Nun testen wir ja schon länger alles Mögliche, was am Markt so rumstromert. Egal, ob es der Taycan Turbo ist oder die IDs von VW oder gar deren Bus-Brüder. Aber eines bleibt bei allen gleich: wenn man über 100 km/h fährt, fängt die Restreichweite rapide(st) das Purzeln an. Verbrennerfahrer raunen lächelnd: als würde jemand beim Fahren den Tank aussaugen.
Reichweitenkiller Luftwiderstand: Was ist da los? Warum ist es beim Verbrenner für die Reichweite (gefühlt) viel weniger relevant, ob man nun locker mit 150 km/h laufen lässt oder sich auf ermüdende 100 km/h auf der Autobahn einbremst? Und dann gibt es auch lustige Wortgefechte im Netz, wo bei 80 km/h angeblich mehr verbraucht wird als bei 110 km/h…
Verwertung
Auch wenn es verwunderlich scheint, am wenigsten (im Sinne der Effizienz) würde ein Verbrenner benötigen, wenn er unter Volllast läuft: Drosselklappe vollkommen offen, dazu ideal dosierte Spritmenge. Dabei wäre es egal, ob er dabei mit 1.000 U/min dreht oder mit 4.000 U/ min. Zu überwinden gilt immer die innere Reibung, ein Gegendruck quasi von circa 20 Prozent der erbrachten Leistung. Das weitere Anwachsen der inneren Reibung bei höherer Drehzahl (eben über die 20 Prozent) ist vernachlässigbar. Ein guter Verbrenner kann 35 bis 40 Prozent der entstehenden thermischen Energie in mechanische Umsetzen. Fährt man also gerade nicht Vollgas, ist der Wirkungsgrad noch schlechter. Und wann fährt man schon Vollgas?
Auslegungsbedingt (viel PS) einfach nie, wenn überhaupt dann beim Losfahren zum Erreichen einer Geschwindigkeit, bei der dann sofort das Gas wieder zurückgenommen wird. Der Stromer ist hier deutlich besser und verwertet bis zu 65 Prozent der Energie aus dem Akku, egal in welchem Lastzustand!
© Nick Lengfellner
Verbrauch
Eine Fahrt benötigt Energie. Diese wird unter anderem benötigt, um den Rollwiderstand (schieben Sie ihr Auto) zu überwinden, Zusatzverbraucher wie die Heizung oder Klimaanlage laufen zu lassen oder um die Luft zu verdrängen, durch die Ihr Auto bewegt wird.
Lassen Sie uns 100 Kilometer zusammenfahren! Wenn Sie im ersten Gang im Standgas 10 km/h rollen, brauchen Sie für 100 Kilometer 10 Stunden. 10 Stunden Standgas sind aber beim Verbrenner schon wieder um die 1,5 Liter pro Stunde (mit Zusatzverbrauchern), also 15 Liter im gesamten dann. Fahren Sie 50 km/h untertourig im vierten, brauchen sie vielleicht nur 5 Liter für die 100 Kilometer, aber dazu noch 2 Stunden Heizung (1l/std) oder Klima dazu und sind bei 7 Litern gesamt. Optimal läuft es dann vielleicht bei 100 km/h: 5,5 Liter für den Motor für die 100 Kilometer aber dafür nur eine Stunde Heizung, also 6,5 Liter zusammen. Wir sehen: Hier addieren also schon verschiedene Verbraucher ihren Energiebedarf und der Motor ist nur der größte. Im Sommer saugt die Klima, im Winter diverse Heizelemente in Sitzen, dem Lenkrad, der Lüftung, den Scheiben, den Spiegeln oder der Wischwasserheizung. Dazu noch Bluetooth, Handyladen usw. Ja auch die 800 Watt Musikpower, die Ihren Kopf durchbeutelt, bedeutet, dass der Motor eben ein grobes PS dafür extra erzeugen muss.
