Veränderte Arbeitsmarktbedingungen erfordern ein Umdenken bei Arbeitgebern und -nehmern. In einem Gespräch mit Frau Prof. Dr. Carina Braun, Prodekanin der Fakultät Betriebswirtschaft an der OTH Regensburg, sprechen wir über Strategien gegen den Fachkräftemangel, die Auswirkungen der Digitalisierung, und Nutzen des Bürokratieabbaus für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.
Der Arbeitsmarkt ist einem stetigen Wandel unterworfen. Vermeintlich sichere und angesehene Berufe von gestern spielen heute keine Rolle mehr. Dieser Herausforderung müssen sich nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Arbeitnehmer stellen. Wir haben mit Frau Prof. Dr. Carina Braun, Prodekanin der Fakultät Betriebswirtschaft, und bald auch Vize-Präsidentin der OTH Regensburg gesprochen, um ihren Blick auf die aktuellen Herausforderungen der Arbeitswelt zu erhalten.
Welche Strategien empfehlen Sie Unternehmen angesichts des aktuellen Fachkräftemangels, um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten?
Das erste Thema ist hier sicherlich die Sichtbarkeit von Unternehmen und die Vermarktung spannender Jobs. Insbesondere im Bereich der KMU ist das noch eine große Aufgabe, wenn man mit den großen Playern in einer Region konkurriert. Darüber hinaus sind Unternehmen aktuell in der eher „unbequemen“ Lage, vermehrter als früher auf die Wünsche und Bedürfnisse von Bewerberinnen und Bewerbern eingehen zu müssen. Aspekte wie flexiblere Arbeitszeiten, höhere Gehälter oder - wie aktuell in einigen Fällen öffentlich diskutiert - eine verringerte Arbeitszeit (oder die Verteilung der Arbeitszeit auf weniger Arbeitstage) bei gleichem Lohn sind hier sicherlich sehr aktuelle Beispiele. Unternehmen müssen in meinen Augen prüfen, was in ihrem individuellen Setting funktioniert, sollten sich hier aber an moderne und flexible Formen durchaus heranwagen. Wer das für sich nicht sicher weiß oder sich nicht gleich mit neuen Betriebsvereinbarungen dauerhaft festlegen möchte, sollte experimentieren und neue Arbeitsformen als „Pilot“ ausprobieren. So kann man auch wieder in das alte Modell zurückwechseln, wenn das Leistungsniveau nicht gehalten werden kann. Und mit Sichtbarkeit und modernen Arbeitsformen kann man sich ggf. auch überregional als attraktiver Arbeitgeber:in positionieren.
Jobs werden sich verändern, neue Technologien werden Einzug erhalten – und hier muss man mitgehen können bzw. auch wollen.
Wie beeinflusst die fortschreitende Digitalisierung die Anforderungen an Arbeitskräfte und welche Kompetenzen werden zukünftig besonders gefragt sein?
Im Kontext der Future Skills werden Aspekte wie Lösungsfähigkeit, Kreativität, Offenheit, aber auch digitale Schlüsselkompetenzen wie die Beherrschung neuer Technologien und digitaler Formen der Zusammenarbeit diskutiert. Auch Innovationsfähigkeit spielt hierbei eine wichtige Rolle. In meinen Augen lässt sich das aber alles ein bisschen „kondensieren“. Alle, und damit meine ich Azubis, Studierende und Mitarbeitende, sollten schlichtweg gut mit Fortschritt und Veränderungen umgehen können und diesen auch wollen. Aus diesem Grund will ich neben den genannten Punkten vor allem die allgemeine digitale Aufgeschlossenheit hervorheben, die meiner Meinung nach gepaart sein sollte mit Veränderungsbereitschaft und Anpassungsfähigkeit. Jobs werden sich verändern, neue Technologien werden Einzug erhalten – und hier muss man mitgehen können bzw. auch wollen. Darüber hinaus würde ich gerne die Fähigkeit hervorheben, ethische und nachhaltige Entscheidungen treffen zu können. Es wird in Zukunft so viele Möglichkeiten geben, Arbeit zu gestalten, aber es muss in meinen Augen auch Menschen geben, die für die Zukunft sinnvolle Entscheidungen treffen. Das geht nur mit einem Bewusstsein für Ethik und Nachhaltigkeit.
