Der Sport- und Schwimmverein Jahn Regensburg e.V. gehört zu Regensburg wie die Wurschtkuchl oder der Dom. Seit der ersten „filter“-Ausgabe vor 20 Jahren hat sich auch bei den Rot-Weißen viel getan. Aufstiege, Abstiege, Umzüge und mehr. Wir blicken zurück auf Geschichten, wie sie nur der Fußball schreiben kann.
Zwei Dekaden fühlen sich im schnelllebigen Fußball gerne auch mal wie ein ganzes Jahrhundert an. Kaum ein Verein der drei Bundesligen hat seit Beginn der Zweitausender keine skurrilen oder nicht zumindest interessanten Geschichten erlebt, doch der SSV Jahn Regensburg legte die Latte in den letzten 20 Jahren doch ein ganzes Stück höher als so mancher Konkurrent. Pünktlich zum 20. Geburtstag des filter Magazins und dem letzten Liga Spiel vor der Skandal-WM in Katar machen wir uns romantische Fußballgedanken mit dem Jahn aus Regensburg.
2003: Rückkehr in den Profifußball, Markus Weinzierl & Marek Mintal
Die Geschichte des Jahn vor der Jahrtausendwende war bewegt genug, doch im Gegensatz zu bayerischen Kollegen wie dem Kleeblatt aus Fürth oder dem Club aus Nürnberg ging der SSV nicht mit der übermäßigen Hypothek vergangener Meistertitel ins neue Zeitalter. Unsere Reise beginnt also Anfang der 2000er in der Regionalliga Süd, die damals noch dritthöchste Spielklasse war. Der SSV Jahn hatte einen seiner ersten sensationellen Aufstiege geschafft und durfte sich in der 2. Bundesliga beweisen. In der Saison 03/04 traten die Domstädter damit zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder im Profifußball an. Highlight der Saison: Ein 2:1-Sieg gegen favorisierte Nürnberger. Damals noch aktiver Spieler beim Jahn: Ein gewisser Markus Weinzierl, der damals zwar nicht auf dem Platz stand, aber heute eine Bindung zu beiden Vereinen aufweisen kann.
Der spätere Nürnberger Erstligatorschützenkönig Marek Mintal (Hintergrund) hat das Nachsehen gegen engagierte Regensburger. © Jahn Archiv
Mario Basler scheitert (aber der FCA auch)
Nachdem der Ausflug in die 2. Bundesliga leider nur von kurzer Dauer sein sollte, versuchte der Jahn, mit der Verpflichtung großer Fußballprominenz die sofortige Rückkehr zu erzwingen. Ein damals hoffnungsvolles und unverbrauchtes Trainer-Talent mit dem Namen Mario Basler versuchte sein Glück an der Donau. Nach 13 Siegen in 35 Spielen war Schluss für den Ex-Nationalspieler, der sein Glück in den folgenden Jahren lieber im Fernsehen suchte. Am Ende standen für den Jahn ein Mittelfeldplatz und die Gewissheit, mit einem Sieg über den FC Augsburg den Aufstieg der bayerischen Schwaben verhindert zu haben. Nicht wenige sehen hier den Ursprung einer erbitterten Rivalität, die sich später durch Personalwechsel noch vertiefen sollte.
Stürmer Markus Knackmuß bejubelt das zwischenzeitliche 2:0 (2:1) gegen den VfL Bochum (DFB-Pokal, 2003/04) © Jahn Archiv
2006: Bayernliga statt Sommermärchen
In den folgenden Saisons stabilisierte sich der Jahn zwar sportlich für zwei Saisons, musste aber mit dem ein oder anderen Erdbeben hinter den Kulissen kämpfen. Präsident Franz Nerb, der später zu durch finanzielle Verstrickungen zu überregionaler Prominenz kommen sollte, sorgte mit seinem Streben nach Alleinherrschaft beim Verein für Unruhe, setzte sich aber schlussendlich gegen seine Widersacher durch. Dummerweise lief es anschließend sportlich nicht mehr allzu rund im Schatten des Doms und so musste der Jahn 2006 tatsächlich den Gang in die – damals noch als 4. Liga fungierende – Bayernliga antreten.
