Der Blick auf die Tabelle beschert den Handballerinnen des ESV 1927 Regensburg ihr ganz persönliches Weihnachtsmärchen und stehen nach dem Sieg im Spitzenspiel gegen Göppingen auf Tabellenplatz 1 der 2. Handball-Bundesliga.
Nach dem 27:24 (13:10)-Sieg im Topspiel über den als ungeschlagenen Spitzenreiter angereisten Frisch Auf Göppingen haben die Bunkerladies sensationell ihrerseits die Tabellenführung der 2. Handball Bundesliga Frauen übernommen. Der ausführliche Nachbericht zum Highlight-Spiel.
ESV-Keeperin Stephanie Lukau dreht auf
Zwei klare Vorjahresniederlagen und die angespannte Personalsituation – neben Nicole Lederer fielen kurzfristig mit Anika Bissel, Theresa Lettl und Julia Drachsler gleich drei Spielerinnen krankheitsbedingt aus – ließen die Außenseiterrolle der Gastgeberinnen noch klarer werden. Die Regensburgerinnen wollten dennoch an die acht unbesiegten Ligaspiele in Serie anknüpfen und sich ihrer Haut teuer erwehren. In der Anfangsphase ließen sie einige gute Möglichkeiten aus und lagen so mit 4:7 im Hintertreffen. Dann setzte die überragende ESV-Keeperin Stephanie Lukau mit einer Doppelparade bei einem Strafwurf das erste Ausrufezeichen, dem Franziska Peter im Gegenzug mit einem Geschoss unter die Querlatte das nächste folgen ließ.
Oberpfälzerinnen mit viel Zug zum Tor
Die Deckung, angeführt vom bärenstarken Innenblock Marleen Kadenbach/Franziska Peter, war nun kaum mehr zu überwinden und Göppingen produzierte durch technische Fehler etliche technische Fehler. Motiviert durch die Ballgewinne bewiesen die Oberpfälzerinnen nun viel Zug zum Tor: Sinnbildlich war eine Willensleistung der eingewechselten Carina Vetter, die bei ihrem Saisondebüt den Ball förmlich über die Torlinie kämpfte. Ihr Treffer war der fünfte in Folge und bedeutete einen 9:7-Vorsprung für den ESV. Diesen bauten die Bunkerladies auf 13:9 aus, bevor ein ärgerliches Gegentor quasi mit der Pausensirene den 13:10-Halbzeitstand manifestierte. Großen Anteil an der Führung hatte auch Torhüterin Lukau, die schon vor dem Seitenwechsel eine zweistellige Paradenanzahl verbuchen konnte.
Rote Karte gegen Rechtsaußen Nicole Schiegerl
Nach Wiederanpfiff gelang der ebenfalls sehr starken Kreisläuferin Sara Mustafic in Unterzahl das 14:10. In der 32. Minute wurden die ohnehin schon dezimierten Bunkerladies durch eine Rote Karte gegen Rechtsaußen Nicole Schiegerl um eine wichtige Spielerin reduziert. Den dazugehörigen Strafwurf parierte Lukau und die Regensburgerinnen meisterten die doppelte Unterzahlsituationen schadlos. In der Offensive übernahmen nun Amelie Bayerl und Marleen Kadenbach, die in Hälfte eins völlig ungewohnt ohne Torerfolg geblieben waren, erfolgreich Verantwortung. Eine wunderbare Finte Bayerls und ein Rückraumkracher Kadenbachs waren die Brustlöser für die beiden Aufbauspielerinnen. Göppingens Coach sah sich angesichts der Abschlussschwierigkeiten des Aufstiegsfavoriten genötigt, die Torhüterin zugunsten einer zusätzlichen Feldspielerin vom Parkett zu nehmen.
Unterzahl bremst Bunkerladies kaum
Die ESV-Deckung blockte und klaute jedoch in Unterzahl einige Bälle: Drei Tore ins leere Gehäuse waren die Belohnung. Hätten die Regensburgerinnen in dieser Phase noch drei weitere Distanzwurfmöglichkeiten genutzt, wäre dies schon früh die Vorentscheidung gewesen. Göppingen gab sich aber auch angesichts des 21:14-Rückstands nicht geschlagen und riskierte mit einer offensiven Deckung alles. Die Regensburgerinnen hatten das Spiel weiterhin im Griff – eigentlich. Eine folgenschwere Fehlentscheidung der ansonsten soliden Unparteiischen, die Amelie Bayerl wegen einer angeblichen Unsportlichkeit („Verzögerter Freiwurf“) sorgte dann erneut für eine Unterzahl samt Ballverlust. Göppingen nahm das Geschenk an und verkürzte auf 25:23 in der 56. Minute.
248. Tag in Folge ungeschlagen vor heimischen Publikum
In Unterzahl holte Carina Vetter unwiderstehlich einen Strafwurf heraus, den Kadenbach nervenstark verwandelte. Die phänomenale Stephanie Lukau wehrte dann noch zwei Gegenstöße ab und machte so den Deckel auf den hochverdienten Erfolg. Als Franzi Peter 20 Sekunden vor Ultimo den finalen ESV-Treffer setzte, wurde der extrem stimmungsvolle „Bunker“ an der Dechbettener Brücke endgültig zum Tollhaus. Die Bunkerladies blieben auch am 248. Tag in Folge auf eigenem Parkett ungeschlagen und wurden minutenlang für den Coup von der Tribüne gefeiert. Der Lohn des unermüdlichen Kampfs war nicht nur der Sieg gegen den Favoriten, sondern auch der Sprung auf Platz eins.
„Teamleistung par exellence“
Trainer Csaba Szücs zog den Hut vor seinem Team: „Wie die Mädels die Ausfälle vor und während des Spiels kompensiert haben, ist einfach unglaublich. Ich bin sehr stolz auf die gezeigte Leistung.“ Der Sportliche Leiter Robert Torunsky freute sich über den „historischen Sieg“ und strich die „Teamleistung par exellence“ heraus. „Die Mädels waren alle großartig, aber dennoch muss man an Steph mit ihren 18 Paraden und Cari für ihr Comeback ein Sonderlob verteilen.“ Der Rest war kollektive Freude über ein denkwürdiges Spiel.
ESV 1927 Regensburg:
Tor: Stephanie Lukau, Johanna Ziegler, Norá Mestyán (n. e.)Feld: Marleen Kadenbach 7/2, Franziska Peter 6, Amelie Bayerl, Sara Mustafic, Nicole Schiegerl je 3, Anna Fuhrmann, Carina Vetter je 2, Johanna Brennauer 1 sowie Franziska Höppe und Sophia Peter.
Hans-Christian Wagner / RNRed