Im Interview mit dem filter blicken wir mit dem Trainer auf die vergangene Saison, analysieren die Schlüsselmomente der Spielzeit und werfen einen Blick in die Zukunft des Eishockey-Standorts Regensburg – denn hier ist laut Max Kaltenhauser das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht.
Max Kaltenhauser und die Eisbären Regensburg – das passt! Nicht nur, dass Coach und ehemaliger Eisbären-Profi Kaltenhauser den Regensburgern mit der Oberligameisterschaft die Rückkehr in die DEL 2 schenkte, in der ersten Saison im deutschen Eishockey-Unterhaus seit den frühen 2000er Jahren schafften die Domstädter einen souveränen Klassenerhalt und durften sich sogar in den Pre-Play-Offs beweisen.Im Gespräch mit dem Trainer werfen wir einen kurzen Blick zurück, schauen aber auch nach vorne und fragen: Wie ist es DEL2-Coach zu sein?
Nachträglichen Glückwunsch zum souveränen Klassenerhalt in der DEL 2, Herr Kaltenhauser! Wie groß war die Erleichterung, am Ende der Hauptrunde auf einem sicheren Mittelfeldplatz zu stehen?
Unbeschreiblich groß! Tatsächlich auch weil mir schon bewusst war, wie schwer das hätte werden können, wenn wir in den in die Playdowns gemusst hätten. Es war schon während der Saison meine Prognose, dass Bayreuth nicht die Mannschaft sein wird, die absteigt, weil sie sich die ganze Zeit auf die finalen Spiele gegen den Abstieg vorbereiten konnten. Auf der anderen Seite haben wir mental bis zum letzten Moment um diesen zehnten Tabellenplatz gekämpft. Hätte das unter dem Strich nicht geklappt, wäre das ein Wirkungstreffer gewesen, den wir nicht einfach so verdaut hätten. Man muss klipp und klar sagen, dass uns quasi jede Mannschaft außer uns selbst vor der Saison auf dem letzten Tabellenplatz gesehen hat.
In den Playdowns werden die Karten dann neu gemischt und da hätte es dann sicherlich auch uns treffen können, vor allem weil wir mir Richard Divis einen schwerwiegenden Ausfall zu beklagen hatten. Auch Corey Trivino hatte sich einen Bruch zugezogen, mit dem er zwar noch gespielt hat, aber sicher nicht bei 100 Prozent war genau wie Jakob Weber, der ebenfalls erkrankt ausfiel. Auch deshalb war ich unheimlich erleichtert, dass wir ohne den Umweg der Playdowns die Klasse halten konnten.
Ihr Team hat sich den Klassenerhalt aber auch hart erarbeitet! Waren die Pre-Playoff-Spiele unter dem Strich nur eine nette Dreingabe zum erreichten Ziel „Klassenerhalt“?
Klar war auch das Quäntchen Glück dabei aber das haben wir uns über die Saison auch verdient. Die Enttäuschung über das Ausscheiden in den Pre-Play-Offs hielt sich definitiv in Grenzen, weil die eigentliche Mission schon erfüllt war. Wir haben natürlich trotzdem nochmal versucht uns so gut es geht präsentieren, was uns auch hervorragend gelungen ist. Im ersten Spiel waren wir aus meiner Sicht mindestens ebenbürtig. Im zweiten Spiel waren wir dann sogar besser. Gerade während Spiel 2 habe ich an unser erstes Spiel gegen Landshut nach dem Aufstieg denken müssen, in welchem wir absolut keine Chance hatten. Jetzt zum Ende der Saison, hatten wir uns so weiterentwickelt, dass wir nicht nur auf Augenhöhe agieren konnten, sogar hätten gewinnen können. Das hat es für mich sehr einfach gemacht, trotz Niederlage zufrieden mit meiner Mannschaft zu sein. Nichtsdestotrotz wären wir natürlich auch gerne weitergekommen, aber wir haben uns so oder so achtbar aus der Affäre gezogen und Landshut alles abverlangt.
Welche Spieler haben Sie vergangene Saison besonders positiv überrascht?
Ich bin kein Fan davon, einzelne Spieler hervorzuheben. Der Weg zum Ziel „Klassenerhalt“ war immer, dass wir eine starke Einheit waren, die nicht aus den stärksten Einzelteilen bestand und trotzdem andere Mannschaften hinter sich lassen konnte. Deswegen will ich da wirklich niemanden ins Rampenlicht stellen. Bei uns haben auch Spieler, die in den Augen der Allgemeinheit nicht immer super performt haben, haben ihren Teil zum Saisonziel beigetragen. Es haben zu jedem Zeitpunkt alle am gleichen Strang gezogen und das ist definitiv auch wieder das Ziel für die kommende Saison. Nur so stehen die Chancen auf den erneuten Klassenerhalt wieder gut.