Ein guter Motor hat sauber Leistung. Bei Betrachtung des KFZ-Scheins lächelte einst der jugendliche Besitzer über sein erstes Mal mit über 100 PS, heute findet sich drunter eher wenig, da die Fettsucht im Fahrzeugbau grassiert. Jetzt wird erst ab 200 PS gelächelt und ab 400 PS gegrinst. Von all diesen vielen Pferden braucht ein Mittelklassefahrzeug jedoch nur 20, um 100 km/h konstant zu fahren, fast alles, um sich dem bremsenden selbsterzeugten „Fahrtwind“ entgegenzustellen. Der Motor braucht dafür dann eben je nach Modell z. B. besagte 5,5 Liter und dazu erzeugten Strom für die Verbraucher. Mit 6,5 Litern Verbrauch kommt man bei einem 60 Liter Tank dann um 900 Kilometer weit. Je größer der Motor (1 Liter Audi TFSI versus 5 Liter V8 Mustang), desto mehr innere Reibung und „weniger Gas“ für 100 km/h, dies bedeutet einen schlechteren Wirkungsgrad, also mehr Verbrauch!
Das Elektroauto braucht für 100 km/h auch 20 PS (also grob 15 Kilowatt). Und hier kommen genauso weitere Verbraucher hinzu. Wirklich mehr muss hier nur für die Heizung aufgewandt werden. Bei Verbrennern entsteht eine Unmenge an Wärme als Abfallprodukt, die einfach im Innenraum über das Kühlsystem genutzt wird. Bei Stromern muss quasi ein „Heizlüfter“ angeschalten werden, um die Luft zu erwärmen. Neben Akkus, die temperaturbedingt im Winter selbst beheizt werden müssen, um keinen Schaden zu nehmen, wird hier also zusätzlich circa ein Kilowatt pro Stunde benötigt. Hier sind 2,5 kWh an Zusatzverbrauch im Schnitt flotter beisammen. Vier Stunden Fahrt mit 100 km/h verbrauchen dann 10 kWh für die Verbraucher und 60 kWh für den Antrieb, also 70 kWh gesamt. Das ist grob das, was derzeit aus einem größeren Akku entnehmbar ist: 400 Kilometer. Ohne Zusatzverbraucher wären es gleich knapp 70 Kilometer mehr. Beim Verbrenner-Auto zehren Zusatzverbraucher also genauso, nur da mehr in den Tank passt sind 70 Kilometer hin oder her halt schon mal von Haus aus weniger relevant. Zu den Verbrauchern kommt in Fragen Energieverbrauch übrigens auch noch der Rollwiderstand eines Autos. Der ist jedoch vergleichsweise gering und relativ unabhängig von der Geschwindigkeit.
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Luftwiderstand
Der richtige und allergrößte Feind ist der Luftwiderstand eines Autos. Verdoppelt er die zum Fahren nötige Energie, halbiert sich die Reichweite. Und das wirkt sich wiederum bei Stromern stärker aus: anstatt 400 Kilometer kommt man dann schlappe 200 Kilometer weit, beim Verbrenner anstatt 900 Kilometer eben noch solide 450 Kilometer. Luft? Gefühlt gibt es da doch keinen Widerstand. So lange wir uns ohne maschinelle Hilfe bewegen, merken wir tatsächlich fast nichts und erfreuen uns eher der Kühlung. Bei Wasser hingegen ist es uns sofort verständlich – wir müssen es aktiv verdrängen, um durchzukommen. Aber genau das Gleiche gilt eben für Luft. Ein Kubikmeter, also 1.000 Liter Luft, wiegen circa 1,2 Kilogramm (bei regulärem Luftdruck). Die Größe der vorderen Fläche Ihres Autos bestimmt dabei, wie viel Luft „zur Seite“ geschoben werden muss. Um da eine einfache Größe zu haben, mit der man Autos für gewisse Aspekte untereinander vergleichen kann, hat man hier den cW-Wert erdacht. Er gibt an, wie groß der Luftwiderstand eines Objekts (hier des Autos) im Vergleich zu einer, der senkrechten Autofrontfläche (Querschnitt) gleich großen kreisrunden Blechscheibe, ist. Über den tatsächlichen Energiebedarf sagt er noch nichts aus, da logischerweise ein LKW flächenbedingt mehr zur Seite schieben muss wie ein Delfin (cW-Wert Delfin übrigens sagenhafte 0.03! LKW gerne 0,5 - 0,8 – die senkrechte stehende Scheibe pur im Fahrtwind hätte cW 1). Heutige Autos sind „windschnittig“ und kommen auf cW- Werte um die 0,3. Vor zehn Jahren hat ein 3er BMW noch bei 0,5 aufwärts gelegen. Ein heutiger Mercedes EQS schafft sogar 0,2t.
