Für den MotoFILTER hat David Schumacher einiges über seine Erfahrungen im Rennsport erzählt: Mehr über seine Erwartungen an die DTM während seiner Debüt-Saison, den Vergleich zum Formelsport, dessen finanzielle Zwänge und seine Kritik am Sponsoring gibt es hier im exklusiven Interview mit dem DTM-Newcomer.
David Schumacher ist mit 20 Jahren einer der jüngsten Rennpiloten der aktuellen DTM-Serie. Wie schon sein Vater Ralf Schumacher geht auch David dabei in einem Mercedes an den Start. Doch im Gegensatz zu Ralf kommt David Schumacher nicht aus der Formel 1, sondern will noch in die Königsklasse des Rennsports aufsteigen. Das Interview aus unserem aktuellen und brandneuen Motofilter in voller Länge.
„Der Name Schumacher verpflichtet“
Als Neffe der Ikone Michael und Cousin von Mick Schumacher steht David auch bei seiner Debüt-Saison in der DTM im Fokus der Medien, denn der Name Schumacher verpflichtet. Momentan ist David dabei, aus dem Schatten seiner Familienmitglieder zu treten und hat große Pläne – auch wenn er versucht, im Hier und Jetzt zu leben. In unserem exklusiven Interview berichtet David über die Umstellung von Formel- auf Tourenwagen, das Problem mit dem Geld in der Formel 1 und die teils harsche Kritik seiner Freundin an seinem Fahrstil.
Servus David! Wo erwischen wir Dich und wie geht es Dir?
Ich bin gerade bei meinem Vater auf seinem Bauernhof und arbeite recht viel mit den Tieren hier. Gestern sind ein paar Schweinchen auf die Welt gekommen – das war wirklich süß, hat aber ganz schön lang gedauert! Natürlich ist es immer schön, so etwas mitzuerleben.
„Hätte erwartet, dass die DTM organisierter wäre“
Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle zu Deiner Debüt-Saison in der DTM! Entspricht die Rennserie bisher Deinen Erwartungen?
Vielen Dank! Teils, teils würde ich sagen. Ich hätte erwartet, dass die DTM in einigen Bereichen ein bisschen organisierter wäre – gerade, was den Strafenkatalog angeht –, aber sonst läuft eigentlich alles recht gut und ich fühle mich sehr wohl. Ich finde das Media-Team macht einen guten Job und gerade das Umfeld im Fahrerlager ist deutlicher offener und ein bisschen „spaßiger“ als im Formel-Sport.
Wie kommst Du mit Deinen sehr DTM-erfahrenen und erfolgreichen Teamkollegen Lucas Auer und Maximilian Götz klar? War die Situation in irgendeiner Form einschüchternd für Dich?
Einschüchternd sicher nicht – ich habe das eher als etwas Positives und eine Chance zu lernen gesehen. Das ist schon wie bei meinem Onkel oder Papa im Formel-Sport, die mir da Tipps geben konnten. Gerade Maxi Götz hat extrem viel Erfahrung, von ihm kann ich noch einiges lernen – auch, was das Auto angeht. Ich weiß gar nicht, wie viele Kilometer er schon in dem GT3 hat! Es hat eigentlich nur Vorteile für mich, dass ich ihn und Luggi als Teamkollegen habe.
„Was später kommt, ist mir erstmal egal“
Dein Traum ist weiter, in der Formel 1 zu starten. Wie stehst Du mittlerweile zum „Umweg“ DTM? Ist die Tourenwagen-Serie vielleicht sogar eine dauerhafte Alternative?
Das ist schwierig zu sagen! Ich lebe immer in dem Jahr und der Saison, in der ich gerade bin – was später kommt, ist mir erstmal egal. Das habe ich schon immer so gemacht. Jetzt fahre ich diese DTM Saison und ob die Serie dann ein Sprungbrett ist oder ob ich dabei bleibe, weiß ich noch nicht und muss es für mich selbst noch herausfinden. Natürlich spreche ich darüber auch mit meinem Papa und wir schauen, wie es läuft.
Was sind für Dich die größten Unterschiede zwischen Formel- und Tourenwagen? Entscheiden die Fahrassistenten oder das höhere Gewicht der Fahrzeuge? Wie ging es Dir mit der Umstellung?
Das Dach darf man nicht vergessen! Man hat überhaupt keinen Fahrtwind mehr und dadurch ist es auch verdammt heiß in dem Auto, das bin ich gar nicht gewohnt. Ich bin schon in Malaysia bei über 30 Grad und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit Formel-Rennen gefahren und das war nicht so schlimm wie ein reguläres Rennen in einem DTM-Wagen. Daran muss ich mich wirklich noch gewöhnen, auch wenn es schon besser geworden ist.
Natürlich sind ABS und Traktionskontrolle Dinge, die ich aus dem Formel- und Kartsport nicht kenne. Damit bin ich auf der Rennstrecke nun das erste Mal in Kontakt gekommen und damit habe ich persönlich am meisten zu kämpfen. Ich muss sagen, dass es im GT-Sport sehr einfach war, bis auf eine halbe Sekunde an die Spitze heranzukommen – das ging bereits nach zwei bis drei Tagen im Auto. Die letzten paar Zehntel sind jedoch richtig schwer.