Was waren Ihre Highlight-Spiele nach der Rückkehr in die DEL 2?
Da fällt mir spontan gleich das allererste Saisonspiel gegen Bayreuth ein, die vor der Saison die meisten wahrscheinlich auch woanders gesehen haben. Vor dem Spiel wussten wir einfach überhaupt nicht, wo wir stehen und damals wäre der eine oder andere sicher auch nicht überrascht gewesen, wenn wir in dem Spiel unter die Räder gekommen wären. Dass wir dann gleich 3:0 gewinnen konnten, war sicherlich einer der Faktoren, der unseren guten Start ermöglicht hat. Mit dem Spiel konnten wir das Selbstvertrauen, das wir in der Oberliga entwickelt hatten, mit in die neue Saison nehmen. Man muss auch einfach sagen, dass auf diesem Niveau alle Mannschaften gute Spieler und gute Torhüter haben, was dazu führt, dass vieles einfach im Kopf entschieden wird. Das heißt, es braucht ein gewisses Selbstvertrauen. Sicher keine Arroganz, aber man sieht einfach, was passieren kann, wenn man dieses Selbstverständnis nicht hat.
Je höher die Spielklasse, desto kleiner werden die technischen Unterschiede und desto wichtiger wird der Kopf. Deswegen war das Spiel gegen Bayreuth gleich zu Beginn der Saison so wichtig für mich. Natürlich kann und muss man hier auch den Derby-Sieg gegen Landshut, den Erfolg gegen Selb oder die Hochkaliberspiele gegen Kassel und Krefeld, die wir zuhause für uns entscheiden konnten, erwähnen. Für mich ist aber wirklich einfach jeder Sieg etwas Besonderes. Ein Sieg ist einfach genau die Bestätigung für die Arbeit, die man Woche für Woche investiert. Natürlich ist es immer besonders, wenn man sich dann auch noch gegen einen Gegner durchsetzt, der auf dem Papier deutlich stärker sein sollte, aber Siegen macht in jedem Fall Spaß (lacht).
Sind die Eisbären auch nächstes Jahr für den Rest der Liga die Underdogs? Werden Sie die eigne Erwartungshaltung anpassen?
Das ist natürlich immer die Frage, aus wessen Sicht man das bewerten möchte. Jemand, der sich mit der DEL 2 genauer auseinandersetzt, wird wissen, dass wir auch in der kommenden Saison der Underdog sein werden. Natürlich haben wir schon an Erfahrung dazugewonnen, aber auf der anderen Seite geht uns auch die Aufstiegseuphorie ab, die uns dieses Jahr getragen hat. Das Selbstverständnis, die meisten Spiele zu gewinnen, wie in der Oberliga, wird den Spielern in der kommenden Saison fehlen. In Amerika spricht man da vom „Sophomore Slump“. Das zweite Jahr ist immer das Schwierigste, weil das Umfeld eventuell denkt man hat einen Schritt getan und kann nun den nächsten tun.
Intern wollen wir diesen Denkfehler unter keinen Umständen machen, weil wir genau wissen, dass sich unser Budget noch lange nicht da bewegt, wo andere Clubs, die mit uns um den Klassenerhalt kämpfen stehen. Von oben kommt ein DEL-Absteiger und von den vieren, die noch von unten aufsteigen können, sind alle finanziell wesentlich potenter als wir und werden dementsprechend einkaufen. Nächstes Jahr steigen gleich zwei Mannschaften ab, wir werden also nicht meinen, dass jetzt automatisch alles sogar noch besser läuft. Das ist kein falsches Understatement, sondern einfach Realismus, den ich mir auch für unser Umfeld wünsche. Natürlich wollen wir uns immer verbessern, aber um auch nächste Saison wieder in die Playoffs zu kommen, müssten wir jetzt fünf Teams hinter uns lassen und das wäre mindestens so sensationell wie dieses Jahr. Man darf auch nicht vergessen, dass die Mannschaften in unserer Tabellenregion wie Crimmitschau und Selb den Anspruch haben, nächstes Jahr weiter oben zu stehen.
Die Eisbären sind gleich in Ihrer ersten Saison weit oben in der Zuschauerschnitt-Tabelle der DEL-2 gelandet: Wie wichtig war die Unterstützung der Fans und wie groß der Anteil der Euphorie nach der Oberligameisterschaft und hofft man, dass die Euphorie nach dem Klassenerhalt ähnlich groß ausfällt?
