Wer reitet so spät durch Herbst und Wind? Es ist ein Elfer, er ist geschwind. Oh Vater, oh Vater hörest Du nicht, es säuselt und pfeifft, ist´s nicht ganz dicht? Oh, doch mein Sohn, das muss so sein: Der Turbo presst die Luft herein! Oh Vater, es schwinden die Sinne, ich werde blind! Nun gut, vom Gas – für dich mein Kind. Er bremst sie sicher, hält fern ab Harm, der gute Elfer, mit Turbo-Charme.
So oder ähnlich hat es sich angeblich zugetragen, als im Spätsommer 2020 die ersten Turbos der 992er Generation in die freie Wildbahn entlassen wurden. Wahlweise mit regulären 580 PS oder 650 PS im Turbo S. Wir entführen dem Porsche Zentrum Regensburg ein 580 PS Cabrio.
Anpowern mit dem Turbo
Und da es immer noch knapp 30 Grad hat, freuen wir uns über jeden Meter ohne Dach und haben es bis zur Autobahnauffahrt schon zweimal auf und zu gemacht – knappe zwölf Sekunden dauert das jeweils, möglich bis 50 km/h. Und ab geht‘s! Zuerst zum Verbrauch, denn wie nun schon seit drei Turbogenerationen, in denen direkt eingespritzt wird: Der Turbo ist unfassbar effizient. Das 3,8 Liter Aggregat gönnt sich 8,1 Liter bei 130 km/h, unterstützt auch durch das aerodynamisch perfektionierte Design. Und auch nach unserer gesamten Ausfahrt durch Stadt und Land – sportlichst gefahren, wo immer möglich – liegen nur 13 Liter Schnittverbrauch an (neun im Mix, wenn man normal fährt). Anpowern macht mit dem Turbo so viel Spaß, der rechte Fuß hat Dauereinsatz. Als greifbaren Rahmen bestätigen wir 2,9 Sekunden auf 100 km/h, 10,1 Sekunden auf 200 km/h und 320 km/h Spitze – letztere haben wir nicht ausgelotet, bekannte Besitzer haben glaubhaft 340 auf den Tacho gebracht. 700 Nm maximales Drehmoment: Dass der Porsche Sie also in den Sitz nageln wird, ist klar. Fast noch feiner aber ist das zarte Rupfen aller vier Räder, wenn er bei leichtem Lenkeinschlag Vollgas befeuert wird. Ein Kampf: Reifen gegen Asphalt, es fräst Sie nach vorne am Rande des Grips. Bis zu 500 Nm kann das Fahrzeug dabei an die vorderen Räder übertragen! Wir nähern uns einfach dem physikalisch maximal Machbaren. Man bleibt dem Konstrukteur dankbar, den Motor im Heck belassen zu haben, wo er zusätzlich Traktion durch Gewicht auf die Reifen bringt – auch beim Bremsen eben. Das Acht-Gang-Doppelkupplungsgetriebe knallt akkurat die Gänge durch und versucht dabei, den Fahrer zu schonen. Der Turbo ist eben der alltagstauglichste Supersportler: Wenig Fahrgeräusche, das sonore Brummen des gesamten Antriebs und eine sehr gute Abstufung des adaptiven Fahrwerks. Brav im Normalmodus, bissig und agil wie eine Viper, wenn am Lenkrad auf Sport oder gar auf Sportplus gedreht wird. Ist dazu noch der M-Knopf (für Manuell) beim Schalthebel gedrückt, shiftet der Dompteur dauerhaft selbst und quadriert seinen Fahrspaß.
© Nick Lengfellner
Kick it!
