Während einem fantastischen Driversday im F8 Spider wird der Geist des Fahrers einmal durch den Ansaugtrakt gezogen, leicht vorgekühlt, dann durch den Turbolader gepresst, expandiert, neu eingerichtet und muss sich dann wieder in der normalen Welt zurechtfinden. Das kann dauern und zu einem üblen Hangover führen. Was ist passiert?
Für unsere Extra-Ausgabe haben wir natürlich wieder ein besonderes Fahrzeug gesucht, und wie der gewogene Leser weiß, sind die schönsten Töchter im regionalen Raum oft bei S & L Automobile zu finden. Über die Jahre haben wir immer wieder Italiener aus Maranello ausgefahren, aus dieser Reihe den 458, den 488 und nun auch den aktuellen F8 als würdigen Nachfolger – wohlgemerkt hier auch noch als Spider, also oben ohne.
Der 458, wir hatten ihn auch noch als „Speciale“ damals, steht heute noch so sexy da wie 2009, als er auf den Markt kam. Ferrari hat in der gesamten Reihe bewiesen, wie ein maximal zeitloses und trotzdem völlig eigenes Design aussehen kann. Damals waren es 605 Sauger-PS bei 9.000 U/min. Der 488, ab 2015 gebaut, hatte dann schon Biturbo und radikale 670 PS bei 8.000 U/min und der seit 2019 gebaute F8 nun 720 PS bei 8.000 U/min. Das nur vorab – und wir gehen nun nicht darauf ein, ob der hybride 296 mit zwei Zylindern weniger und 830 PS Systemleistung nun ein wirklicher Nachfolger oder etwas ganz anderes ist. 8-Zylinder gibt es künftig nur noch im SF90.
DAS ist Design
Aber schauen wir doch zuerst auf die äußeren Werte des F8. Natürlich liegt es am Geschmack des Betrachters, aber die zeitlose Designsprache des 458 zieht sich hier im F8 weiter durch und stellt eben eine filigrane Weiterentwicklung der ursprünglichen Vision dar – inklusive natürlich der filigranen Grundform. Die Performance-Variante des 488, der Pista, hatte vorne schon den S-Duct zur Luftberuhigung (unterhalb des Nummernschildes), der F8 trägt diesen ebenfalls maßgeschneidert und auch die seitlichen Lufteinlässe sind schmäler aber riesig und schaufeln reichlich Frischluft zum Motor. Langgezogene Frontscheinwerfer verleihen eine aggressive Optik und auch hinten gibt es eine Neuerung – oder ein Rückbesinnen, je nach Sicht: Doppelrückleuchten zieren das Heck, letztmalig gesehen im F430 in den frühen 2.000ern. Aber anstatt wie damals etwas plump an der oberen Heckkante zu baumeln, werden sie hier in die verschiedenen Schrägen des Spoilers und des Hecks als Unterbrecher integriert – mit der darunter liegenden Auspuffanlage ein symmetrischer Augenschmaus. Alle Details zu benennen, würde den Rahmen sprengen – es bleibt einfach: DAS ist Design und nicht ein Cybertruckklotz von Tesla, den ein 3-Jähriger wo hingekritzelt hat.
Hinein ins Cockpit. Carbon meets Carbon und auch Freund Carbon ist dabei, begleitet von seiner Freundin Leder. Rennsitze stehen einem sehr reduziert gehaltenen Dashboard & Instrumententräger gegenüber, der ebenfalls nur aus Leder und Carbon besteht und dazu lediglich einige Knöpfe für Radio, Klima und Co. aufweist. Das Lenkrad hat zum Vorgänger zwar in seiner Fülle etwas abgespeckt, jedoch ist es dafür mehr mit Knöpfen als früher gefüllt. Klar ist hier der „Manettino“ - der Wählhebel für die Fahrprogramme (Wet, Sport, Race, Traktionskontrolle aus, Stabilitätskontrolle aus) - aber es werden eben auch die Blinker, die Cockpitanzeigen, Fernlicht, Dämpfersteuerung, Telefon (wichtig für Italiener), Sprachsteuerung, Scheibenwischer und der wichtige Startknopf beheimatet. Dafür gibt es eben keine Hebel, die man beim Lenken ausreißen könnte, die Hände sind immer am Steuer. Besonders gefällt, dass Ferrari auf große Displays verzichtet. Links und rechts vom Drehzahlmesser können die Bildschirme gewählt werden und auch wer das Navi nutzen will, findet dort wirklich genug Übersicht. Anspruch: Sport!