Über die DTM, die Formel 2 und Formel 3
Heißt das für Dich auch, dass der Formelsport in einer gewissen Weise puristischer als die DTM ist?
Ich denke, die beiden Sportarten sind einfach anders. Der GT-Sport ist ja darauf ausgelegt, dass Leute, die in einem Rennauto Spaß haben wollen, ein schnelles Fahrzeug haben, das möglichst einfach zu fahren ist. Ein Formel-Wagen ist darauf ausgelegt, möglichst schnell um die Runde zu kommen und das ist unterm Strich ohne ABS und Traktionskontrolle besser möglich. Wenn jetzt natürlich ein Mitte-50-jähriger Mann aus Spaß GT3 fahren möchte und da ist kein ABS und keine Traktionskontrolle, dann kann das bei einem Rennwagen mit rund 550 PS ganz schnell sehr böse enden.
Nach Deiner erfolgreichen Zeit in der Formel 3 wäre der nächste Schritt ein Cockpit in der Formel 2 gewesen. Du hast bereits sehr offen über Deine Probleme mit dem Sponsoring System und den finanziellen Zwängen der Formel 2 gesprochen. Wie sehr ärgert Dich der steinige Weg in die Formel 1?
Ich find' es eigentlich in erster Linie schade, weil es den Sport regelrecht zerstört. Es nimmt vielen jungen Talenten die Chance, überhaupt jemals in diese Richtung zu kommen. Ob sich das wieder ändern wird, weiß ich nicht. Ich hoffe es natürlich sehr!
„Es wäre ziemlich einfach, die Umstände zu ändern“
Was müsste Deiner Meinung nach konkret getan werden?
Es wäre ziemlich einfach, die Umstände zu ändern. Man müsste die ganze Serie durch ein Team leiten lassen, quasi wie bei manchen Markenpokalen, sodass die Bedingungen angeglichen werden und wirklich der Fahrer entscheidet. Momentan ist es eher so, dass mehr Geld ein besseres Team bedeutet und ein besseres Team bedeutet, dass man bessere Chancen auf die Meisterschaft hat. Das ist meiner Meinung nach mittlerweile fast die einzige Chance, wie man das wieder runterkriegen könnte, was das Geld angeht. Ich denke aber, dass es sich nicht in diese Richtung entwickeln wird – ich denke eher, dass es sogar noch teurer werden wird.
Entscheidet heute also mehr das Auto über Erfolg oder Niederlage als der Fahrer?
Ich bin der Meinung, dass es heutzutage zu 70 Prozent aufs Team ankommt und zu 30 Prozent auf den Fahrer. Wenn nicht sogar 80 zu 20. Den Eindruck habe ich auch aus meinen letzten Jahren in der Formel 3. Als ich den Sprung von 2020 nach 2021 gemacht habe, hatte ich ja zwei verschiedene Teams und das war ein Unterschied wie Tag und Nacht. Generell vom Auto und dem Feeling beim Fahren her, aber auch von der Arbeit, die das Team im Hintergrund leistet. Das sind so viele Unterschiede, die aber auch nur mit Geld gefüllt werden können und das macht natürlich auch viel kaputt. Ohne das Geld des Fahrers geht es generell nirgendswo mehr hin.
Von Lieblingsstrecken und Lieblingswagen
Was sind Deine Lieblingsstrecken und warum? Wo willst du unbedingt noch fahren?
Auch wenn die DTM dort nicht fährt, ist meine Lieblingstrecke bisher Macau. Dort mit der Formel 3 zu fahren war wirklich ein tolles Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Ansonsten würde ich mir für die DTM wünschen, dass wir noch ein Rennen in Abu Dhabi oder Bahrain fahren würden. Insgesamt reizen mich die Strecken dort. Ich glaube aber, dass das logistisch nicht gerade einfach ist.
…und gibt es Rennwagen, die Du unbedingt noch steuern möchtest?
Leider hatte ich noch nicht die Chance, einen Formel 1 Wagen zu fahren. Das ist auf jeden Fall ein Traum von mir – zum Glück hat Papa noch ein paar Autos! Vielleicht darf ich da doch noch einmal in eines einsteigen. Wenn ich mir einen Wagen aussuchen dürfte, wäre es wahrscheinlich der BMW von meinem Vater aus der Zeit 2001 bis 2003. Das Auto war wirklich unglaublich. Die hatten damals im Quali-Modus um die 22.000 Umdrehungen mit über 1.000 PS.
„Natürlich würde ich gerne mal gegen meinen Vater fahren“
Wer wäre Dein Traum-Team-Kollege in der Formel 1? Egal, ob aktiv oder ehemalig.