In Anbetracht der sich verändernden Arbeitsmarktbedingungen durch die Digitalisierung, Globalisierung und Zuwanderung sind Anpassungen und Innovationen im Schulwesen erforderlich. Welche Maßnahmen sollten ergriffen werden, um sicherzustellen, dass Absolventinnen und Absolventen die gewünschten Fähigkeiten und Qualifikationen für die modernen Arbeitsanforderungen mitbringen?
Ich denke bei Ihrer Frage natürlich ganz grundsätzlich an moderne Lehr- und Lernformate, die die digitale Aufgeschlossenheit, die Agilität im Arbeitsleben und in der Zusammenarbeit sowie die Effektivität und Effizienz der Wissensvermittlung steigern könnten. Mit Blick auf die Themen Globalisierung und Zuwanderung wünsche ich mir noch mehr Angebote und auch mehr Offenheit, Menschen in unsere Gesellschaft und auch in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dazu gehören Angebote, um die Sprache zu lernen, ebenso wie Beratungs- und Unterstützungsangebote. Ich würde mir in dem Zusammenhang auch wünschen, dass wir uns öfter Erfolgs-Stories erzählen und auch auf diesem Weg Offenheit und Integration fördern.
Für mehr Gleichberechtigung am Arbeitsplatz halte ich Sensibilisierung und Offenheit für essentiell.
Welche Maßnahmen sind notwendig, um Gleichberechtigung am Arbeitsplatz zu fördern und sicherzustellen, dass Frauen und Männer gleiche Chancen in Bezug auf Karriereentwicklung, Gehälter und berufliche Möglichkeiten haben?
Gleichberechtigung am Arbeitsplatz bedeutet, dass Menschen jeder Herkunft, jeden Geschlechts und jeden Alters gleichberechtigte Chancen haben und fair behandelt werden. Wichtig ist hier zu verstehen, dass Gleichberechtigung nicht durch Gleichheit hergestellt wird: Unterschiedliche Gehälter wären demnach durchaus gerechtfertigt, wenn die Leistung eben auch unterschiedlich ist. Gleichberechtigung in diesem Kontext bedeutet aber, dass für die Bemessung und Bewertung von Leistungen die gleichen Maßstäbe angelegt werden. Für mehr Gleichberechtigung am Arbeitsplatz halte ich Sensibilisierung und Offenheit für essentiell. Zu oft haben wir noch Stereotypen im Kopf und versuchen, offene Stellen im Idealfall mit einem Zwilling der ausscheidenden Person zu besetzen: Herr Müller geht in Rente? Wir brauchen wieder einen Herrn Müller. Hier können Unternehmen schon bei der Definition einer Stelle flexibler nachdenken – und sich damit sicherlich auch ein größeres Spektrum an potenziellen Bewerber:innen erschließen. Das gilt dann auch für das Angebot flexibler Arbeitsformen und Karriereperspektiven.
Ich bin noch immer erstaunt, wenn mir Unternehmen (analoge) Papierformulare zeigen, die händisch ausgefüllt und per Hauspost einen Genehmigungsprozess durchlaufen.
Wie könnte der Abbau von Bürokratie Unternehmen dabei unterstützen, flexibler auf Veränderungen im Arbeitsmarkt zu reagieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken? Wie könnte sich der Bürokratieabbau konkret auswirken?
Wenn durch bürokratische Prozesse relevante Entscheidungen und Veränderungen hinausgezögert werden, dann hemmt das natürlich auch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Ich bin noch immer erstaunt, wenn mir Unternehmen (analoge) Papierformulare zeigen, die händisch ausgefüllt und per Hauspost einen Genehmigungsprozess durchlaufen. Das ginge alles schneller. Wir sollten aber nicht vergessen, dass manche bürokratischen Prozesse auch einen Kontrollcharakter haben – und dieser darf bei manchen Prozessen nicht ungeprüft und uneingeschränkt durch digitale und schnelle Lösungen verloren gehen.“
Kathrin Gnilka, Redaktion filterVerlag