50 Jahre gibt es den Golf. Ich habe als Kind den 1er in der Familie erlebt, einen 2er selbst gehabt (GTI 16V - flott), einen 3er die Eltern, eine Freundin den 4er, die nächste den 5er – as time goes by. Jeder von uns hatte doch selber einen oder zumindest einen im engen Kreis. Der Golf ist…einfach der Golf, ein Mitglied unserer Familie. Ist bald Schluss?
Opel kam weder mit dem Kadett noch dem Astra in die himmlischen Sphären des VW Konzerns und auch qualitativ nicht an den Volkswagen der Volkswagen heran (inzwischen 34 Millionen Golf verkauft) – nicht in der Blechqualität und auch nicht im Werterhalt. Wer heute auf den gängigen Plattformen stöbert, findet brauchbare 1er Golfs (1974-1973) mit 50 PS ab 7.000 Euro, ein GTI in sehr gutem Zustand: 30.000 Euro.
Der Golf: Ende?
Etwas Genaues weiß man nicht, letztes Jahr wurde seitens VW gesagt, dass keine weitere Generation geplant sei. Man hört, es könnte vielleicht auf der ID3 oder ID4-Plattform weiter einen Golf aus dem VW Baukasten geben – der Name zieht eben – aber alles ungewiss.Zeit also, sich einfach nochmal in ein aktuelles Model zu setzen und zu schauen: Golf was bist Du, warum sollst Du gehen? Herausgepickt haben wir uns einen Golf 8 GTD, den wir an einem frühlingshaften Märztag beim Autohaus Bierschneider abholen. Bald kommt ein Facelift, ob es dabei einen GTD geben wird, ist offen – bislang nicht. Bei VW kann man bereits nur noch schon gefertigte GTDs bestellen oder man sucht eben bei den Händlern direkt vor Ort.
GTD – let´s go Diesel!
Seit den ersten Turbodieseln waren die Golfs durchzugsstarke und absolut verbrauchsarme Multifunktionswerkzeuge und die Modelle mit einem GT davor hatten schon immer die sportliche Note dazu, denn das Grand Tourismo bezeichnet seit den 60ern Autos, die für Langstreckenrennen konzipiert werden. Für Straßenfahrzeuge übertrug man es gerne und hier steht es für eine große Motorisierung und Komfort für lange Fahrten.
Außenansicht
Und die Sportlichkeit zeigt sich schon im Exterieur – ein dynamisches Understatement. Eine geschwungene Silhouette, ergänzt durch kurvige, durchgestylte Stoßfänger. Dazu eine etwas tiefergelegte Karosserie, Seitenschweller, ein Kühlergrill mit Wabenstruktur und eine fast schon oldschool anmutende zweiflutige Auspuffanlage, die eben eher unterstreicht als auftrumpft (im Vergleich zum GTI mit links und rechts liegenden Endrohren). LED-Scheinwerfer, Rückleuchten und der Dachspoiler runden das Ganze ab.
Innenraum
Der Blick nach innen zeigt die Harmonie des Konzeptes: Edelstahlpedale, das lederbezogene Sportlenkrad und passende Dekoreinlagen setzen Akzente und werden durch Sportsitze mit Retro-Karomuster ergänzt. Letztere bieten sehr guten Seitenhalt, guten Komfort für die Langstrecke und sind optisch eine Freude. Das Interieur ist insgesamt wertig und eben absolut zeitgemäß auch in puncto Haptik. Große Plastikflächen sind tabu, angenehmer Softtouch wertet auf. Auch technikaffine Neuzeitler kommen voll in den Genuss großer und hochauflösender Displays, die sich passend in das Design einfügen. Am Multifunktionslenkrad werden viele Funktionen wie Lautstärke, Sender, Cruisecontrol, Abstand, Displayaufbau usw. auf den kleinen Touchflächen durch Wischen gewählt bzw. geregelt. Das ist wirklich der einzige Kritikpunkt am ganzen Fahrzeug – weil man einfach mal hinkommt beim Rangieren – geschenkt!
Ansonsten ist und bleibt der Golf eben die Allzweckwaffe, die er immer war. Perfekt für die Langstrecke für zwei Personen mit viel viel Gepäck, um zu viert oder zu fünft in die City zu cruisen, das Surfzeug einmal diagonal durchzuladen oder die Mountainbikes und alles, was man sonst eben so bei maximalen 1.237 Litern Ladevolumen hinein passt (aufgestellte Rückbank 381 Liter).Mit einer Gesamtlänge von 4,28 Metern und einem Wendekreis von 10,90 Metern ist er auch für die Stadt der perfekte Begleiter, der mit 1,78 Metern (ohne Spiegel) parkt, ohne gleich verbeult zu werden.