Als Verein mit dem höchsten Etat der Liga konnte der Jahn eine junge und schlagkräftige Truppe formieren. Unter den Neuzugängen fand sich auch ein talentierter Innenverteidiger aus Osteuropa: Mersad Selimbegovic begann hier vor rund 16 Jahren seine Zeit im Regensburger Verein, der ihn Jahre später zum Cheftrainer machen sollte. Am Ende der Saison stand die Rückkehr in die Regionalliga. Gerade rechtzeitig, denn die darauffolgende Saison sollte entscheiden, welche Regionalligisten in der zukünftig eingleisigen dritten Liga spielen dürfen.
Jahnspieler bejubeln den 1:0-Sieg gegen 1860 München II am Ende der Saison 07/08. Mittendrin und trotzdem gut zu erkennen: Mersad Selimbegovic. © Jahn Archiv
2008: Markus Weinzierl kehrt zurück
Mit diesem klaren Ziel vor Augen ging der Jahn in die Saison und legte trotz fehlender Neuzugänge los wie die Feuerwehr. Nach starkem Start folgten längere Durststrecken, doch am letzten Spieltag der Saison 07/08 stand fest, dass die Oberpfälzer bei der Premierensaison der neuen 3. Liga mit dabei sein würden. Nach dem Aufstieg musste der Jahn den zum Ligakonkurrenten abgewanderten Aufstiegstrainer Günter Güttler ersetzen. Die Wahl fiel auf ein Trainer-Team aus zwei alten Bekannten: Die ehemaligen Jahn-Spieler Thomas Kristl und Markus Weinzierl übernahmen das Ruder. Nachdem der SSV in den Abstiegskampf gezogen worden war, übergab das Präsidium Co-Trainer Markus Weinzierl das Vertrauen als Cheftrainer. Unter dem noch jungen Trainer schafften die Domstädter zum ersten Mal seit den Sechzigerjahren den Klassenerhalt in einer Profiliga. Ein gutes Omen für die kommenden Jahre.
Zu viele, um sie alle namentlich zu erwähnen: Die Aufstiegshelden aus der Saison 11/12.
2012: Lebende Legenden – Oli Hein und Sebastian Nachreiner
Nach drei sportlich mehr oder weniger unspektakulären Saisons in der 3. Liga, in denen der Jahn eher mit Präsident Nerb und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu kämpfen hatte, gelang dem Jahn erneut ein großer Wurf. Mit einer jungen und hungrigen Mannschaft, in der mit Oliver Hein und Sebastian Nachreiner zum Teil heute noch aktive Jahn-Legenden kickten, schaffte man 2012 die Qualifikation zur Aufstiegsrelegation in die 2. Bundesliga. Hier wartete der Karlsruher SC, den man durch zwei Auswärtstore bezwingen konnte. Die sensationelle Rückkehr ins Unterhaus des deutschen Fußballs war geglückt.
Jahnspieler holen sich aufmunternden Applaus nach einer Auswärtsniederlage bei Hertha BSC Berlin. Zweitliga-Saison 12/13.
Das schnelle Ende des Traums (und der Start eines neuen)
Mit dem Verlust des Aufstiegstrainers Markus Weinzierl, der nach der Relegation ausgerechnet zum alten Rivalen Augsburg wechselte, begann der viel zu schnelle Fall des SSV Jahn zurück auf den Boden der Tatsachen. Kurios: In der Saison traf der Jahn in der ersten Runde des DFB-Pokals auf den großen FC Bayern München. Mehrere Trainerwechsel, der direkte Abstieg zurück in die dritte Liga und glücklose Personalrochaden bedeuteten, dass der Jahn schlussendlich in der Saison 2014/15 wieder in den Amateurfußball abstürzte. Der Abstieg kam zur absoluten Unzeit, denn der Jahn war gerade dabei, mit großer Zuversicht eine neue Ära einzuleiten und sich professioneller aufzustellen. Ganz oben auf der Wunschliste: Ein neues Stadion.
Dem Jahn bis heute treu geblieben: Sebastian Nachreiner, hier bei einem Drittligaspiel gegen Rot-Weiß Essen in der Saison 13/14.
2015: Die triumphale Rückkehr
So öffnete nach jahrelanger Planungs- und Bauphase 2015 das neue Jahnstadion seine Pforten. Die neue Arena direkt an der Autobahn mit ihrem modernen Design erwies sich gleich als Glückbringer, denn trotz Trainerwechsel innerhalb der Saison, durch den Heiko Herrlich sich für höhere Aufgaben empfehlen konnte, gelang der Regensburger Mannschaft um Spieler wie Pentke, Knoll und Geipl über die Relegation die sofortige Rückkehr in die dritte Liga. Hier angekommen sollte jedoch die bis dato größte Sensation in der jüngeren Geschichte des Jahns glücken.
