Im allmonatlichen Autotest nehmen wir heute den 911 Targa von Porsche genauer unter die Lupe: Was kann der junge Elfer? Kann man überhaupt noch ein System verbessern, dass sich seit Ewigkeiten als Go-To etabliert hat? Wir stellen den Targa auf die Probe.
Der 911 Targa – hier sogar in der allradgetriebenen Version und mit der Sonderausstattung und vor allem der Extrapower der GTS-Reihe. Ein Versprechen an den Frühling, zumindest wenn man irgendwie noch einen bekommt. Wer heute bestellt, wartet schlicht zwei Jahre – wenn er Glück hat, wohlgemerkt.
Ein teurer Spaß?
Wer aufmerksam die Gebrauchtbörsen wälzt, wird dort von privat als Neuwagen angebotene Modelle mit gut zehn Prozent Aufschlag auf den Neupreis finden (also gerne mal 20.000 Euro). Die Nachfrage nach Elfern ist in den letzten Jahren rapide angestiegen, sowohl bei den Neuen als auch bei den jungen Gebrauchten und den Oldies. In diesen Zeiten zahlt man für einen guten GTS der 991er Generation (2011-2019) fast den damaligen Neupreis. Der Elfer ist das Paradebeispiel in Sachen Wertstabilität und die kommt eben vorwiegend über das, was er tatsächlich kann und was dadurch wiederum in ihm gesehen wird. Ist die aktuelle Generation dann erneut top, so trägt sie wieder zum Nimbus der gesamten Modelreihe und damit deren Wert bei.
Höher, besser, weiter!
Jeder Elfer schafft es irgendwie wieder, seinen Vorgänger merklich abzuhängen – und das in einem Bereich, wo man sich immer denkt: Er ist eigentlich schon wirklich ganz weit vorne, ist das Ende der Fahnenstange für dieses Konzept doch erreicht!? Aber immer wieder wird die Fahrdynamik nochmals verbessert und es gibt noch mehr Power. Schauen wir doch zum Vergleich auf einen 911 Modell 997 (2004-2012), quasi der Großvater. Damals wuchs zum Beispiel der Radstand um satte zehn Zentimeter an, während die Fahrzeugbreite exakt auf den Millimeter gleich blieb.
In optionaler Kombination mit einer lenkenden Hinterachse bleibt damit die Agilität auf kurviger Straße mindestens erhalten, die Ruhe beim Highspeed ist jedoch deutlich besser. Wer Speed abruft, erlebt heute keine unliebsamen Nervositäten bei Spurrillen oder sonstigen Fahrbahneinflüssen mehr, stattdessen: Laufruhe und Präzision. Und während in engen Kurven die Räder zueinander einschlagen und den Radius pro Agilität verkleinern, so zeigen die Räder beim Lenken bei höheren Geschwindigkeiten eben in die gleiche Richtung und versetzen das Auto anstatt es zu zirkeln. Auch die elektromechanische Lenkung (gutes Feedback!) sowie die unterschiedliche Größe der Felgen (20 vorne und 21 Zoll hinten) erhöhen die erlebte Dynamik weiter.
Neues auch am Motor
Und auch motorseitig ist natürlich in zwei Generationen viel passiert. Der GTS ist inzwischen zwangsverdichtet – und Turbinen als „Auspuff-Sound-Zerhacker“ hin oder her (Klang satt sonor) –maximale Power im doppelt so breiten Drehzahlbereich schafft eine ganz andere Welt. Ich hatte den neuen GTS als Coupé letztes Jahr auf der Rennstrecke: Dieses fahrdynamische Feuerwerk brennt lange im Kopf nach.
911 Targa: Die Hard Facts
Schließen wir hier den Vergleich zum 997 noch kurz ab: Letzteren gab es als Targa im 4S mit maximal 385 PS und als seltenes GTS-Coupé mit 408 PS. Die 385 PS brachten den Targa in circa 4,8 Sekunden auf 100 km/h. Die gut 1.550 Kilo schafft der Enkel nicht mehr (1.650 Kilo als Schalter), drückt aber üble 480 PS auf die Straße. Besonders heftig, da bereits ab 2.300 U/min 570Nm Drehmoment von der Kurbelwelle auf das Getriebe losgelassen werden – der Opa hatte maximal 370 Nm zu bieten und das erst bei 4250 U/min. Das jetzige Drei-Liter-Triebwerk beschleunigt das Fahrzeug damit in 3,5 Sekunden auf 100 km/h, gut eine Sekunde schneller als früher. Wer unser Testfahrzeug dann ausfahren möchte, erreicht 307 km/h – mindestens!
