Facelift? Seit kurzer Zeit ist der Cayenne E-Hybrid in den Porschezentren verfügbar und bereit, sich dem Urteil der Porschefans – und derer, die es werden möchten, – zu stellen. Nur Facelift trifft es irgendwie nicht ganz, denn Porsche hat hier, auch nach eigener Aussage, eine eher tiefgreifende und aufwendige „Produktüberarbeitung“ vorgenommen.
Von außen fallen beim neuen Cayenne E-Hybrid natürlich einige geänderte Details der Karosserie ins Auge. Unter anderem neue Schürzen mit geänderter Optik der Einlässe, Kotflügel, Motorhaube, das Nummernschild hinten wandert nach unten und die Schweinwerfer – zumindest soweit man die für etwas über 2.000 Euro Aufpreis-pflichtigen HD-LED-Matrixscheinwerfer optioniert – sind eine komplette Neuentwicklung und ergießen sich in einer vielseitigen Präsentation auch in Porsches Kundenzeitschrift. Kurz zusammengefasst erzeugen die jeweils vier Module (die man auch am Foto sieht) alle nötigen Beleuchtungen vom Tagfahrlicht bis hin zum Fernlicht. Dabei sind alleine schon in den unteren beiden aktiven Matrix-Modulen – samt ihren Optiken – 65.536 LEDs enthalten. Jede einzelne LED wird via Grafikkarte angesteuert, spart zum Beispiel den Gegenverkehr aus, ohne dass der Fahrer es merkt, verkleinert den Lichtkegel, wenn auf ein anderes Fahrzeug aufgefahren wird oder erweitert jenen nach dem Überholen: „Fahrspuraufhellung“ – laut Porsche eine neue Dimension der Beleuchtung, bis zu 600 Meter taghelle Lichterflut à la Renn- und Rallysport.
Netflix an Board
Das Außenbild ist jedenfalls stimmig, und natürlich kommt unserem Testfahrzeug, dem im Basispreis circa 4.000 Euro teureren Cayenne Coupé, seine sportlich abfallende Dachlinie in Verbindung mit dem Nachschliff des Facelifts zugute. Wer dann ins Cockpit steigt, findet sich in einer anderen Welt wieder, in der Welt, die bislang nur die Taycanfahrer so kennen. Monitor neben Monitor ergänzt sich das Cockpit fast zu einem großen Display. Dem Fahrer ist dabei aber nur das eigene Virtual Cockpit und das Kommunikationscenter in der Mitte einsichtig. Der Beifahrer hat zudem einen durch eine spezielle Folie nur ihm einsichtigen Bildschirm. Auf diesem kann er zusätzlich eigene Inhalte sehen, wie auch etwa Netflix. Weiterhin hat Porsche auch an der Reduzierung der Knöpfe gearbeitet – eine Geschmacksfrage – und viele Funktionen in das via Touchscreen eigentlich leicht zu steuernde Bordmenü am Mittelbildschirm übernommen. Darunter fallen etwa auch die Höhenregulierung des Fahrwerks oder die Dämpferhärte. Auch ist der Ganghebel weg und platzsparend wie beim Taycan rechts neben den Tacho gewichen, als kleiner „Joystick“ quasi. Wie gewohnt wird links neben dem Lenkrad der Startknopf gedrückt, dann der besagte Wählhebel kurz nach unten gezogen und los geht es.
Wir fahren ja den E-Hybrid. Porsche hat hier – was auch die steuerlich wichtige 0,5-Prozent-Regelung betrifft – die reine Elektroreichweite deutlich nach oben geschraubt. Je nach Messzyklus und tatsächlicher Nutzung gibt der Hersteller 66 bis 90 Kilometer an (Batteriekapazität 25,9 kWh). Das testen wir. Dabei mixen wir Stadt und stromern im nahen Umland. Hier sei gleich angemerkt, dass der Elektroantrieb 176 PS bringt. Er ist vor dem Getriebe zuarbeitend und somit schaltet das Fahrzeug auch alle Gänge normal mit. Unmerklich wohlgemerkt und es hat eine Zeit gedauert, bis es dem Fahrer überhaupt auffiel, dass im digitalen Cockpit rechts unter der großen Hybridanzeige die Gänge klein dargestellt werden und auch wechseln. 460 NM drücken dabei mehr als ordentlich in jeder Lage und nie gab es einen Moment, wo der Benziner sich hätte zuschalten müssen. Nach 50 Kilometer hatten wir noch 33 Kilometer Rest und das bei massiver Klimaanlagenlast wohlgemerkt. Die Reichweite passt und wer damit in der Stadt pendelt, braucht den Verbrenner eben nicht.
Feuer frei mit beiden Motoren im Synchronspiel
Aber natürlich wollen wir mit dem Cayenne auch reisen und so schalten wir vom E-Power Modus auf Sport. Feuer frei mit beiden Motoren im Synchronspiel: 470 PS Gesamtleistung. 650 NM Gesamtdrehmoment: Es geht massiv vorwärts. Der Cayenne hat seine Geländefähigkeiten natürlich nicht eingebüßt, seinen sportlichen Charakter jedoch weiter ausgebaut.
Mit Sport-Chrono geht es in 4,9 Sekunden auf 100 km/h, bei 254 km/h ist Schluss. Das perfekte Fahrwerkssetup kaschiert die 2.455 Kilogramm Leergewicht, eingefangen bei uns durch vorne 285er und hinten 315er Reifen auf 22 Zoll Felgen. Höher, schneller, breiter. Wer jedoch gemütlich sportlich eher was hinterherschleppen mag, ein Boot, einen Anhänger oder gar ein kleines Luxusappartement auf Rädern, der darf 3.500 Kilogramm ziehen. Der Kofferraum schluckt umgeklappt maximal 1.708 Liter im Cayenne und 1.502 Liter im Coupé, in den E-Hybriden etwas weniger.
Sportliche Dynamik und unvergleichliches Design
Richtung Passau speeden wir die Autobahn und der spontane Durchzug und die unmittelbare Kraftentfaltung des Hybridsystems sind beeindruckend. Bei dann ruhiger Fahrt auf ebener Strecke im reinen Verbrennermodus verbrauchen wir bei 130 km/h 9,5 Liter Benzin auf 100 Kilometer Strecke. Dann kommt die Landstraße und wieder merkt man eben deutlich, wie sich der Cayenne von Generation zu Generation in der sportlichen Dynamik weiterentwickelt hat, 100.000 selbst gefahrene Cayenne-Kilometer lassen gut vergleichen.
In der Innenausstattung spielt Porsche sowieso in der obersten Liga. Das Design ist stimmig, die Verarbeitung hervorragend, die Optik verspricht Sport. Geblieben ist die Großzügigkeit der Fahrgastzelle und die Haltegriffe für Fahrer und Beifahrer an der Mittelkonsole.
Cayennefahren beginnt bei 89.097 Euro, mit dem E-Hybrid bei 103.377 Euro, die Coupé-Varianten sind immer etwas teurer. Porsches Modell mit dem größten Produktionsvolumen hat hier ein gutes Upgrade erfahren!
Nick Lengfellner | filterVERLAG