„Zurück in der Zukunft“ – Der Jahn bejubelt den 2:0-Sieg über Wolfsburg II im Relegationsrückspiel.
Jahn trifft auf zahnlose Löwen
Mit dem heutigen Co-Kapitän Benedikt Saller, Flügelflitzer Erik Thommy und dem treffsicheren Knipser Maro Grüttner gelang das nicht für möglich gehaltene: Der Durchmarsch in die 2. Liga war Ende der Saison 2016/17 zum Greifen nahe. Letzte Hürde für den drittplatzierten SSV waren ausgerechnet zwei Relegationsspiele gegen die bayerischen Rivalen und traditionsreichen „Sechzger“ aus München. 1860 hatte selbst mit Problemen hinter den Kulissen zu kämpfen und so standen die Chancen für Regensburg besser als ursprünglich angenommen.
Der Jahn auf dem Weg zur nächsten Sensation. Hochkonzentriert am Ball: Jann George mit Gegenspieler Levent Aycicek.
Endspiel vor Königsklassen-Atmosphäre
Denn auf dem Papier war die Jahnelf weit unterlegen: Die Münchner wussten mit Stefan Aigner und Ivica Olic nicht nur verdiente Bundesligaprofis mit internationaler Vergangenheit, sondern mit Stefan Ortega und Florian Neuhaus auch Spieler in ihren Reihen, die heute bei Champions League-Vereinen spielen. Auf der anderen Seite schickte Coach Heiko Herrlich eine eingespielte Truppe aufs Feld und entführte vor berauschender und beeindruckender Kulisse von über 60.000 Zuschauern den Aufstieg aus der bayerischen Hauptstadt.
Die Allianz-Arena zu München wird zur Kulisse des Jahn-Triumphs.
Auf Herrlich folgt ein Beier(lorzer)
Was folgte, kann man getrost als Gegenwart des SSV bezeichnen. Wie beinahe schon gewohnt verließ der Aufstiegstrainer Herrlich den Verein und versuchte sich als Coach des Champions League Aspiranten Bayer Leverkusen. Der Jahn verpflichtete Achim Beierlorzer als Nachfolger, der in den Jahren davor unter Ralf Rangnick sein Handwerk gelernt hatte. Unter Beierlorzer erlebte der Jahn in der Saison 2017/18 nicht nur den historischen ersten Klassenerhalt in der 2. Bundesliga, sondern mit einem sensationellen 5. Platz auch seine gleichzeitig beste Platzierung bis heute.
Sebastian Stolze bejubelt seinen Ausgleichstreffer gegen den FC Ingolstadt. Am Ende stand ein 3:2-Sieg des Jahn. Zweitliga-Saison 17/18.
Wie sollte es anders sein: Der Trainer geht von Bord
Personell verpflichtete der Jahn einige nennenswerte Spieler. Allen voran jedoch den heutigen Kapitän Benedikt Gimber und den zuletzt zurückgekehrte Joshua Mees sind auch heute noch im Jahnstadion zu bestaunen. Mit dem sportlichen Erfolg kam jedoch auch wieder das Interesse der Konkurrenz und so verließ Achim Beierlorzer Regensburg nach einer weiteren Saison und einem einstelligen Tabellenplatz Richtung Köln, um in der Nähe eines größeren Doms zu trainieren.
130 Jahre Jahn: Die Choreo der Jahn-Fans zum runden Geburtstag des Vereins.
Das sechste Jahr zweite Liga: Jetzt erst recht.
2019 feierte der Sport- und Schwimmverein vor beeindruckender Choreographie sein 130-jähriges Bestehen. Personell blieb der SSV seiner Linie treu und übergab das Steuer an den ehemaligen Jahnprofi und Co-Trainer Mesad Selimbegovic. In den folgenden Spielzeiten konnte der neue und immer noch aktuelle Coach zwar nicht an die Erfolge anknüpfen, hielt aber meist souverän die Klasse. So blickt der Jahn bereits jetzt auf seine mit Abstand längste Zeit in der 2. Liga zurück. Man darf gespannt sein, was die nächsten 20 Jahre im Jahnstadion bringen. Vom Aufstieg in die 1. Bundesliga bis Relegationsrekordmeister scheint alles möglich beim SSV.
Vom Innenverteidiger zum Cheftrainer: Mersad Selimbegovic.
Lucas Treffer / RNRed