Was ist das überhaupt? Kann man das? Soll man das? Diese Fragen stellt sich wohl jeder Schrauber irgendwann und im Grunde ist es wie mit der Frage, ob man selber an den Bremsen operieren mag: Mit etwas Schrauberfahrung und dem Bewusstsein, was man wo gerade tut, ist es kein Problem und sehr interessant.
Werden zum Beispiel Fahrwerksteile in der Restauration oder im Alltag ersetzt, kommt man oft nicht um eine Basis-Einstellung oder zumindest Kontrolle herum, gerade wenn Teile mehrfach auseinander gebaut werden müssen oder ausgeschlagen waren. Auch wer mal doch den Bordstein geküsst hat und sich die Spurstange oder ähnliches minimal verbogen hat, justiert gerne nach oder überprüft vorsorglich. Und dann gibt es noch die Enthusiasten, die Ihr Fahrwerk innerhalb oder auch außerhalb der Toleranzen sportlicher Zwecke oder für einen besonderen Einsatz einstellen wollen.
Was bedeutet Spur halten und Spur?
Die Spur halten: Der eine kann es besser, der andere schlechter. Das gilt sowohl für den Fahrer als auch das Auto. Erinnern Sie sich an Ihre Fahrstunden: Sie mussten sicher mal mitfahren, wenn andere ihre ersten Gehversuche machten. Und so greift der Fahrlehrer dann munter ins Lenkrad, wenn die Front des Autos fahrerbedingt andere Verkehrsteilnehmer oder auch stillstehende Objekte wie Immobilien anzupeilen sucht.
Aber es gibt auch Fahrzeuge, die von selbst nicht den Geradeauslauf wünschen oder halten können – die dafür willig in jede Kurve reinsaugen. Erst recht bei Motorrädern macht sich das Setup deutlich bemerkbar – hier vor allem der Nachlauf oder Lenkwinkel. Am Fahrzeug bedeutet die Spur jedoch den Winkel, den die Räder zueinander haben. Parallel ist dabei null Grad – sprich Spur null. Dann entsteht auch am wenigsten Abrieb. Spur null zu halten klappt jedoch nicht dauerhaft. Dem steht leider die nötige Geometrie der Aufhängung im Weg, sodass sich die Stirn- und Heckseiten der gegenüberliegenden Reifen aufeinander zu oder auseinander bewegen, wenn ein- oder ausgefedert wird. Machen das beide gleich, gibt es nur mehr Abrieb. Federt (zum Beispiel durch Unebenheit oder einen schweren Fahrer) nur eine Seite, so rotiert auch nur ein Reifen und damit lenkt dieser. Zumindest im Normalbetrieb sollten beide Räder null Spur haben. Bei manchen Messvorgaben wird zum Beispiel noch ein Gewicht auf den Motor gelegt, um den Druck des Fahrtwindes auf die Federn zu simulieren. Ein Hecktriebler sinkt zudem beim Fahren durch das Antreiben hinten ab (= die Räder im Betrieb gehen vorne auseinander) und ein Fronttriebler geht nach oben (= die Räder gehen vorne zusammen). Und deshalb braucht es im Stehen – denn nur da kann man einstellen – ein Grundsetup für die Spur. Das kann dann eben auch Nach- oder Vorspur sein.
© Nick Lengfellner
Was bedeutet Nachlauf?
Der Nachlauf ist der Winkel zwischen der Senkrechten zum Boden und der tatsächlichen Drehachse, um die das Rad beim Lenken rotiert wird. Maximaler Unterschied: Bei einer Harley, bei der das Rad weit voraus an schräger Gabel fährt versus bei Einkaufswagenrädern, die nachgezogen werden. Je nach Winkel ist viel oder wenig Kraft nötig, um das Rad zu drehen und aus dem Geradeauslauf zu bringen.
Was bedeutet Sturz?