Natürlich freut uns das und wir sind in erster Linie sehr dankbar, dass die Fans diesen Weg mit uns gegangen sind, wir hoffen aber auch, dass es in den Köpfen der Fans ankommt, dass wir kommende Saison eigentlich die gleiche Ausgangslage haben werden wie dieses Jahr. Wenn ich auf die vergangene Saison zurückblicke, fällt mir bis auf das eine Krefeld-Spiel eigentlich keines ein, in dem ein eklatanter Leistungsunterschied zum Gegner sichtbar gewesen wäre. Es ist die Saison über eigentlich immer Hand in Hand gegangen. Wenn man gute Leistungen abliefert, fällt es dem Publikum natürlich auch leichter, einen zu unterstützen, andererseits hat man auch beim Spiel gegen Krefeld (Endstand 1:6, Anm. d. Red.) gemerkt, wie uns die Fans auch nach dem hohen Rückstand nochmal gepusht haben. Ich hoffe wirklich, dass das Publikum weiterhin so hinter uns steht, weil wir auch nur so in der Liga bestehen können und nächstes Jahr – wie gesagt – nochmal enorm wichtig wird.
Sollte uns der Klassenerhalt nächste Saison glücken, kann man vielleicht wirklich über andere Voraussetzungen sprechen, aber wir wollen nicht über ungelegte Eier reden. Die nächste Saison wird wahnsinnig schwer und natürlich brauchen wir da wieder die gleiche Unterstützung, aber es ist wie immer im Leben: Das wahre Gesicht zeigt sich in der Niederlage. Gerade deshalb hoffen wir, dass unserer Fans uns auch weiterhin so toll unterstützen, sollte es auch mal nicht so gut laufen.
Für die kommende Saison sind schon einige Personalentscheidungen gefallen und der Kader wird nochmal verjüngt mit talentierten Spielern. Wie sieht der weitere Weg der Kaderplanung aus? Was brauchen die Eisbären noch, um auch in der nächsten Saison wieder die Klasse halten zu können?
Wir müssen versuchen das Geld, das wir haben, so geschickt wie möglich einzusetzen und deshalb müssen wir auch weiterhin versuchen, Spieler zu finden, die das Potenzial haben und von unten nach oben wollen. Nachwuchsspieler werden immer günstiger sein, als die, die sich auf DEL oder DEL 2-Niveau schon bewiesen haben. Für gestandene Spieler werden schnell Preise aufgerufen, die wir uns nicht leisten können. Wir versuchen deswegen so intelligent und genau wie möglich zu scouten und hoffen natürlich, dass die Verstärkungen dementsprechend einschlagen. Das sehen wir aber leider erst mit dem Beginn der Vorbereitung und während der Saison, weswegen diese Strategie ein gewisses Risiko mit sich bringt.
Sie haben Ihren Vertrag erst während der Saison langfristig bis 2026 verlängert und in einer Botschaft an die Fans verkündet, dass das Potenzial des Eishockey-Standorts Regensburgs noch lange nicht ausgeschöpft ist: Was meinten Sie damit und wie sehen die mittelfristigen Ziele der Eisbären aus?
Gerade im Sport ist alles von kurzfristigen Zielen geprägt. Ich spreche lieber von langfristigen Potenzialen, weil man sich gerade im Sport so viele Ziele setzen kann, wie man will: Es regiert immer das Tagesgeschäft. Natürlich verfolgt man langfristige Ziele und hat Pläne, aber am Ende des Tages muss man sich mit dem Hier und Jetzt beschäftigen. Sollten wir nächstes Jahr eine der zwei Mannschaften sein, die absteigen, helfen uns die besten Pläne in der Schublade nichts. Auf der anderen Seite muss man natürlich sagen, dass es in einer reichen Wirtschaftsregion wie Regensburg möglich sein muss, Eishockey auf so sichere Beine zu stellen, dass zumindest die Teilnahme an der DEL 2 langfristig gesichert ist. Man muss sagen, dass sportliche Qualität leider oft mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einhergeht. Wenn man also tatsächlich ein wenig träumen möchte, kann man schon darüber reden, dass es grundsätzlich DEL-Standorte gibt, die sicher keine besseren Voraussetzungen haben als Regensburg.
Man muss das nicht als Ziel sehen, aber das Potenzial für DEL-Eishockey ist meiner Meinung nach sicherlich gegeben. Deswegen verschwenden wir jetzt auch keine Zeit darauf, irgendwelche Langzeitkonzepte zu erstellen, wann wir in die DEL aufsteigen. Es wird nächste Saison und auch die Jahre danach darum gehen, sich in der DEL 2 zu etablieren. Grundsätzlich haben wir da mit der Stadt Regensburg, unserem Stadion und den Fans sehr gute Voraussetzungen.
