Kürzlich haben wir den XC90 vorgestellt – Volvos großes SUV mit Hybridkonzept. Kurz darauf kam der EX90, sein reinelektrischer Bruder, auf die Straße. Unter seinem Kleid steckt schon Volvos weiterentwickelte SPA2 Plattform. Wir haben ihn auf eine große Spritztour in den Bayerischen Wald mitgenommen, über die Rusel zum Arber und weiter.
An der Temperatur müssen wir noch arbeiten, aber der Frühling naht mit großen Schritten. Freitag, 10 Uhr, vollgeladen holen wir bei Sonne und blauem Himmel Volvos neues Topmodell bei Svenscar in Regensburg ab. Außen fällt natürlich sofort der fehlende Kühlergrill auf. Kein Kühler – kein Grill, und so sehen wir eine geschlossene Frontpartie, in der nur Scheinwerfer und das schräg teilende Volvo-Emblem Akzente setzen – schnittig! Während die Silhouette und viele prägende Elemente in der Seitenansicht klar die 90er-Modelle zeigen, ist das Heck wieder eigen. Die Rücklichter ziehen sich bis in die Heckklappe hinein, werden nach oben unterbrochen und dann links und rechts der Heckscheibe nochmal aufgegriffen. Das sieht sehr modern aus und greift die früheren Rücklichter stilisiert und filigran auf. Auch verjüngt sich das Heck dezent nach hinten – was ihm eine sportlichere Note verleiht und zudem der gerade beim Stromer so wichtigen Aerodynamik zugutekommt.
Während außen also wahrlich gelungen nachgeschliffen und weiterentwickelt wurde, ohne dabei die Identität zu verlieren, hat Volvo das Innenraumkonzept komplett neu aufgezogen. Mangels Kardan und dafür nötigem Mitteltunnel gibt es zudem mehr Platz.
Vergleichen wir es doch mal kurz mit unserer Zeitschrift: Eine Seite ist dann am schönsten, wenn nur Text, Bild und Weißfläche wirken können – ein Discounterprospekt macht das Gegenteil. Das Designteam hat bei Volvo den maximalen Kahlschlag bei störenden Unterbrechern angesetzt und so blickt der Insasse auf wunderbar weite Flächen, die nur durch bewusst eingesetzte Elemente kontrastiert werden. Mittig unterbricht die Klimatisierung zwischen Dashboard und dem unteren Konsolenbereich, ein Drehregler in der Mittelkonsole wird zur kleinen Insel in der Ablagefläche. Dazu gibt es noch die zwei Bildschirme und eine elegante Aluleiste, die zum Fußraum abgrenzt. So stellt man sich heute ein Raumschiff der Zukunft vor. Absolut reduziert, zeitlos. Nur der Fahrer und seine Designersuite. Das klassische Cockpit eines Flugzeugs als Vorbild hat ausgedient, wer zusätzliche Informationen wünscht, ordert diese über das Display. Display ist hier fast untertrieben, denn 14,5 Zoll, also über 36 cm in der Diagonale, sind eine Ansage. Der Fahrer sieht dazu vor sich die für das E-Fahrzeug relevanten Daten und Navigationshinweise auf seinem eigenen, schmäleren 9 Zoll (22,5 cm) Bildschirm. „Knöpfe“ findet man nur noch am Lenkrad. Dort regelt man u. a. den Tempomat, den Abstand, die Inhalte des Fahrerdisplays sowie die Steuerung der Sender samt Lautstärke oder regt ein Gespräch mit dem Bordcomputer an, um z. B. die Navigation zu starten.
Sie haben sich gefragt, was der kleine Dom über der Windschutzscheibe ist? Das ist Volvos Lidar. Mit gepulster Lasertechnik, Kameras, Radar und Ultraschallsensoren erhält das Fahrzeug damit ein umfassendes Bild von dem, was draußen passiert und erkennt andere Verkehrsteilnehmer, verhindert Kollisionen oder bleibt in der Spur. Überhaupt widmet sich Volvo mit seiner „Safe Space Technologie“ erhöht der Sicherheit. Das beginnt bei der Außenüberwachung und endet im Innenraum – um zu sehen, ob der Fahrer noch aktiv am Geschehen teilhat, ob Insassen im Innenraum vergessen werden, die Tür gerade im Verkehr besser nicht geöffnet, rückwärts ausgeparkt werden kann oder hilft beim Einparken und Bewältigen von Engstellen. Gerne hilft der Spurwechselassistent auch, indem er nach Blinkertippen die nächste Lücke zum Ausscheren für Sie findet – unterstützend alles wohlgemerkt.
Ladefreude gibt es auf jeden Fall im Innenraum: Maximal passen satte 1.955 Liter bei umgeklappten Rücksitzen in den EX90 und zusätzlich hat man vorne noch den Frunk, in den man gerne Zubehör packt, das man immer dabei haben will – oder einige Brotlaibe für die Reisepausen.
Auf der Straße geht es nun die Rusel hinauf. Merken wir die fast 2,8 Tonnen? Natürlich ja, wenn man das Fahrzeug wie einen Sportler im Grenzbereich bewegen will – dafür ist aber ein SUV generell nicht da, von keiner Marke. Aber fährt man lediglich sportlich oder cruist genüsslich, dann entfaltet sich die Bestimmung und man gleitet bestens vom Luftfahrwerk getragen durch die Landschaft. Die Lenkung gibt ein angenehmes Feedback, Unebenheiten der Fahrbahn werden kaschiert und ein Nachschwingen bei schnellen Lastwechseln unterbindet die Elektronik sehr gut.
Volvo bietet den EX90 dabei mit zwei Motorkonzepten an. Mit dem Single Motor werden 205 kW (279 PS) abrufbar, mit dem Twin Motor (dann natürlich auch Allrad) gibt es insgesamt 408 PS. Volvo gibt im WLTP-basierenden Messzyklus derzeit 580 km für den Single und 570 bis 616 km für den Twin an. Der Twin Motor Performance, als weitere Leistungsstufe, hat dabei sogar 517 PS, kostet aber gut 5.000 Euro mehr als der normale Twin in der Basis. Dafür massiert es die Insassen bestenfalls in 4,9 Sekunden auf 100 km/h. Alle regeln bei 180 km/h ab. Am Schnelllader geht es dabei in 30 Minuten von 10 auf 80 % Ladezustand. Die Twins dürfen bis zu 2,2 Tonnen anhängen.
Auf ebener Strecke messen wir bei 100 km/h eine benötigte Leistung von 21 kW, damit kämen wir ca. 500 km weit. Bei 130 km/h benötigen wir 27 kW und kämen mit dieser Geschwindigkeit knapp 400 km weit. Der Feind ist der Fahrtwind und wer in der Stadt fährt, benötigt eben deutlich weniger. Hier gilt es dann, die Masse zu beschleunigen und möglichst rekuperierend abzubremsen. Hier brauchen wir ein Drittel weniger und kämen entsprechend weiter. Der Mix macht es.
Fazit: Ab 83.700 Euro gibt es einen extrem großzügigen Stromer mit perfektem Fahrkomfort, geringsten Fahrtgeräuschen und einem absolut straighten und eleganten Design. Wer hier noch etwas auf seinen Gasfuß achtet, wird nichts missen, aber alle Vorzüge eines Stromers samt aktuellster Technik und Sicherheit genießen.
Auto: Svenscar Regensburg
Pilot: Nick Lengfellner
Nick Lengfellner | filterVERLAG