Gut ein Jahr auf dem Markt, hausveredelt und nachgeschärft: die S-Klasse in Form des AMG S63 E Performance. Zeit also, gediegen ein paar Kundentermine außerhalb Regensburgs wahrzunehmen. Aber selbstverständlich steuert man selbst, ein Chauffeur müsste bezahlen, um diese Sitzposition bei uns „erfahren“ zu dürfen.
Gehen wir zunächst ein paar Jahre zurück in der Zeit und danken damit dieser großen Marke, ein „Made in Germany“ als Zeichen für Qualität und Innovation, früh und nachhaltig auf der ganzen Welt etabliert zu haben. Gerade die Oberklasse von Mercedes-Benz trug hierzu immer mit neuen Innovationen bei, auszugsweise ABS, Airbag, ESP, Abstandsregler (radarbasierend), Hybridantrieb uvm. Bis 1972 stand das S am Ende (z.B. 300 SE) für das Spitzenmodell. Ab diesem Jahr gab es dann mit der Baureihe 116 die namentlich eigene S-Klasse, welche dann in den Folgebaureihen allerorts von Staatshäuptern hin zu Vorständen und Firmenchefs als würdig befunden wurde und so Deutschland auftrittsstark repräsentiert. Je nach Betrachtung sind es somit elf Generationen, die uns begleiten. Mal kantig, mal mächtig, mal ein bisschen filigraner, aber immer einfach mit dem Statement: Stern.
Neben den besten und stärksten Motoren samt vielen Zylindern (auch mal derer 12 ab 1991) gibt es AMG, die seit 1998 hauseigene Tochter, welche aus stark noch stärker macht und auch am Fahrwerk gerne nachschärft – hier auch am AMG S 63 E Performance. Aber zunächst holen wir unsere S-Klasse im Stern-Center in Regensburg ab, an einem diesigen Herbsttag und nur noch 13 Grad. 5,34 Meter – die bislang größte. Außen ist die S-Klasse dabei wieder etwas markanter geworden. Sie vereint die elegante und windschnittige Designlinie der letzten drei Generationen mit sportlichen Elementen. In der AMG-Version wird dies noch u.a. durch die geänderte Heck- und Frontschürze unterstrichen, letztere samt Kühlergrill mit eingefasstem Stern. AMG hat hier genau das richtige Maß gefunden: Ergänzen, perfektionieren und nicht überheben, durchtrainiert statt bodybuilding. Der Anzug sitzt, keine Kante zu wenig, keine zu viel. Es ist ein Understatement und nur die roten Bremssättel und das rot unterlegte S63 geben einen dezenten Hinweis auf die verborgenen Gene.
Intuitiv zu bedienen
Mercedes bietet eine riesige Auswahl an Konfigurationsmöglichkeiten für den Innenraum, der Käufer stellt sich seine eigene First Class zusammen. Farben, Ausstattung, Assistenzen - es gibt viel bis hin zum integrierten Kühlfach für Champagner und Getränke. Jalousien werden elektrisch bedient (von vorn oder hinten), eingefahren komplett verborgen, das Ambient Light im abgedunkelten Fond sowie auch die (klimatisierten) Massagesitze (Rücken, und Beine) sorgen für Ruhe und Entspannung. Eine optionale Armlehnen-, Schulter- und Nackenheizung schafft im Winter wohlige Kaminfeuer-Atmosphäre. Wer die „Sitzheizung +“ wählt, erhält pro Quadratmeter Fläche 2000 Watt an Heizleistung, um wahrlich in wenigen Sekunden adäquate Wärme an den Körper zu führen. Selbstverständlich sind die Flächen getrennt regelbar. Auch digitales TV wird hinten nicht vermisst, die Sitze fahren dort einzeln elektrisch in die richtige Position.