Und noch etwas ist zurück, wenn auch nicht so wie ganz früher: das Turboloch – oder Löchlein. Die meisten Motoren heutiger Autos haben im Zuge des Downsizings, um aus wenig Hubraum viel Power rauszuholen, Turbos bekommen. Turbos drücken mehr Luft in den Brennraum (Autos ohne Turbo „saugen“ nur = Unterdruck im Brennraum). Auf der einen Seite des Turboladergehäuses steht dabei ein Schaufelrad im Abgasstrom, beginnt sich zu drehen und treibt ein anderes Rad auf der anderen Seite an, das die dann vorverdichtete Luft zu den Zylindern leitet. Mehr Luft bedeutet mehr Gemisch bedeutet mehr Leistung pro Zündung. Der Nachteil: Der Lader ist nur in einem gewissen Drehzahlband „sehr gut“. Ist er kleiner gebaut, erzeugt er bei wenig Drehzahl aus dem wenigen Abgas schon untenrum Power, bekommt aber bei hohen Drehzahlen nicht mehr genug Luft in den Motor und auch nicht mehr genug Abgas hinaus. Ist er groß dimensioniert, kann das Abgas bei hohen Drehzahlen perfekt an den großen Schaufeln durch und diese massiv antreiben – dafür gibt es untenrum eben keinen nennenswerten Druck. Die inzwischen meist verbaute variable Turboladergeometrie (VTG), bei der die Leitschaufeln ihren Winkel und damit den Durchfluss optimieren können, mildert das Dilemma, aber eben nur bis zu einem gewissen Grad. Der Konstrukteur legt also durch die Wahl des Laders bewusst die Charakteristik des Motors fest. Porsche tendiert in Richtung Leistung bei Dreh - zahl. Die Lader wurden größer. Dies kombiniert mit den leider notwendigen Partikelfiltern schafft wieder ein, wenn auch nur kleines, Turboloch. Das macht jedoch das Fahren dynamischer, fordert den Fahrer zur Wachheit bis die Power kontrolliert aber infernalisch hervorbricht. Eine nicht endende Leistungsentfaltung im oberen Drehzahlbereich. Kick it!
Zum Einfangen spendiert Porsche immense 408 Millimeter Stahlscheiben vorne und 380 Millimeter hinten. Wem diese Hünen nicht reichen, der sattelt für einen fast fünfstelligen Betrag auf Keramik um. Auch in Sachen Agilität ist der Turbo eine Bank. Unglaublich präzise und trotzdem so agil. Porsche spendiert von Haus aus eine gelenkte Hinterachse und wer dann im Ultrasportmodus noch Spoiler und die Lippen am vorderen Spoiler ausfährt, schafft 15 Prozent mehr Gesamtabtrieb als beim Vorgänger: Satte 170 Kilo, die die Pneus auf den Asphalt pressen. Die 1.710 KG Leergewicht merkt der Fahrer nur sehr selten.
© Nick Lengfellner
Interieur:
Seit der 997-Elferreihe ist der Innen - raum nahezu so gut wie Antrieb und Fahrwerk. Perfekt verarbeitet und wer die Einfassung der Cockpitinstrumente betrachtet, erkennt sofort die Hommage an die Generationen 993 und davor. Alt und neu harmonieren. Auch lässt Porsche es sich nicht nehmen, einen zu drehenden, fest verbauten „Startschlüssel“ links neben dem Lenkrad zu haben, der Funkschlüssel bleibt somit Türöffner. Wir sind gespannt, wie sich der Gangwahlhebel in der Mittelkosnole künftig entwickeln wird. Turbo fahren kann man ab 198.577 Euro, Turbo Cabrio ab 212.143 Euro und der Turbo S beginnt bei 231.183 Euro. Wer bei Porsche dann bezüglich der Optionsliste lässig „einmal vollmachen“ raunt, bekommt Individualisierungen im Wert von bis zu einem 718er Boxter. Von Assistenzen über Schalensitze, Achs-Lift, erweitertes Sportfahrwerk, von Felgen und deren Farben bis hin zum speziell abgestimmten Schlüsseletui – viel Technik und viel Design. Turbo bleibt eben Turbo. Dafür gibt es maximalen Vortrieb bei schwäbischem Understatement in der wohl schönsten Hülle aller Automobile.
Mobil: Porsche Zentrum Regensburg
Nick Lengfellner / RNRed