Und dann wäre da noch der Sturz. Hier stellt sich die Frage, wie sehr die Felge genau rechtwinkelig zum Boden steht. Es kann damit auch einen ne gativen oder positiven Sturz ergeben. So drückt zum Beispiel viel Last die Federn zusammen und die Karosserie sinkt, wodurch der Sturz wird im mer negativer wird. Dauerhaft viel Zuladung und Last bedeutet also vorfeldlich lieber etwas mehr positiven Sturz, um dann auf null zu kommen und den Reifen gleichmäßig über die ganze Fläche abzunutzen. Moment – null? Gerade ist der Feind des sportlichen, denn in der Kurve, wenn alles walkt und das kurvenäußere Rad maximalen Gummi kontakt sucht, dann sollte mehr positiver Sturz da sein, um möglichst viel Gummi am Asphalt und damit Grip in der Kurve zu haben. Dafür hat man bei diesem Setup mehr Reifenverschleiß, da bei einer Geradeausfahrt im Alltag die Innenflanke mehr Gewicht abbekommt und dadurch fortwährend mehr abgenutzt wird. Vor- und Nachteile also! Zu jedem Zweck die passende Einstellung.
Hilfsmittel
Es gibt zum Einstellen auch verschiedene Hilfsmittel wie u.a. Platten zum Drauffahren, Winkelmesser und Richt leisten. Wir haben über die Zeit ein paar davon getestet – aber bevorzugen tatsächlich Maßband, Senklot und Schnur. Der Profi macht es im Grunde nicht viel anders, jedoch mit modernen Lasern. Unsere eigenen Einstellungen sind normalerweise bis auf 0,1 Grad an den Sollwerten – mehr als ausreichend – und je mehr Oldie (und wenig Nutzung) desto einfacher die Entscheidung, denn mit Geschwindigkeiten jenseits der 300 km/h, fliegt man doch eher selten durch die Gegend. Wer etwas einstellen will, sollte den Reifendruck beachten, ein gleichmäßig abgefahrenes Profil haben und natürlich einen ebenen Untergrund. Hängt ihr Garagenboden schon auch nur ein Grad nach links um das Wasser abzuführen – dann wird (wenn nicht abgezogen) das Auto danach auf der Straße auch ein Grad „hängen“. Die Amerikaner hatten sogar verschiedenen Sturz links und rechts, weil die Straßen der 60er hängend gebaut waren um das Wasser abzuführen.
Nachlauf und Spreizung sind mit Hausmitteln weniger gut zu messen und sollten, falls altersbedingt überhaupt etwas eingestellt werden kann, dem Profi überlassen werden.
© Nick Lengfellner
Spur selber einstellen
Wie wir gesehen haben, ist je nach Antriebsart und Bauweise Vor- oder Nachspur nötig oder angedacht – bei manchen Fahrzeugen sogar an der Hinterachse. Be sorgen Sie sich also die Soll-Werte und die möglichen Toleranzen und stellen diese dann möglichst passend ein. Wer nah an den Werten bleibt, merkt die Abweichungen vom Optimum eben auch nur sehr gering. Das kann mehr oder weniger Agilität bedeuten, etwas mehr oder weniger Grip, aber natürlich auch eben erhöhten Reifenverschleiß. Wer zum Beispiel zu viel Vorspur hat, schiebt eben mehr wie ein Pflug die Räder über die Piste: mehr Reibung, mehr Gummi, mehr Sprit, mehr Abnutzung.
Im Grunde müssen Sie, um die Spur einzustellen, aus messen, ob die Reifen (einer „Achse“) an der Stirnseite einen anderen Abstand wie an ihrer Hinterseite haben, wenn sie gerade ausgerichtet sind. Hat Ihr Reifen eine umlaufende Rille in der Mitte, bietet sich diese beispielsweise als Fixpunkt an. Wem das am Gummi zu ungenau ist, der nimmt die Felgenhörner an der Innenseite der Felgen. Und hier geht es los – man passt nicht unter alle Autos zum Messen. Das Auto punktuell anheben und auf vier Klötze stellen geht nicht, denn das Fahrwerk verspannt sich dabei. Vielmehr muss man auf zwei lange Balken fahren und das Auto dann trotzdem hin- und her wippen, damit alles entspannt ist. Mit einer Grube ist das ebenfalls einfacher.