In 8,2 Sekunden auf 200 km/h
Die Hände müssen auch am Lenkrad kleben, denn das Triebwerk fordert Mann & Frau am Steuer. Dauernd. Natürlich kann man auch versuchen, zivil zu fahren, dazu muss man im Grunde nur Valium in den rechten Fuß spritzen und die Verbindung zum Rest des Körpers kappen: 3,9 Liter Hubraum, aufgeteilt auf 8 Zylinder in V-Anordnung, reizvoll aufgeladen mit dem Biturbo – es werden 720 PS entlockt. Der stärkste V8 , den Ferrari eben bislang verbaut hat. Dabei dreht der aufgeladene Motor bis 8.000 U/min und entwickelt radikale 770 NM Kraft an der Kurbelwelle, und das schon bei 3.250 U/min – also im gefühlten Drehzahlkeller des Sportlers. Beißen die einmal rein, verschiebt sich das Bewusstsein unmittelbar von Straße auf Rennstrecke, mit der Folge in 2,9 Sekunden auf 100 km/h zu kommen und – weitaus schlimmer – in 8,2 Sekunden auf 200 km/h. Abgas- und Lärmvorschriften machen auch vor Maranello nicht halt und der F8 zeigt sich im Klang als bislang bravster seiner Linie. Ein feines, gedämpftes Trompeten, das beim Gasgeben einfach vom brachialen Durchzug überholt wird. Wer allen Pferden auf freier Bahn weiter die Sporen gibt , (ver-)endet bei lächerlichen 340 km/h.
Damit es zu keinem Gripabriss kommt, gibt es verschiedene Fahrmodi und für den F8 wurden diese nochmals nachgeschärft – wer „race“ wählt, erhält z. B. in Kurven, wo das Fahrzeug anfängt zu unter- oder übersteuern, einen merklich feineren Eingriff und soll somit seine Rundenzeiten schnell optimieren können. Die ersten drei Gänge sind mit absoluter Vorsicht zu genießen – Dauerschlupf vom Feinsten. Mit „race“, unserem Lieblingsmodi, zuckt der Allerwerteste dabei kontrolliert zur Seite und wird sanft abgeregelt eingefangen. Wer die zwei Modi darüber wählt, wird zunehmend allein verantwortlich: Unkonzentriertheit wird fatal bestraft. Der Schaltblitz am Lenkrad macht Sinn, denn man möchte eigentlich ewig ausdrehen und Schub und Klang genießen.
Reisen oder radikal sporteln
Aber der F8 ist auch absolut reisetauglich. Wer Strecke fährt, genießt echte Ruhe in unteren bis mittleren Drehzahlen, massiven Schub aus dem Keller zum lockeren Überholen und ein bis 45 km/h bedienbares, festes Verdeck, das nach hinten eingeklappt wird. Ebenfalls kann man die Dämpfer noch per Knopfdruck am Lenkrad bei unebenem Untergrund sanfter einstellen, ansonsten sind sie adaptiv und entsprechend den Fahrmodi reagierend. Damit lässt es sich auch auf unseren Straßen reisen oder alternativ eben radikal sporteln – auch dank der auf Wunsch massiv zupackenden Keramikbremse. Flach, Power und wenig Gewicht – der F8 ist die Crema auf einem guten Café.
Perfektion hat seinen Preis. Und so kostet das Fahrzeug mit 9.000 km auch etwas mehr als ursprünglich und liegt bei nun 340.000 Euro – für den letzten V8 dieser Baureihe.
Auto: S & L Automobile
Pilot: Nick Lengfellner
Nick Lengfellner | filterVERLAG