Natürlich würde ich gerne mal gegen meinen Vater fahren – das reizt mich sehr. Ich glaube aber, dass er das nicht mehr machen würde, weil er schon mit 30 Jahren gesagt hat, dass er zu alt ist. Also mal schauen, ob ich ihn noch überredet kriege. (lacht)
Deine Freundin Vivien Keszthelyi ist ebenfalls Rennfahrerin. Wie entscheidet Ihr, wer privat hinter dem Steuer sitzt?
Das entscheiden wir ganz einfach danach, in wessen Auto wir sitzen. Ich fahre mein Auto und sie ihres, wie es sich gehört! (lacht) Ich bin aber auch ganz ehrlich, dass ich gerade bei langen Strecken nicht immer Lust habe zu fahren und sie frage, ob sie nicht fahren will. Da gab es eigentlich noch nie Probleme.
„Mach doch einfach mal!“
Auf wessen Feedback hörst du eher? Auf das Deines Vaters oder das Deiner Freundin?
Das kommt auf die Situation an! Ich würde wahrscheinlich meistens eher auf meinen Vater hören, alleine weil er natürlich einiges mehr an Erfahrung mitbringt. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich nie vergessen werde, wie angefressen meine Freundin nach meinem ersten DTM-Rennen im GT3-Auto war. Sie ist ja selber GT gefahren und war richtig sauer, weil ich nicht aggressiver gefahren bin, weil man sich in den Autos viel mehr erlauben kann. Sie meinte dann sogar „Warum bist du denn nicht einfach mal reingefahren? Da passiert doch nichts, die Autos halten so viel aus – mach doch einfach mal!“ Ich habe mich mittlerweile etwas dran gewöhnt, man kann sich wirklich sehr anlehnen mit den Autos.
Konkurrenzdenken in der Schumacher-Familie?
Wie stark ist das Konkurrenzdenken zu Deinem Cousin Mick Schumacher? Steht ihr regelmäßig in Kontakt?
Wir haben schon regelmäßig Kontakt, aber ich sehe da keinen Konkurrenzkampf. Mick ist ein paar Jahre älter und wir haben auch unterschiedliche Laufbahnen genommen. Er hat zum Beispiel immer zwei Jahre in derselben Rennserie gemacht, das hatte ich mit Ausnahme der Formel 3 nie.
Wie wäre es für Dich in derselben Rennserie wie Mick an den Start zu gehen? Auch mit Hinblick auf die Geschichte von Ralf und Michael Schumacher.
Ich denke für deutsche Motorsport-Fans wäre das ein Riesen-Erlebnis, Mick und mich zusammen in einer Serie zu sehen – egal ob jetzt DTM, Formel 1 oder etwas ganz anderes. Ich würde natürlich auch sehr gerne nochmal gegen Mick fahren, nachdem das letzte Mal noch im Kart-Sport war. Das müsste 2013 oder 2014 gewesen sein – ist also schon ziemlich lange her.
Zwischen Rennwagen und Bauernhof
Was ist Dein persönlicher Ausgleich zum Rennfahren?
Puh… Eigentlich zum größten Teil Sport – auch mal ganz normal ins Fitness-Studio. Ich spiele auch ganz gerne Golf, um runterzukommen. Das ist sehr ruhig, nah an der Natur und macht mir sehr viel Spaß. Was dann bei mir noch dazukommt ist Gaming. Ich spiele sehr gerne Videospiele, gerade auch Formel 1 mit Freunden – das ist immer sehr lustig. Ich bin auch sehr gerne hier bei meinem Vater auf dem Bauernhof, aber das war es dann auch.
„Ich denke, da liegt die Zukunft“
Wie ist es, mit Rennspielen auf der Konsole und Simulationen im Training aufzuwachsen? Glaubst Du, die heutigen Möglichkeiten sind ein Vorteil für junge Talente wie Dich?
Ich denke schon, dass das einiges helfen kann. Ich merke das auch bei mir selbst: Wenn ich konsequent vor einem Rennwochenende drei bis vier Tage investiere und im Simulator übe, hilft mir das schon einiges. Es gibt aber auch Leute wie meinen Vater, denen nach einer halben Stunde in meinem Simulator schlecht wird und die danach nicht mehr fahren können. Ich denke, das ist von Person zu Person unterschiedlich. Mir persönlich hilft der Simulator sehr – nicht unbedingt um das letzte Zehntelchen „rauszukratzen“ –, aber um einfach mal die Strecke kennenzulernen, die Gänge, Kurven, Bremspunkte und auch andere Setup-Ideen auszuprobieren. Ich denke, da liegt die Zukunft.
Welche Ziele hast Du für die restliche DTM-Saison?
Richtige Ziele habe ich nicht. Ich will einfach so viel wie möglich lernen. Ich hoffe, dass ich über die Sommerpause einen ordentlichen Schritt nach vorne gemacht habe und wir uns da verbessern konnten. Regelmäßig in den Top Ten mitfahren zu können, wäre nicht nur wichtig für die Meisterschaft, sondern mental für mich. Ich glaube auch, dass wir das als Team hinkriegen können.
Danke für das nette Gespräch, David! Viel Erfolg für die restliche DTM-Saison und Deine weitere Karriere.
Lucas Treffer/RNRed