Volkswagen hat gerade seine erste elektrisch angetriebene Limousine auf den Markt gebracht. 4,96 Meter Länge und ein Interieur auf hohem Niveau liften das neue Konzept in die obere Mittelklasse. Der Kombi folgt im Frühjahr. Wie wird sich das Modell mit seinem effizienten Design und beeindruckenden Reichweiten in der Praxis bewähren? Erfahren Sie mehr in unserem testride.
Audi, Porsche, SEAT, Cupra, Lamborghini, Bentley, Ducati, Scania…alles hübsche Töchter von VW. Setzt man die Transformation vom Verbrenner zum E-Mobil also tatsächlich als unumgänglich voraus, für wen sollte es dann also wichtiger sein als für VW? Zudem ist mit Tesla und chinesischen Marken wie Geely, zu denen u. a. auch Volvo gehört, der Markt unter Feuer. Leider ist der Preis hier für alle besonders entscheidend, denn bei Produkten, bei denen die Käufer noch Bedenken haben, ist der Geldbeutel oft eher reserviert. Gelingt VW der ID.7?
Je größer der Akku, desto größer die Reichweite. Am nutzerfreundlichsten lässt sich das in großen Limousinen umsetzen. Oder in einem SUV oder Bus, aber wie Sie hoffentlich aus unserer neuen Ausgabe des Magazins motofilter (auch online) erlesen konnten, ist der Windwiderstand der größte Feind, wenn es um den Verbrauch geht. Die notwendige Energie wächst nicht proportional zur Geschwindigkeitsänderung, sondern im Quadrat (zweimal so schnell bedeutet viermal so viel Energiebedarf). Deshalb macht die Anwendung des Spruches „den Ball flach halten“ hier besonders Spaß: Einerseits hat der Fahrer seine Energiekonsumption über eine zarte Nutzung des rechten Pedals flach zu halten und andererseits trägt der Hersteller über die Bauweise massiv dazu bei. VW hat hier mit einem cW-Wert von 0,23 eine sehr windschnittige Form gestaltet, genauso wichtig ist aber eben, dass die im Wind stehende Stirnfläche klein ist. Und da sind wir beim Punkt, denn ein SUV mit doppelter Stirnfläche – selbst wenn es cW 0,23 hätte – würde eben schon mal doppelt so viel Kraft benötigen, um die Luft zur Seite zu schieben. Limousinen sind strömungsbedingt eben die verbrauchsärmsten Formen der Alltagsfahrzeuge.
ID.7 – wir gleiten
621 km gibt VW im WLTP Zyklus an. Mit 100 % Ladung holen wir den ID.7 im VW Zentrum ab. Allgemein lässt sich sagen, dass die Hersteller die gemachten Angaben auch komplett erfüllen. Wir mixen Landstraße, Stadt und Autobahn und fahren 250 km: 50 % sind verbraucht. Winter ist ein Akkukiller: Neben einer geringeren Gesamtausbeute aus dem Akku muss u. a. mit Strom geheizt werden, was locker 8 kWh an Akkuleistung zusätzlich in unseren vier Stunden Fahrt verzehrt. Der Akku hat eine nutzbare Kapazität von 77 kWh. Wir fahren bis nach Vilshofen über Land und zurück über die Autobahn. Bei 100 km/h verbrauchen wir 16 kWh/100 km (Reichweite damit 480 km), bei 130 km/h knapp 20 (385 km Reichweite). Auf der Landstraße sind es im Schnitt nur 12 kWh pro 100 km (640 km). In flotten 6,5 Sekunden ist der ID.7 auf 100 km/h, bei 180km/h wird abgeregelt. 210 kW, Heckantrieb: sehr guter Durchzug – auch bei 2.172 kg Leergewicht. Das sanfte Fahrwerk und die geringen Fahrgeräusche passen perfekt zum Anspruch: gleiten.
Elegantes Design
Das Design: elegante Linie! Nicht protzig, nicht ausladend – form follows function. Dabei fällt die Dachpartie wie bei einem Fastback bis fast zum Ende des Hecks ab. VW hat zudem in der Front Lufteinlässe verbaut, die dazu beitragen, den Luftstrom an den Fahrzeugseiten zu beruhigen und für weniger Wirbel zu sorgen, das spart ebenfalls Energie. Bis in die letzte Konsequenz geht man nicht, so bleibt der Kofferraum groß (532 L/1586 L), mit der Folge der senkrechten Abrisskante hinten und auch die Felgen sind einfach schöne Felgen und das Design nicht komplett der Aerodynamik untergeordnet. Der ID.7 macht deshalb das, was man schon zu Beginn hätte bei allen Herstellern machen sollen: er schafft ein für unsere bereits geprägten Geschmäcker sehr schönes Auto – hätte das BMW mal beim i3 gemacht damals, wo wären die heute!?
Innen ist der ID.7 top verarbeitet: Wertige Materialien und viel Liebe zum Detail. Es gibt keine Instrumente mehr, was hier aber ausnahmsweise genau passt. Vor dem Fahrer werden in schmalem Streifen nur Geschwindigkeit und Reichweite angezeigt, den Rest übernimmt der 38 cm große Touchscreen der mittig thront. Ein Optionales Head-up blendet Fahrdaten und wachsende Navipfeile auf die Scheibe – spacy.
Ein echtes Upgrade
Sprachassistenz: endlich funktioniert es wirklich gut. Radiosender, Klima („Ich habe kalte Füße“ – ID.7: „ich wärme den Fußraum“), wir haben irgendwann einfach alles nur noch gesprochen und den Bildschirm nur als supergroße Karte benutzt. „Navigation Moosthenning“, selbst noch nie im Leben ausgesprochen, wie viele Orte am Weg, und trotzdem alle auf Anhieb richtig erkannt. IDA, so heißt die Dame, kann wirklich viel. Bei der Heimfahrt gab es dann noch Massage (aufblähende kleine Luftkissen im Sitz), fantastisch. Kein Wunder, dass der Müdigkeitswarner bald anspringt. An Fahrassistenzen ist natürlich alles da, was am Markt erhältlich ist. Auch können diese Upgradesitze einzelne Bereiche der Flächen wärmen oder kühlen, das macht Sinn und ist angenehm, gerade wenn (nur) das Kreuz mal zwickt.
Obere Mittelklasse? Absolut, und somit relativiert sich der Startpreis von 56.995 Euro. Vor allem ist hier alles an Bord. Zwei überschaubar teurere Interieurpakete lassen lediglich die Sitze upgraden. VW spendiert übrigens noch 1.500 Euro für Stromtanken dazu und somit bleibt als ehrliches Fazit: der ID.7 ist ein absolut gelungenes Konzept!
Nick Lengfellner | filterVERLAG