Decken sich diese Potenziale mit Ihrem eigenen Karriere-Plan?
Ich will mich in erster Linie immer weiter verbessern. Ich bin noch relativ jung und hoffe einfach, dass ich auch mit etwas gesetzterem Alter noch dazulernen kann. Ich mache meine Ziele ungern an Mannschaften oder an Ligazugehörigkeiten fest. Ich will gerne bei den Eisbären bleiben, weil ich eben das Potenzial im Verein sehe, aber auch gleichzeitig finde, dass Regensburg eine der schönsten Städte auf der Welt ist, die ich kenne. Regensburg liegt nicht unweit von meiner Heimat und ich werde hier wertgeschätzt und kann in Ruhe arbeiten. Das liegt auch am Geschäftsführer Christian Sommerer und den Gesellschaftern, die alle mit an einem Strang ziehen und ihren Teil zum Erfolg beitragen. Ich bin schon lange genug im Profi-Geschäft, um zu wissen, dass das auch anders aussehen kann. Die Voraussetzungen sind für mich so gut, dass ich keinen Grund sehe, hier in absehbarer Zeit weg zu müssen. Ich bin gern hier. Der Verein und das Umfeld sind mir ans Herz gewachsen. Es ist nach wie vor eine Ehre für mich, an so einem tollen Standort Trainer sein zu dürfen.
Als Coach einer Eishockey-Mannschaft hat man während der Saison einen engen und stark durchgetakteten Job: Wie schaffen Sie es, zwischendurch abzuschalten?
Ich bin ganz ehrlich: Abschalten fällt mir sehr schwer. Vor allem während der Saison, aber auch nach der Spielzeit brauche ich lange um runterzukommen. Die Zeit nach dem Aufstieg bis zum Start der letzten Saison war schon eine Art Höllenritt, weil so vieles neu war und die Umstellungen so wenig Zeit hatten. Wir hatten natürlich schon zu einem früheren Zeitpunkt angefangen für die DEL 2 mit zu planen, aber in einem überschaubaren Rahmen. Bei vielen Dingen konnten wir erst ab Mai wirklich loslegen. Natürlich hatte ich auch ein flaues Gefühl im Magen, als wir uns – zum Teil gezwungenermaßen, zum Teil absichtlich – dazu entschieden haben, mit der Oberliga-Mannschaft anzutreten. Es hätte ja auch sein können, dass wir die ersten zehn Spiele in der DEL 2 allesamt mit 0:8 verlieren. Das hat mich während dieser Phase natürlich kaum abschalten lassen. Selbst im Urlaub war ich sehr oft am Telefon, weil ich wusste, dass wir alles geben mussten, um in der Liga zu bleiben. Klar ändert sich daran nächste Saison nicht viel, aber wir haben schon mehr Zeit und die Abläufe haben sich schon besser eingependelt. Wir sind auch mit dem Kader schon viel weiter, als wir es letzte Saison zum selben Zeitpunkt waren, sodass ich hoffe, dass ich dieses Jahr das Telefon doch das eine oder andere Mal weglegen kann.
Welche Rolle spielt Ihre Familie bei Ihrem Job?
Ich muss sagen, dass meine bessere Hälfte ist da wirklich der Wahnsinn und unterstützt mich enorm. Unsere Familie unterstützt uns natürlich auch, indem sie auf unsere Tochter aufpasst, aber den Löwenanteil managt sicherlich meine Freundin, die das hervorragend macht, wofür ich ihr unendlich dankbar bin. Jetzt außerhalb der Saison bin ich natürlich froh, dass ich da mehr übernehmen und einfach mehr Zeit daheim verbringen kann. Man muss vielleicht dazu sagen, dass ich für die Zeit während der Saison eine Wohnung in Regensburg habe, wo meine Familie natürlich auch des Öfteren wohnt, unser Lebensmittelpunkt ist aber im Raum Wasserburg. Momentan freue ich mich einfach, dass ich etwas mehr Zeit habe, meiner Tochter beim Spielen zuzuschauen oder aktiv mitspielen darf (lacht).
Bis zum Start der Hauptrunde 23/24 am 15. September sind noch einige Monate zu gehen und der Kader der Eisbären wird sich sicherlich noch weiter verändern. Eine Konstante, auf die die Verantwortlichen bauen können, bleibt jedoch Max Kaltenhauser. Der filter wünscht den Eisbären und ihrem Coach auch in der kommenden Saison viel Erfolg bei der Mission „Klassenerhalt“.
Lucas Treffer / RNRed