Abmessen: Man kann zum Beispiel eine Gewindestange in ein vorne verengtes Alu-Rohr stecken und kann die Stange dadurch einfach, aber arretiert, herausdrehen. Nun misst man damit die hinteren Felgenhörner und dann die Abstände der vorderen Felgenhörner zueinander. Ein Maßband dagegen ist unter dem Auto dafür nicht gut einsetzbar, ein Zollstock erst recht nicht. Dann rechnet man den Winkel aus der Differenz zwischen vorne und hinten heraus. Am einfachsten nimmt man dabei an, eine Felge würde einmal um sich selbst gedreht werden und damit eben 360 Grad beschreiben. Der Messpunkt würde einen Kreis mit dem Umfang U=2rπ umrunden. Bei einer 18-Zoll Felge wären das gerundet 2x 228,6 mm (= 9 Zoll) x 3,1415 = 1.436 Millimeter für also 360 Grad. 1.436 Millimeter geteilt durch 360 bedeutet, 1 Grad entspricht dann 3,99 Millimeter vom Kreisbogen. Wohlgemerkt würde man vom Felgenmittelpunkt zum Felgenhorn den Unterschied per Tabelle messen. Nimmt man jedoch die beiden gegenüberliegenden Punkte am Felgenhorn zum Messen, muss man diesen Wert verdoppeln. Sind die Felgenhörner hinten hier zum Beispiel 7,98 Millimeter weiter auseinander als vorne, dann wäre dies 1 Grad Vorspur (Abweichungen Tangente/Kreisbogen hier absolut vernachlässigbar). Bei vielen Fahrzeugen soll die Spur für den normalen Straßenbetrieb möglichst null aufweisen – das vereinfacht das Herangehen dann deutlich, da man sich jede Messung in diesem Fall sparen kann und die Abstände der Felgenhörner einfach so einstellt, dass der „Ausziehgewindestab“ hinten und vorne möglichst gleich gut dazwischen passt.
Sturz selber einstellen
Hier gilt ähnliches. Wir haben über die Jahre verschiedene Tools ausprobiert. Da gibt es für 20 Euro Wasserwaagen mit Magnetfüßen, die kommen schon locker und „twisted“ an. Gut gedacht, schlecht gemacht, weil man dann immer den Fuß erst eichen muss – im zehntel Gradbereich schwierig. Oder digitale Gradmesser. Diese muss man am bei jedem Betrieb ebenfalls erst an einer wirklich waagrechten Fläche (Wasserwaage) eichen. Aber auch diese „springen“ gerne und die Größe des Gehäuses bedingt eine feste Montage auf ein größeres Profil, um nicht damit schon Fehlgänge vorzu programmieren. Am Ende hat sich wieder eine alte Methode durchgesetzt: Im Grunde ein Senklot, wie es am Bau gebraucht wird. Oben am höchsten Punkt des Felgenhornes ansetzen und nach unten auspendeln lassen. Abstand der Abweichung messen und wieder mathematisch umrechnen, wie bei der Spur. Da aber nicht von Felgenrand zu Rand gemessen wird, misst man lieber korrekt vom Mittelpunkt der Felge zum Rand, wo das Senklot auftrifft und nimmt dies als Radius für die Winkelberechnung.
Gesamtkontrolle:
Wer sehen will, ob Hinterräder und die Vorderräder in der Spur fluchten oder wie sie abweichen (sollten), verwendet eine Schnur, die er parallel zu den Felgen spannt. Der Abstand der Schnur zu den jeweiligen Felgenhörnern zeigt inklusive der einzurechnen den, absichtlichen Spurabweichungen, wie die Felgen zueinander laufen. Dabei macht es auch nichts, wenn die Vorderräder beispielsweise enger beieinander stehen, denn man addiert das eben jeweils. Auch lässt sich so erkennen, ob zum Beispiel eine gesamte Starrachse in der Spur läuft oder leicht schräg zum Fahrzeug steht.
Gemein ist es übrigens, wenn an Hinterachsen, wie bei einem alten Elfer, Sturz und Spur über zwei Exzenter arbeiten – und das Verstellen des einen das Verstellen des anderen Wertes automatisch unausweichlich bedingt. Häufigeres Anheben, Fahrwerköffnen und erneutes Einstellen, Probefahren, Messen und Co ist angesagt, denn den Sturz kann man nicht unter Last einstellen, dazu muss das gesamte Bauteil frei sein. Die Spur an der Vorderachse ist da ein einfacherer Kamerad!
TIPP:
Drehmomente der Schrauben und Muttern genau beachten – Fahrwerk ist Fahrwerk. Wenn Sie ein Fahrzeug aufgebockt haben, messen Sie nie direkt danach, es muss sich wieder setzen. Fahren Sie eine Runde um den Block. Lenkrad nach Spurkorrektur schief? Beide Spurstangen genau gleich weit rotieren bis es gerade ist (Gewinderichtung beachten).
Nick Lengfellner / RNRed