Der Testride
Und raus geht es in den nahenden Frühling. Blauer Himmel, die Silhouette des Bayerischen Waldes schimmert weit vor uns, als wir unseren Verbrauch auf der Autobahn testen. Bei 130 km/h verbrauchen wir für 100 km auf ebener Strecke 4,8 Liter, bei 100 km/h nur 3,9 Liter. Und auch bei 160 km/h ist der Diesel eben ein Meister und schluckt trotz kantiger Golf-Form (im Vergleich zu einem Pinguin) nur gut sieben Liter. Fahrgeräusche sind wirklich nur ganz dezent zu vernehmen. Wer hier den Eco- oder Komfortmodus als Fahrprogramm wählt, schaltet auch noch den künstlich etwas aufgepimpten Motorsound ab und gleitet in der maximal möglichen Ruhe eines Verbrennerkonzeptes dahin. In der heutigen Zeit sind die Reifen und ein Säuseln an den Türholmen der Fahrzeuge meist alles, was der Fahrer an Geräuschen zusätzlich erfährt. Auf der Landstraße entwickelt der GTD dann sein Potenzial. Satte 400 NM liegen an der Kurbelwelle an – und das schon bei 1.750 U/min, also ganz weit unten im Drehzahlbereich. Bis zu 200 PS werden daraus, wenn der Motor höher dreht. Das 2-Liter-Triebwerk mit seinen vier Zylindern passt perfekt – Druck aus der Kurve, Power und Durchzug beim Überholen, wo andere erst auf Touren kommen müssen. Und damit geht es auch auf 245 km/h Endgeschwindigkeit oder in 6,7 Sekunden auf 100 km/h. Aber wie gesagt – der Durchzug des Diesels macht ihn für die Landstraße so erhaben. Die sieben Gänge des DSG sind dabei schon fast unnötig viele, aber wer hat, der hat!
Das Sportfahrwerk sitzt und muss 1.465 kg Gewicht verwalten. Knackig, direkt, aber nicht zu hart. Man merke auf: Neben den vier Grundmodi Eco, Komfort (perfekter Modus für jegliche Reisefahrt) und Sport gibt es den Individual-Modus. Hier wählt man einmal, wie u. a. Lenkung, das Getriebe und künstlicher Sound sich verhalten und eben andererseits, wie die Dämpfer des adaptiven Fahrwerks arbeiten sollen. Wirklich stark: Sie haben 15 (!) Grade zwischen maximal weich (was eben drei Grade unterhalb von Eco/Komfort beginnt) und maximal hart (was dann drei Grade härter als Sport ist). Da werden viele Sportwagenfahrer neidisch! Auf Beton beißt des Fahrers Allerwertester aber auch in letzter Einstellung nicht – es bleibt zivil-sportlich, nichts wankt, nichts schwimmt – so denn der Fahrer es befiehlt. Deutsche Fahrwerkstechnik: Platz 1!
Die Lenkung ist dabei präzise und vermittelt ein gutes Gefühl vom Grip der Vorderräder. Sind diese mal powerbedingt am Ende ihrer Haftung, regelt der Golf natürlich sofort sanft ab. An Sicherheitsassistenten ist VW-typisch alles an Board oder bestellbar, was das Herz begehrt. Die Sprachassistenz ist auf bestem Stand und funktioniert tadellos. Hat der beifahrende Hund z. B. zu viele Bohnen im Futter gehabt, sagt man einfach, „es stinkt“ und der Golf lüftet. Aber wer braucht das alles schon, wenn das Fahren an sich eben Genuss und Entspannung bietet.
Und das kann er eben wirklich gut – es gibt also keinen Grund, den Golf einzustellen, vielleicht eher ihn den Fahrern wieder etwas näher ans Herz zu legen. Wer Lust auf Golf hat: der Spaß beginnt bei 27.180 Euro. Ein GTD kostet neu ab 39.850 Euro oder wie unser Vorführer (anstatt gut 55.000 Euro) als Tageszulassung 39.000 Euro. Back to the roots!
Nick Lengfellner | filterVERLAG