Bei unserem Testfahrzeug ist alles dezent und stimmig schwarz in schwarz gehalten. Mercedes wechselt in unserem Modell Leder- und Klarglasoberflächen geschickt ab, verliert sich nicht in Kleinteiligem und vergrößert das Raumgefühl damit nochmals. Vor dem Fahrer befindet sich ein Bildschirm für Tacho und Daten (3D wer mag). Der mittige Touchscreen für Multimedia und Fahrzeugeinstellungen verlängert elegant die Mittelkonsole. Das AMG-Sport- lenkrad samt seinen Multifunktionstasten ist dabei sowohl optisch in seinem leichten Retrodesign ein Highlight, als auch eine wichtige Schnellsteuerung für die Wahl der Displaydaten oder Fahrwerk- und Fahrmodi. Luxus? Absolut. Hochwertige Verarbeitung ergänzt Komfort und Funktionalität – um alles aufzuzählen bräuchte es viel mehr Platz, alles ergänzt sich äußerst gut und ist absolut intuitiv zu bedienen, auch die Sprachsteuerung funktioniert tadellos. Zur perfekten Fahrt gehört natürlich auch eine gute Geräuschdämmung. Den Motor vernimmt der Fahrer allenfalls beim kräftigen Durchbeschleunigen im Sportmodus, was aber wichtig ist, merkte man sonst nicht, wie flott das Fahrzeug Geschwindigkeit aufbaut. Windgeräusche: Fehlanzeige, je nach Fahrbahnbelag sind nur die Abrollgeräusche der Reifen gedämpft wahrzunehmen. Das Fahrwerk richtet sich, dank Hinterachslenkung und AMG „Ridecontrol +“ samt deren Mehrkammer-Luftfederung, klar nach den Vorgaben des Dompteurs und seiner Auswahl - von Komfort hin zu knackig hart im Sportmodus. Wanken und Neigen wird damit trotz der knapp 2.600 kg komplett unterbunden. Auf unserer Fahrt nach Ingolstadt, Nürnberg und dann zurück über die Landstraße haben wir dies in allen Situationen forciert getestet – unfassbar gut gelungen. Die Lenkung ist dabei absolut präzise. In einen Grenzbereich, wo eine optionale aktive Wankstabilisierung (eigener Stromkreis (48V) mit Hydraulik, um über die Stabilisatoren die Karosserie gerade zu halten) noch besser helfen müsste, kamen wir schlicht nicht, trotz kurvigem Terrain und wahrlich Fuß am Gas.
„Das beste beider Welten“
Das letzte Sahnestück haben wir uns hier natürlich bis zum Schluss aufgehoben: den Antrieb. Die S-Klasse beschleunigt in 3,3 Sekunden auf 100 km/h. Das schaffen ein paar wenige Supersportler und es ist ein geradezu irrwitziger Wert für eine Luxuslimousine. Dazu bedarf es immenser Kraft und die wird hier durch einen hybriden Antrieb erzielt. „Das beste beider Welten“ wie das Haus es verkündet. Aus der alten Welt atmen 8 Zylinder mit insgesamt 4 Litern Hubraum ein, was ihnen zwei Turbolader einpressen. Der rassige V8 Biturbo alleine leistet schon unfassbare 612 PS und 900 NM – neun Gänge zur Nutzung. Dazu kommt dann ein bei der Hinterachse sitzender Elektromotor (samt Akku), der nochmal 190 PS dazugibt - wohlgemerkt über ein separates Zweiganggetriebe: 802 PS Gesamtleistung. Dabei werden zusammen unglaubliche 1420 NM Kraft im Maximum abgegeben. Neben dem vollvariablen Allrad gibt es ein Hinterachs-Sperrdifferential für die nötige Kraftverteilung auf die Pneus. Das ESP wird erstmalig partiell über den Elektromotor mitgesteuert, dadurch muss die aufbauende Leistung des Verbrenners bei Gripverlust beim Beschleunigen nicht unterbrochen werden. Bei 130 km/h haben wir (rein Verbrenner) 8,7 Liter auf 100 km verbraucht. Die abgeregelten 250 km/h sind nahezu umgehend erreicht, optional kann dies auf 290 km/h erhöht werden. Der E-Motor bewegt das Fahrzeug gerne auch alleine (Reichweite um 30 km), abgasfrei und leise, als wir durch die Altstadt rollen.
Rekuperation, der Verbrenner oder die Steckdose (3,7 kW) laden den 13,1-kWh Akku dann wieder auf. Dabei ist der Akku mit einem Hightech-Thermomanagement gekühlt und eben auf fortwährende maximale Unterstützung getrimmt (schnelles Be- und Entladen), um dann da zu sein, wenn die Turbos noch eine kleine Gedenksekunde brauchen. Der Antritt der S-Klasse gleicht einem Jumbojet-Start – dabei wird dem Passagier nicht der Kopf nach hinten geschlagen, sondern der Körper auf sanfte aber absolut zwingende Weise an der Rücklehne des Gestühls arretiert. So wie es für eine S-Klasse gehört.
Reisen wie ein Staatsmann mit dem Durchzug eines Supersportlers hat seinen berechtigten Preis und so beginnt die Reise in einem AMG S63 E Performance bei standesgemäßen 210.029 Euro.
Nick Lengfellner | filterVERLAG