serie wurden Stahlräder ausgeliefert. Es gab aber eben auch schon die berühmten und gesuchten Leichtmetallräder (Fuchsfelgen) in 14 oder 15 Zoll (185er Reifen) – zumindest ab 1967. Damit ist der Look eines „modernen“ F-Models vollumfänglich erreicht – wer es oldschool mag, muss nach einem 65er Modell suchen. Da war der 912 Schriftzug dann sogar noch rechts unten am Heckdeckel, und zwar schräg!
Porsche 912: Einsteigen, wohlfühlen, losfahren
Wir holen unser Testobjekt in Pentling bei S&L Automobile, wo es immer alte Elfer und oft auch ganz besondere zum Kaufen gibt. Gas dreimal treten und der Vier-Zylinder boxt los. Raus geht es aufs Land und Richtung Essing, abtauchen in die Strecke voller Täler und Burgen entlang des Kanals. Und hier merkt man einen weiteren Vorteil des Abspeckens: Der 912 ist etwas gutmütiger in puncto Fahrverhalten. Der Elfer ist generell ein hecklastiges Auto mit allen Reizen und einhergehenden Gefahren, die ein kräftiger Heckmotor mit sich bringt. Beim 912er wurden ja zwei Zylinder „weggespart“, samt Leistung, aber eben auch samt lästigem Gewicht.
185 km/h stehen nicht umsonst als V-Max in den Papieren
Und ja: Er bietet wirklich für einen Oldie mehr als angemessen Durchzug, dreht willig aus und saugt dabei kernig und geräuschvoll an. Mit einem Käfermotor sollte dieses Setup nicht verglichen werden, es sind eher entfernte Verwandte mit den gleichen guten Genen. Unser Testwagen hat eine herrlich leicht zu betätigende Kupplung, akkurate Bremsen und fährt sich einfach nur wunderbar. Fenster runter und die freundlichen Grüße anderer Verkehrsteilnehmer zu erwidern wurde zur Hauptaufgabe. Da stört es auch nicht, wenn man mal in einer Kolonne zehn Kilometer hinter Traktoren und Lkws her rollt – der Überholvorgang ist dann dank spontaner Gasannahme ein Genuss. Und nicht vergessen: 185 km/h stehen nicht umsonst als V-Max in den Papieren! Bei 970 Kilo ist der Porsche ein Handling-Spaß.
Eine echte Rarität
Dass es sich um ein seltenes Fahrzeug handelt, sieht man schon, wenn man den Fahrzeugmarkt eines großen Autoportales in Deutschland durchsucht: Da werden gerade mal 21 Stück angeboten. Von der rostigen Restaurationsbasis für 30.000 Euro bis hin zum perfekten Zustand für dann auch gut 100.000 Euro. Produziert wurden vom F-Model dabei insgesamt knapp 31.000 Stück, geliefert in die ganze Welt. Unser roter 912er ist in einem 2+ Zustand mit frisch überholtem Motor und wird für 60.912 Euro angeboten.
Nick Lengfellner | filterVERLAG