Und hier kommt die Crux: Die Luftreibungskraft wächst dabei leider nachweislich quadratisch mit der Geschwindigkeit, was in einer Formel dann wie folgt abgebildet wird:
FLuft = rho : 2 x cw x A x v2
F ist die Kraft, die man benötigt, rho ist die Luftdichte (also die obigen 1,2 kg/m3), A ist die Querschnittsfläche des Autos und v die (zu potenzierende) Geschhwindigkeit (in Metern pro Sekunde m/s). Ein Auto mit 1,80 Breite und 1,5 Meter Höhe und einem Cw-Wert von 0,3 benötigt also bei 30 m/s (=108 km/h):
FLuft = 1,2 kg/m3 : 2 x 0,3 x 2,7m2 x (30m/s)2 = 437,4 Newton an anschiebender Kraft.
Wie man an der Formel übrigens einfach sieht: Verdoppelt sich der cW-Wert, muss man auch doppelt so viel Kraft aufwenden. Leistung bedeutet hier Kraft für Strecke pro Zeit – somit erhalten wir eben PS oder Kilowatt. Um obig besagtes Tempo von 108 km/h (30m/s) zu halten, benötigen wir die Leistung P und ermitteln diese wie folgt:
PLuftw. = 437,4 N x 30 m/s = 13122 Watt (18 PS) oder gerundet 13,1 kW eben.
Die entnehmbare Leistung eines Akkus wird in Kilowattstunden angegeben, z. B. 65 kWh. Bei 13 kW bei 108 km/h könnte man (ohne weitere Zusatzverbraucher) also 65:13 circa 5 Stunden abrufen = 5 x 108 km = 540 km weit fahren. Hat man aber keinen so guten Cw-Wert bei gleicher Frontfläche – z.B. nur 0,6 – käme man von Haus aus nur halb so weit. Ist die Frontfläche doppelt so groß (Bus, SUV….), kommt man auch nur halb so weit!
Schlimmer ist es aber, die Geschwindigkeit zu erhöhen. Nehmen wir 130 km/h, gerundet 36 m/s.
FLuft = 1,2 kg/m3 : 2 x 0,3 x 2,7m2 x (36m/s)2 = 629,8 Newton
PLuftw. = 629,8 N x 36 m/s = 22672 Watt (31,3 PS) oder gerundet 22,7 kW eben.
Bei einem 65 kWh Akku könnte man 2,86 Stunden fahren, also käme damit schon nur noch 372 Kilometer weit, anstatt vorherigen 540 Kilometer! Und das bei nur 22 km/h Differenz!
Bei 180 km/h (50m/s)
FLuft = 1,2 kg/m3 : 2 x 0,3 x 2,7m2 x (50m/s)2 = 1215 Newton
PLuftw. = 1215N x 50 m/s = 60750 Watt (83,3 PS) oder gerundet 60,8 kW eben.
Bei einem 65 kWh Akku könnte man 1,07 Stunden fahren, also käme damit 192 km weit. Natürlich kommt auch ein Benziner mit seinem Tank dann prozentual genauso weniger weit! Fazit: Der Reichweitenkiller ist die Geschwindigkeit, weil Luft verdrängen eben Leistung benötigt. Ein Liter Benzin speichert ungefähr 8,5 kWh. Die Akkus der Elektrofahrzeuge lassen derzeit meist um die 70 bis 80 kWh abrufen, übertragen sind das also zehn Liter Sprit. Daran sieht man einerseits wie wenig eben zur Verfügung steht – aber andererseits, wie schlecht doch die Verwertung des Verbenners ist. Für die Umweltbilanz muss man jedoch trotzdem die Erzeugung von Sprit oder Strom noch separat bewerten!
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