Wir haben übrigens bei 130 km/h auf ebener Strecke 9,1 Liter auf 100 Kilometer verbraucht. Dabei war bei uns ein Doppelkupplungsgetriebe verbaut, acht Gänge für ein ultraschnelles Halleluja, aber Gott sei Dank kann man ihn auch mit Schaltung bestellen – wir Puristen sterben aber aus. Und so wählt man dann bei der PDK gerne den manuellen Modus, peitscht die Gänge kurz vor dem zu schnell erreichten Begrenzer bei 7.500 U/min mit der Schaltwippe durch und erfreut sich des brachialen Durchzugs in allen Straßenlagen.
„Eben kein normaler Elfer“
Und dann wäre da eben noch das verheißungsvolle „GTS“, das Zeichen, dass hier etwas an der sportlichen Spitze der Elfermodelle steht. Kein GT2, kein GT3 aber auch eben kein normaler Elfer. Das GTS Paket erhöht die Leistung des Motors um 30 PS, beinhaltet ein Sportfahrwerk sowie Felgen mit Zentralverschluss – very sexy! Bei Coupé und Cabrio kommt sogar ein eigenes Fahrwerk dazu. Dazu kommen noch optische Upgrades wie schwarze Kontrastelemente, ein schwarzer Targabügel, eigenständige Heckleuchten, ein mit Mikrofaser überzogenes Lenkrad, Sportsitze und so weiter. Wer will, optioniert noch das Leichtbaupaket das über Sitze, Dämmung, Verglasung et cetera 25 Kilo einspart (8.401 Euro). Die Hinterachslenkung ist, wie gesagt, ebenfalls optional und kostet 2.249,10 Euro Aufpreis.
Der Targa ist von Haus aus etwas schwerer da unter anderem die Karosserie unten zusätzlich versteift wird. Die Technik des Targadaches ist jedenfalls deutsche Ingenieurskunst, wie man sie auf der ganzen Welt (noch) liebt. In 20 mitgestoppten Sekunden – nur im Stand auslösbar – fährt der hintere Teil des Autos nach oben und saugt das Dach ein. Schaurig schön anzusehen.
Los geht die Spritztour!
Wir testen den Porsche und sein Vorderachsliftsystem kurz in der Baustelle des neuen Regensburger Porschezentrums (Eröffnung Herbst 2023) zum Fotoshoot. Industrial Style: Der momentane Kontrast von Beton versus filigrane Fahrzeugtechnik könnte nicht schöner sein und schließlich wird er sich dort zu seinen Services künftig wieder einfinden dürfen.Wir fahren offen los. Acht Grad, blauer Himmel, das schüttere Resthaar sitzt. Und es bleibt auch sitzen. Selbst bei 120 km/h auf der Autobahn bleiben die Haare in des Morgens angedachter Form. Aerodynamik – gut gemacht.
Touch oder doch lieber analog?
In der Modellgeneration 992 erwartet uns neben bester Materialverarbeitung das Cockpit mit den inzwischen bekannten großflächigen Bildschirmen und der sehr reduzierten Menge an sichtbaren Tasten und Wippschaltern. Touchsensitive Flächen und der Bildschirm selbst lassen gesuchte Einstellmöglichkeiten schnell auffinden und sorgen für eine einfache und intuitive Steuerung im Alltag. Unter anderem für Fahrwerk, Klappenauspuff, Traktionskontrolle oder Lüftung bleiben jedoch Tasten und Drehregler – das ist gut so! Porsche unternimmt nicht den Versuch, alles gänzlich zu digitalisieren und in Menus zu packen. Wichtiges bleibt auf einen „Griff“ erreichbar. Schnelleinstellungen für Motor-, Schalt- und Dämpfercharakteristik gibt es am Lenkrad über das dort rechts in den Speichen verankerte Drive-Mode-Wheel. Brav und zahm oder doch „Sport Plus“, damit in Dauervorspannung und bereit loszubrechen? Ein Klick, der Fahrer entscheidet.
911 Targa – das Fazit
Fazit: Der GTS ist einfach nochmal „raciger“ als ein normaler Elfer. Innen beginnend in der Haptik des Materials und fahrdynamisch endend in der Motorpower. Wer dabei etwas offen fahren mag, ohne gleich im Freien sitzen zu wollen, hat mit dem formschönen Targa die richtige Wahl getroffen. Als GTS beginnt er bei 177.471 Euro, in der Basis ist der Targa ab 144.627 Euro zu haben.
filter-Magazin/RNRed