1982 kommt der Mercedes 190 auf den Markt. Ein frisches und für Mercedes agiles Design. Er war als Einstieg in die Mercedes-Welt gedacht – und wurde doch viel mehr. Ein unglaublich zuverlässiger Begleiter, der heute das Biedermann-Image gegen den lässigen Achtzigerjahre-Look austauscht.
Die Mercedes-Modellpalette war Anfang 1982 noch im Dornröschenschlaf. Der große Bruder, die E-Klasse (W123), plauzte sich nämlich noch mit dem Design der 70er durch die Gegend: Es war noch die Zeit, als Mercedes alle zehn Jahre mal die Karosserie ummodelte. Erst 1986, also ganze vier Jahre später, wurden die feinen Züge des 201er auf den W124 übertragen. Der Baby-Benz hatte also bereits zwei Jahre nach Einführung der neuen S-Klasse deren Style übernommen.
Fortschritt kostete 50.000 DM
Aber nicht nur sein markantes und gefälliges Design überzeugten die Käufer weltweit, auch die Konstruktion des Fahrwerks war herausragend: Mit fünf Achslenkern pro Rad sorgte man für damals wirklich sehr guten Bodenkontakt, egal was der Fahrer dem Benz gerade zumuten wollte. Die Raumlenkerachse war ein echter Fortschritt, aber natürlich auch teuer. Und das war insgesamt ein Problem, das aber alle Hersteller teilten: Fortschritt kostet. Der Einstiegspreis des 201er war mit 25.600 DM damit genau so hoch wie der Grundpreis des W123 als 200er. Und wer das Maximalpaket des 190ers abschöpfen wollte, kam auf knapp 50.000 DM.

© Nick Lengfellner
Was gab es für Motoren?
Zunächst jedenfalls nur 4-Zylindertriebwerke. 72 PS hatte der 190 D damals, wer ihn gefahren ist, weiß: Gemütlichkeit ist angesagt und schnell wird das auch nicht. Zuverlässig und unkaputtbar war dafür die andere Seite der Medaille – wer später als Upgrade auf einen 300D im großen Bruder wechselte sah sich in einer anderen Durchzugs-Welt (und wir verbrauchten mit dem 300D zum fünft zum Skifahren 5,2 Liter auf 100 km/h!). Aber es gab auch die sportlichen 190 E 2.3 16V, heute teuer! Mit dem Cosworth-Zylinderkopf und 185 PS schickte man sich (Erfolg dahingestellt) an dem M von BMW Paroli zu bieten. Ab 1986 gab es dann den 190 E 2.6 mit 166 PS und später auch endlich einen tollen 2,5 Liter Fünfzylinder Turbo Diesel mit 122 PS und knapp unter 200 km/h Spitze. Ja, Herrschaften – die Literleistung der Turbodiesel hat sich bis heute fast verdoppelt - wie auch das Gewicht. Damals stand Diesel noch nur für sparsam – aber spaßarm. 1988 kommt es dann, einhergehend mit dem 1-Millionsten produzierten 190er, zum Facelift mit breiten Zierleisten, größeren Stoßfängern und leichten Upgrades im Innenraum. Einhergehend wurde ebenfalls ein 2,5 Liter mit 16 Ventilen etabliert – 195 PS (ohne Kat 204). Auch ist bald eine Sportline erhältlich – Tiefergelegt, mit strafferem Fahrwerk und Leicht metallfelgen und auch gerne mal mit Sportsitzen. Ab 1990 gab es dann nur noch Einspritzer, beginnend mit 109 PS im E 1.8. 1993 läuft der letzte Baby-Benz vom Band.
Der Motor schnurrt
Wir fahren einen 2.3 E aus – „Boxenstop“ in Regensburg hat einen schönen im Haus und mit der roten Lackierung geht es hinein in den frühen Herbst. Ausstattung: linker Spiegel mechanisch, rechter elektrisch! Großes Schiebedach, Motorola original Telefon von 1992. Das Fahrzeug hat wirklich eine sehr gute Substanz. Ein Vorbesitzer, 100.000 km. Ein paar kleine Lackanfeindungen in den Radläufen und der übliche Rost an Fahrwerksteilen – so sieht ein heutiges sieben Jahre altes Fahrzeug aus, der Benz wird 30. Eisstrahlen, konservieren und gut ist. Der Motor schnurrt und wie man am Bild sieht: eine Augenweide. 136 PS. Dieser Benz geht GUT vorwärts, seidiger Lauf, sofortige Umsetzung beim Gas geben, Fahrwerk wirklich 1a und von heutigen nicht wegzukennen. Bitte vergleichen Sie diese 136 PS keinesfalls mit denen einer 1.0 Liter Turboluftpumpe die in einer heutigen Golfklasse mit 1,5 Tonnen Schwabbelgewicht eingebaut wird. Hier arbeiten echte 2,3 Liter Hubraum mit 200 NM Drehmoment für nur (ACHTUNG) 1200 kg Auto. Alles wird heute fett und fetter, das ist das Problem. Und so läuft der Benz auch knapp 200 km/h – und das reicht – mit 5-Gang und so leise wie eine S-Klasse.

© Nick Lengfellner
Natürlich würde Enrico Schulze dem Auto noch Klarglasblinker vorne und dunkle hinten, eine etwas tieferes H&R Federn- und Dämpferset und einen sportlicheren Endtopf gönnen. „Zeitgemäßes Tuning“, oldiekonform. Auch ohne „Tuning“ erhält er die Oldtimerzulassung dieses Jahr und die geforderten 7.500 Euro für das Fahrzeug sind gut investiert. Gepflegte 190er Modelle mit den schwachen Motoren gibt es ab ca. 5.000 Euro. Schöne 2.3er ab 8000 und wer 190 PS aufwärts sucht muss schnell 30.000 Euro und drüber investieren. Insgesamt ist der 190er aber noch ein Klassiker mit günstigem Einstiegspreis.
Kauftipps:
Rost ist kein allzu großes Thema, Kotflügelecken (unter den Blinkern), Wagenheberaufnahmen (unter den Kappen schauen), Türlaufkanten, Radläufe und verschlissene Polster sind die größten Baustellen. Motorseitig sind es Langläufer die weit über 200tkm schaffen und dann Service genießen wollen. Die Diesel sind eigentlich unverwüstlich. Hier muss man jedoch leider das Thema Umweltplakette beachten, so denn man nicht als Oldie anmeldet.
Nick Lengfellner | filterVERLAG / RNRed